Nürnberg gegen Leipzig:Tradition gegen Brausemillionen

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Überraschungsdrinks und Infobroschüren: Die Nürnberger Ultras haben sich für das Heimspiel gegen RB Leipzig einiges ausgedacht. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Der eine hat viele Mitglieder, der andere viel Geld: Der 1. FC Nürnberg und RB Leipzig treffen aufeinander - die zwei extremsten Vereine in der 2. Bundesliga.

Von Markus Schäflein, Nürnberg

Die Nürnberger Ultras haben sich zum Heimspiel gegen RB Leipzig ein buntes Rahmenprogramm ausgedacht. Zum Beispiel wird ein "energiereicher Überraschungsdrink" ausgeschenkt, bei dem es sich mit ziemlicher Sicherheit nicht um Red Bull handeln dürfte; beim Dartspiel "Dead Bull" sagt schon der Name, wo der Pfeil hin muss; und dazu gibt es Infobroschüren mit dem Titel "Darum trinken Nürnberger Mädchen kein Red Bull".

An diesem Freitagabend (20.30 Uhr) treffen in der zweiten Fußball-Bundesliga die zwei extremsten Vereine aufeinander, die sie zu bieten hat: der rasant aufstrebende Emporkömmling fast ohne Mitglieder, aber mit Brausemillionen - und der zuletzt Richtung Abgrund taumelnde traditionsreiche Club mit vielen Anhängern, aber nicht so viel Geld.

Nürnberger Basisdemokratie mit Unterhaltungswert

Anfang 2013 sagte Nürnbergs Sportvorstand Martin Bader, der zu den örtlichen Ultragruppen einen bemerkenswerten Kontakt pflegt, ein geplantes Freundschaftsspiel gegen RB wieder ab. Nun lässt sich das Aufeinandertreffen wegen Leipzigs Auf- und Nürnbergs Abstieg nicht mehr vermeiden. Bader musste in den vergangenen Wochen immer mal wieder Stellung nehmen zur These, dass der Niedergang der Traditionsklubs im Allgemeinen nicht mehr aufzuhalten sei; bemerkenswerte Aussagen machte er dazu in einem Interview mit der Nürnberger Fanvereinigung CEF.

"Es ist in den vergangenen Jahren ein Trend zu erkennen, dass Vereine, die viel Geld investieren, ganz selten so viele Fehler machen, dass sie keinen Erfolg hätten", sagte Bader, das war hübsch formuliert. "Die Fußballwelt hat sich verändert dahin gehend, dass die wirtschaftlichen Möglichkeiten überhandgenommen haben und die Traditionsvereine trotz ihres Zuschauerpotenzials nicht mehr die Kraft haben, da mitzuhalten. Das ist der Wandel der Zeit. Wir versuchen, ihn mit kreativen Lösungen auszugleichen."

So kreativ, den Profibetrieb in eine Kapitalgesellschaft auszugliedern, soll es dann aber laut Bader - zumindest vorläufig - doch nicht sein. Er versprach "weiterhin die Sicherheit, dass der Verein e. V. bleibt". Er wolle "den Mitgliedern die Sorge nehmen, dass der Verein nicht mehr ihr Verein bleibt und sie den Zugriff verlieren".

Bei der kürzlich abgehaltenen Mitgliederversammlung zeigte sich ja mal wieder der Unterhaltungswert der Basisdemokratie, sodass die Versammlung im Internet schnell zum Comedy-Knüller wurde. Insgesamt erwies der Abend für Bader dennoch, "dass die Struktur des Vereins zwar turbulent und diskussionsfreudig, aber gesund ist"; womit er wohl hauptsächlich meint, dass eine Opposition gegen ihn chancenlos war.

Es soll im Fußball einmal Zeiten gegeben haben, in denen es noch keine Investoren gab - aber eben auch keine Ultragruppierungen, die nach Einfluss streben. Ob die Basisdemokratie noch zielführend ist, sprich für eine dauerhafte Erstliga-Zugehörigkeit noch zeitgemäß, darüber gehen die Meinungen auch in den Nürnberger Gremien durchaus auseinander.

Bader spricht davon, sich Investoren "nur bei sinnvollen, konkreten Themen" zu öffnen, "zum Beispiel Stichwort Stadion". Er weiß, dass er mit derartigen Überlegungen äußerst vorsichtig sein muss. Aufsichtsratskandidaten, die so naiv waren, das Wort "Ausgliederung" in den Mund zu nehmen, wurden von den über 2000 Mitgliedern, darunter viele Vertreter von Fangruppierungen, ausgebuht und niedergebrüllt.

Die Nordkurve bleibt gegen Leipzig gesperrt

So turbulent geht es auf Mitgliederversammlungen in Leipzig selbstredend nicht zu; RB hat ja nur neun stimmberechtigte Mitglieder. Das liegt daran, dass es überhaupt nur möglich ist, "Fördermitglied" zu werden; das ist relativ teuer und vor allem nicht mit einem Stimmrecht verbunden.

Obwohl die Nordkurve als Strafe für Fanausschreitungen ein weiteres Mal gesperrt bleibt, sind heftige Proteste auch während des Spiels zu erwarten. Für die Leipziger ist das nichts Neues; Abneigung schlägt ihnen überall entgegen. Wolfgang Niersbach, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, hatte kürzlich zu den bundesweiten Protesten gegen RB Leipzig Stellung genommen. "Natürlich registrieren wir auch das Verhalten von Fans der Konkurrenzvereine. Aber hier sehen wir keine Möglichkeit zum Einschreiten", teilte er mit.

In Nürnberg spielt RB nun bei einem Verein, der aufgrund seines Erstliga-Selbstverständnisses stärker von ambitionierten Retortenprojekten betroffen ist als etwa Union Berlin oder Aue. Zudem hatte RB-Sportchef Ralf Rangnick zuletzt über die Nürnberger Ultras gesagt: "Das sind die Geister, die ich rief. Das passiert, wenn man solchen Leuten über Jahre und Jahrzehnte die Macht gibt." Man darf davon ausgehen, dass er besonders unfreundlich empfangen wird.

© SZ vom 17.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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