Skisport in Österreich:"Das ist eine autokratische Struktur"

OLYMPICS 2018 Winter Olympics PYEONGCHANG SOUTH KOREA 09 FEB 18 OLYMPICS FREESTYLE SKIING Olym; Buckelpiste Österreich Melanie Meilinger

Eine Österreicherin auf der Puckelpiste.

(Foto: imago/GEPA pictures)
  • Hans Kaiser, ein suspendierter Ski-Funktionär aus Österreich, verklagt den Präsidenten seines Landesverbands.
  • Am Mittwoch kommt es in St. Pölten zum Prozess.
  • Der Fall erzählt einiges über die große Verbandswelt und den ÖSV.

Von Johannes Knuth

Im Mai 2018 erhielt Hans Kaiser eine E-Mail, Absender war der Landesskiverband Niederösterreich. Kaiser, seit vier Jahren Referent für Ressort Freeski und seit Jahrzehnten in der Szene verwurzelt, sei von seiner Funktion suspendiert, hieß es da, mit sofortiger Wirkung.

Die Begründung verwunderte Kaiser: "Streitereien und Beschimpfungen von ÖSV-Funktionären", aus dem Österreichischen Skiverband also. Außerdem: "Unnötige Interventionen" beim Ski-Weltverband Fis, "Nichteinhaltung des Budgets". Kaiser war sich keiner Schuld bewusst. Er hakte nach, doch auf konkrete Fragen habe er keine konkreten Belege erhalten, sagt er. Und so bohrte er weiter, bis er etwas tat, was sehr selten ist im Dunstkreis großer Sportverbände: Er, der kleine Funktionär im Schatten eines der einflussreicheren Sportverbände des Kontinents, er muckte auf, verklagte den Präsidenten des Landesverbands, der ihn suspendiert hatte, wegen übler Nachrede. An diesem Mittwoch kommt es in St. Pölten zum Prozess.

Skisport in Österreich: Hans Kaiser.

Hans Kaiser.

(Foto: Privat / oh)

Hans Kaiser ist seit 1975 in der Freestyle-Szene, Buckelpiste und Aerials. Olympische Disziplinen, aber eher Außenposten des Wintersports. Doch sein Fall erzählt einiges über die große Verbandswelt und den ÖSV, der zuletzt häufig in schwere Kritik geriet. Der Fall handelt nicht von Razzien und Doping, wie zuletzt bei der Nordischen Ski-WM, dafür von fragwürdigem Verhalten von Funktionären und was passiert, wenn man sich in strengen Hierarchien eine eigene Meinung leistet.

"Ich habe gar nichts gegen den ÖSV", sagt Kaiser

Kaiser ist 76, wenn man ihn trifft, trägt er das, was Züge einer bizarren Posse trägt, mit ruhigen, klaren Worten vor. Er hatte sich 1975 in St. Moritz dem Europa-Verband angeschlossen, den der Deutsche Fuzzy Garhammer, einer der Urväter des Freestyle-Sports, gerade gegründet hatte. Bald ging der Verband in den Ski-Weltverband Fis über, Kaiser war im ÖSV nun Referent für Freestyle und Mitglied im Komitee der Fis. Bis 1994. Dann sei Peter Schröcksnadel, schon damals Chef des ÖSV, bei einem Fis-Kongress in Rio de Janeiro am Buffet zu ihm gekommen, erinnert sich Kaiser: Er sei jetzt nicht mehr Freestyle-Referent, habe Schröcksnadel gesagt - "Okay, warum?" - Na ja, die Landespräsidenten wollten ihn nicht mehr. Kaiser kannte alle Landesfürsten, als er nachhakte, schoben sie die Schuld auf die jeweils anderen. Kaiser bat Klaus Leistner, schon damals Generalsekretär im ÖSV, um eine schriftliche Begründung. Darauf warte er bis heute, sagt er. Der ÖSV ließ Fragen zu dem Vorgang unbeantwortet.

"Ich habe gar nichts gegen den ÖSV", sagt Kaiser, aber es sei nun mal so: "Es wird nie vorher mit den Leuten gesprochen, es wird einfach die Entscheidung getroffen. Und wenn man Einwände hat, wird einem gesagt: Dann könnt ihr halt gehen. Diese Verbandskultur", findet Kaiser, "ist keine demokratische Struktur, das ist bis heute eine autokratische Struktur. Zumindest soweit ich das mitbekommen habe, im Bereich Freestyle."

