NFL:Jetski fahren beim Streik

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Fühlt sich unterbezahlt: Football-Profi Le’Veon Bell. (Foto: Omar Vega/Invision/AP)

Die Geschichte von Le'Veon Bell und den Pittsburgh Steelers ist ein anschauliches Lehrstück, wie verzwickt das Reglement einer Liga werden kann, in der das Geldverdienen mindestens genauso wichtig ist wie das Titelgewinnen.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Die amerikanische Football-Profiliga NFL hat den ersten Monat ihrer Saison hinter sich bringen müssen, ehe der Running Back Le'Veon Bell ankündigte, dass er in der kommenden Woche, also nach dem 6. der insgesamt 17. Spieltage, auch endlich mal seine Tätigkeit aufnehmen mag bei seinem bisherigen Arbeitgeber, den Pittsburgh Steelers. Die Mannschaft hätte ihn schon gut gebrauchen können angesichts ihres durchwachsenen Saisonstarts: Nach dem 41:17 über die Atlanta Falcons vom Sonntag steht sie mit zwei Siegen und zwei Niederlagen sowie einem Unentschieden da. Aber Bell hatte bis zuletzt keine Lust zu spielen, er fühlte sich unterbezahlt, das war ein Aufreger gewesen in der noch jungen NFL-Saison: Bell gilt ja als bester Running Back, als bester Ballträger.

Die Geschichte von Le'Veon Bell und den Pittsburgh Steelers ist ein Lehrstück, wie verzwickt das Reglement einer Liga werden kann, in der das Geldverdienen mindestens genauso wichtig ist wie das Titelgewinnen. Es gibt in der NFL das "Franchise Tag": Damit kann ein Klub einen Profi, dessen Vertrag ausgelaufen ist, für ein weiteres Jahr verpflichten, muss ihn dafür aber auch mit einem Spitzensalär entlohnen, das sich aus dem Durchschnitt der fünf höchstbezahlten Akteure auf seiner Position errechnet. Diese Regel soll verhindern, dass der beste Spieler eines Klubs einfach von finanzkräftigen Franchises abgeworben werden kann; sie soll dafür sorgen, dass auch ein Team in einem kleineren Markt seine größte Zuschauerattraktion behalten kann.

Die Steelers haben vor der vergangenen Saison ihren Franchise-Stempel auf Bell gedrückt und ihm für diesen Ein-Jahres-Vertrag 12,12 Millionen Dollar bezahlt. Das wollten sie vor dieser Spielzeit erneut tun, doch das Reglement besagt, dass das Gehalt beim zweiten Mal um 20 Prozent angehoben werden muss. Bell würden in dieser Spielzeit somit 14,54 Millionen Dollar zustehen, für jede Partie 855 529.

Nun streikt Bell, weil er aufgrund seiner bisherigen Leistungen gern einen langfristigen Vertrag hätte - dafür lässt er jede Woche die erwähnten 855 529 Dollar sausen und sich lieber beim Jetskifahren in Miami fotografieren, während sich die Kollegen auf dem Rasen abrackern. Die finden das nicht lustig, sie fühlen sich im Stich gelassen und teilen ihm das deutlich mit. Marcus Gilbert etwa fragte: "Wo ist er? Warum dauert das so lang? Warum sagt er uns nicht Bescheid? Wir alle warten auf ihn!"

Allerdings ist auch das Verhalten von Bell verständlich: Der junge Kollege Todd Gurley zum Beispiel hat bei den Los Angeles Rams gerade einen Vier-Jahres-Vertrag unterschrieben, der ihm garantiert 61 Millionen Dollar einbringt und inklusive aller Boni unter Umständen sogar bis zu 78,5 Millionen. Sollte sich Bell nun in dieser Saison schwer verletzen, was einem Ballträger häufig passieren kann, und er ohne Vertrag dastehen, droht ihm auf lange Sicht ein erheblicher Verdienstausfall. Sollte er aber sein Verletzungsrisiko minimieren und sich erst nach dem zehnten Spieltag zum Dienst bei den Steelers melden, würde er in dieser Saison noch immer rund sechs Millionen Dollar verdienen und könnte danach frei mit jedem Klub über einen langfristigen Vertrag verhandeln.

Nun haben sich die Steelers und Bells Berater offenbar auf einen Kompromiss geeinigt, der für beide Seiten ein Gewinn sein könnte: Bell meldet sich nächste Woche zum Dienst, er würde dann immer noch 8,85 Millionen Dollar verdienen und könnte den Steelers immer noch zu einer erfolgreichen Spielzeit verhelfen. Der Klub würde im Gegenzug darauf verzichten, Bell in der kommenden Saison erneut mit dem "Franchise Tag" zu versehen, sondern nur mit dem "Transition Tag": Bell dürfte dann mit anderen Klubs verhandeln, die Steelers könnten ihn aber behalten, wenn sie mit dem höchsten Angebot gleichziehen. Es ist eher ein Risiko für Bell als für die Steelers, die ja das letzte Wort haben werden. Der Klub bekommt nun jedenfalls einen ausgeruhten Ballträger, der das Team in seinem Bemühen um einen Mega-Vertrag idealerweise in die Playoffs oder gar zum Titel führt. Bell wird dann erfahren, ob sein Marktwert tatsächlich so hoch ist, wie er glaubt - und ob es sich gelohnt hat, in dieser Spielzeit auf mehrere Millionen Dollar zu verzichten. "Ich bin ein sturer Typ, das bin ich schon immer gewesen", sagt Le'Veon Bell, fügt aber hinzu: "Wenn ich zurückkomme, werde ich alles für den Klub geben. Ich will noch immer einen Super Bowl mit den Steelers gewinnen."

© SZ vom 09.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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