Linzer ASK:Wie in der Villa auf Ibiza

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Valerien Ismael (rechts) beim regelkonformen Training mit einer kleinen Gruppe seiner Spieler im April. Hinter verschlossenen Türen wurde aber heimlich auch Mannschaftstraining abgehalten. (Foto: Leonhard Foeger/Reuters)

Österreichs Tabellenführer wird heimlich beim Schummel-Training gefilmt. Die Aufnahmen könnten die Meisterschaft entscheiden - und das Image vom sympathischen Underdog ramponieren.

Von Felix Haselsteiner

Fast genau ein Jahr ist es her, dass ein heimlich aufgenommenes Video Österreich in seinen Grundfesten erschüttert hat. Sondersendungen liefen damals tagelang im Fernsehen, Politiker traten zurück, eine Regierung zerbrach. Nun hat Österreich einen neuen Videoskandal, ein "Sport-Ibiza", wie es die Boulevardzeitung Krone nannte: Der Tabellenführer der Bundesliga, der Linzer ASK, wurde beim illegalen Mannschaftstraining erwischt, in Zeiten von Corona ein ernsthaftes Vergehen. Auch die Entstehung des Skandals erinnert auf frappierende Weise an die politische Ibiza-Affäre.

Der Reihe nach: Am Donnerstagnachmittag hatte die österreichische Bundesliga ein Statement veröffentlicht, das über den Beginn von Ermittlungen gegen den LASK informierte. Der Liga war aus unbekannter Quelle Videomaterial zugespielt worden, das den LASK beim Mannschaftstraining zeigte - was zu diesem Zeitpunkt gemäß den Verordnungen der Regierung noch nicht erlaubt war, erst ab Freitag durften Bundesligateams wieder gemeinsam mit Körpereinsatz trainieren. Fast zeitgleich berichteten oberösterreichische Lokalmedien über einen Einbruch in das Stadion der Linzer in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag.

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Auf Videoaufnahmen einer Überwachungskamera ist dabei zu sehen, wie zwei Personen sich unerlaubt Zutritt zum Vereinsgelände verschaffen, um dann ihrerseits eine Überwachungskamera zu installieren. Mutmaßlich ist jene dritte Partei also dafür verantwortlich, dass der Ligaverband die Aufnahmen vom illegalen Training erhielt, die nun dem LASK schaden.

Die LASK-Verantwortlichen verstricken sich in Widersprüchen

Doch wie schon beim Ibiza-Video gilt auch hier: Die Fragen um die Urheber des Videos müssen warten, die Öffentlichkeit beschäftigt der Fakt, dass der Tabellenführer sich nicht an die Regeln hielt. Die Bundesligavereine meldeten sich am Donnerstagnachmittag umgehend in einer gemeinsam verfassten Mitteilung: Man distanziere sich in aller Schärfe von diesem Regelbruch und fordere eine lückenlose Aufklärung. Interessant ist auch die Information der anderen Vereine, dass die Videoaufnahmen "Gerüchte rund um ein Mannschaftstraining" bestätigen würden, die schon seit einigen Tagen kursiert hätten. ÖFB-Präsident Leo Windtner meldete sich ebenfalls zu Wort: "Mit einem solchen Verhalten würden alle erfolgreichen Bemühungen der letzten Wochen, dem gesamten Fußball in Österreich eine neue Perspektive zu geben, konterkariert."

Der LASK hingegen gab erst am nächsten Tag ausführlich Auskunft, verstrickte sich dann aber teilweise in Widersprüchen. Zwar gab man alle Vorwürfe zu, während Vizepräsident Jürgen Werner allerdings davon sprach, es falle "unter Dummheit, wenn wir das einen Tag vor der Aufhebung machen", gab Trainer Valerian Ismael zu, schon früher heimlich Mannschaftstraining anberaumt zu haben: "Die letzten drei Wochen haben wir das immer wieder punktuell gemacht, wenn wir das Gefühl hatten, dass wir einen Impuls brauchen."

Vier Trainingseinheiten habe der LASK verbotenerweise durchgeführt, so das Geständnis. Das Verfahren, das eingeleitet wurde, soll noch vor dem geplanten Liga-Neustart am 2. Juni zu einem erstinstanzlichen Urteil kommen. Aus sportjuristischen Kreisen ist zu hören, dass ein Zwangsabstieg unwahrscheinlich sei, eine milde Ermahnung allerdings ebenfalls. Derzeit scheint ein Punktabzug und eine Geldstrafe am wahrscheinlichsten, die Meisterschaftsambitionen des Spitzenreiters - aktuell führen die Linzer mit drei Punkte vor Titelverteidiger Salzburg - könnten damit einen herben Dämpfer bekommen.

Vereinspräsident Siegund Gruber geht zum Gegenangriff über

Neben den juristischen Konsequenzen wird der LASK wohl viele Sympathien verlieren. Die Geschichte des kleinen Vereins aus Linz, der sich aus den Niederungen der dritten Liga nach oben kämpfte, in der Europa League im Herbst noch große Erfolge feierte und endlich, so die Hoffnung vieler Österreicher, die Alleinherrschaft von RB Salzburg in der heimischen Liga beenden könnte, hat nun ein schwarzes Kapitel bekommen. Erste Stimmen fordern nun personelle Konsequenzen im Verein.

Die Kritik an Vereinspräsident Siegund Gruber, der in der Vergangenheit schon öfter mal die lautstarke Auseinandersetzung mit der Konkurrenz gesucht hatte, kommt vor allem aus Wien und Salzburg. Das Bild vom krampfhaft ambitionierten LASK hatte sich Anfang März auch in der Öffentlichkeit festgesetzt, als Gruber kritisierte, dass das Europa-League-Achtelfinale gegen Manchester United ohne Zuschauer stattfinden müsse - während der Rest des Landes sich auf einen Shutdown vorbereitete. Sein Amt als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Bundesliga will Gruber nun ruhen lassen, doch die Zeit der Reue währte nicht lange.

Bei der Pressekonferenz am Freitag verkündete Gruber, er habe in letzter Zeit "von sehr vielen Leuten sehr viele Fotos und Videos" erhalten, die Regelmissachtungen bei anderen Bundesligisten zeigen würden - und leitete damit den Gegenangriff ein.

© SZ vom 17.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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