Kaiser zog sich aus dem ÖSV zurück, er besaß aber noch eine Fis-Lizenz als Technischer Delegierter, ein Art Berater der Wettkampfjury. Er war bei rund 60 Welt- und Europacups im Einsatz, bis 2014. Dann habe ihn Philipp Steinwender, ein Ex-Buckelpistenfahrer, um Hilfe gebeten: Er wollte ein Team für die Heim-WM 2015 am Kreischberg aufbauen, der ÖSV wolle das aber nicht so recht fördern. "Wir hatten in Österreich damals fast nichts mehr in den Sparten, fast alle Vereine waren eingegangen, wie in Deutschland", erinnert sich Kaiser: "Aber Freestyle war mein Baby, und das lässt man nicht sterben."

Die merkwürdige Intervention des Skiverbands

Kaiser und seine Mitstreiter bauten ein Netz an Europacups und Fis-Events auf, zweite und dritte Liga im Wintersport, für den Nachwuchs. Während der Kreischberg-WM fand ein Europacup bei Salzburg statt, sagt Kaiser, da hätten mehr Starter mitgemacht als bei der WM auf der Buckelpiste. Er war jetzt Referent für Freeski im Landesverband Niederösterreich. Dort bildete er Wertungsrichter aus, die sind beim Ski-Freestyle so wichtig wie im Eiskunstlauf. Aber im ÖSV sei man argwöhnisch gewesen, sagt Kaiser. Ein hochrangiger Funktionär habe ihm gesagt: "Das braucht man doch nicht. Nehmt halt irgendwelche Leute, die an der Piste rumstehen, die sehen doch auch, ob jemand gut ist." Kaiser war baff, er sehnte sich nach mehr Unabhängigkeit. Er wisse von Firmen, "die würden, wenn wir eine attraktive Sparte hätten und erfolgreiche Athleten, sofort vom ÖSV abspringen und unsere Disziplinen unterstützen", sagt er. Vor drei Jahren gründete er mit Mitstreitern einen Förderverein.

Im Februar 2018 wurde es dann merkwürdig. Kaiser sollte in Gaißau einen Fis-Wettbewerb als Technischer Delegierter beaufsichtigen. Drei Wochen vorher rief eine Sekretärin der Fis beim Veranstalter an: Der ÖSV habe gebeten, man möge Kaiser voerst nicht mehr als Delegierter einsetzen. Als er beim ÖSV nachhakte, hieß es bloß: "Verbandsschädigendes Verhalten". Aber man werde ihm das alles schon noch erklären, im folgenden Sommer. Kaiser war erbost, nicht nur ob der fehlenden Belege, wie er sagt: "Indem man mir den Job wegnahm, wollte man dem Veranstalter Probleme machen." Ohne Technische Aufsicht kein Wettkampf. Kaiser beschwerte sich bei Gian Franco Kasper, dem Fis-Präsidenten; er beschwerte sich beim Österreichischen Olympia-Komitee, das verwies ihn an den ÖSV. Anfang Mai dann die Sanktion durch den Landesverband. Der ÖSV, vermutet Kaiser, habe "zu meinem Landesverband gesagt: Schaut's, dass ihr den Kaiser loskriegt". Der ÖSV teilte auf konkrete Fragen zur Causa bloß mit, der Fall sei eine Sache des Landesverbands, man wolle sich daher nicht äußern.

Kaiser klagt tatsächlich nur gegen seinen Landesverband, doch der Fall reicht weit darüber hinaus. Als er seine Klage einreichte, erwiderte der Landeschef in der Stellungnahme, die der SZ in Auszügen vorliegt: Kaiser sei "ohne Einladung oder offizielle Entsendung" zu einem Fis-Kongress gefahren, habe dort "über den nationalen Verband hinweg" Sportpolitik betrieben und diesen kritisiert. Kaiser sagt, er habe sich dort weitergebildet, auf Einladung der Fis, für seine Lizenz. Aber das sei typisch: "Wenn man nicht der Meinung des Verbands ist, ist es offenbar schon verbandsschädigendes Verhalten."

Und das Budget, das er angeblich überschritten habe, habe bloß 500 Euro betragen, er habe es eingehalten. Es sei nur in der Abschlussrechnung des Landesverbands "auf 600 Euro manipuliert worden". Das habe er beim Rechnungshof des Landes angezeigt. Der beklagte Präsident des Landesverbandes schreibt auf Anfrage, es handele sich um ein akutes Verfahren, er wolle sich zu all dem nicht äußern.

"Sie glauben im Verband, dass sie ihre Politik so wie immer machen können", sagt Kaiser: "Wenn jemand unangenehm wird, werden wir ihn einschüchtern. Es wird viel geschimpft in den Unterebenen im ÖSV, aber es traut sich niemand, etwas zu machen." Bis jetzt zumindest.

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