Neuer Doc des FC Bayern:Schnöde mit der Spraydose

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Schon wieder Schluss beim FC Bayern: Mannschaftsarzt Volker Braun (l.). (Foto: Uwe Anspach/dpa)
  • Volker Braun erlebt in Hoffenheim seinen ersten Einsatz als Bayern-Doc.
  • Der Rücktritt seines Vorgängers Hans-Wilhelm Müller Wohlfarth bestimmt die Debatten weiterhin - diesmal äußert sich Matthias Sammer.
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Von Matthias Schmid, Sinsheim

In der 19. Minute blickten einige der Bayern-Fans gebannt nach oben. Der Himmel über Sinsheim schimmerte blau, nur wenige weiße Wolken störten die schöne Idylle. Ein optimales Wetter fürs Fallschirmspringen. Würde jetzt womöglich gleich Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt vom Himmel fallen? Juan Bernat lag in jener 19. Minute auf dem Boden, rüde umgetreten von Hoffenheims Sebastian Rudy. Der deutsche Nationalspieler hatte seinen Gegenspieler vom FC Bayern so schlimm am Knöchel getroffen, dass Bernats Schreie sogar auf der Tribüne zu vernehmen waren.

Wer würde jetzt auf den Rasen rennen, um dem leidenden Spanier zu helfen? Auf Müller-Wohlfahrt warteten die Sympathisanten des langjährigen Münchner Vereinsarztes, den der FC Bayern selbst bis Mittwoch noch den "besten Arzt der Welt" nannte, allerdings vergeblich, es war dann tatsächlich Volker Braun - Unfallchirurg und bisher Arzt des U23-Teams -, der auf den Rasen lief. Er war einen Tag nach der überraschenden Demission von Müller-Wohlfahrt vorerst zum neuen Medizinmann des FC Bayern berufen worden.

Braun - eher klein und eher gedrungen - eilte also auf den Rasen zu Bernat. Dabei fiel auf: Diesem Doktor fehlt das Schwungvolle, die Leichtigkeit und die Eleganz seines Vorgängers, er tänzelt nicht, auch sein Haar weht nicht im Wind, denn er trägt es kurz; er hielt ein Spraydose in der Hand und sprühte kräftig auf den Knöchel Bernats. Wenig später stand der Spanier wieder auf. Der Einsatz war letztlich ziemlich unspektakulär, Braun legte keine Hand auf den Knöchel, er sprühte nur mit einer Dose, die jeder in der Apotheke kaufen kann.

"Wir werden gut versorgt", sagte Torschütze Sebastian Rode hinterher. Rode wirkte noch etwas mitgenommen von der großen Geschichte, die sich am Mittwoch in München ereignete hatte. Der ehemalige Frankfurter war noch nicht allzu lange von Müller-Wohlfahrt behandelt worden, der Mittelfeldmann kickt erst seit vergangenem Sommer in München. "Wir waren natürlich geschockt", gab Rode zu, "er war ja eine Ikone des FC Bayern", sagte er weiter, "man hat ja von den vielen prominenten Sportler gelesen, die von seinen Wundertaten sprachen", meinte Rode fast zu ehrfürchtig.

Wie die restlichen seiner Mannschaftskollegen habe er aus den Medien erfahren, dass "Mull" nicht länger ihr Wundermann ist. Ob er diesen denn künftig auch weiter aufsuchen werde, wurde Bayern-Torhüter Manuel Neuer gefragt. "Das kommt auf die Verletzung an", entgegnete dieser. Jeder habe da seine Leute, wo er hingehen könne. Neuer fügte hinzu: "Aber als Nationalspieler werde ich ihm noch häufiger begegnen."

Jérôme Boateng sagte lakonisch: "Wir haben jetzt einen Anderen. Das kriegen wir auch hin." Kein Spieler wollte über die Hintergründe spekulieren, die dazu führten, dass Müller-Wohlfahrt zurückgetreten ist. "Nach der Niederlage in Porto war es in der Kabine schon sehr emotional geworden", verriet zumindest Rode: "Aber mit diesen Konsequenzen hätte niemand gerechnet."

Wie sieht es nun aus personell vor dem so wichtigen Spielgegen Porto? "Man fühlt sich wie in Hollywood, wenn alle wegsterben und man muss dann in die Schlacht ziehen", sagte Thomas Müller in Hoffenheim mit Blick auf die Verletzenliste. Wer kommt am Dienstag zurück? "Basti - vielleicht", sagte Guardiola. "Er war krank, aber der Doc hat gesagt, er ist gesund. Er konnte die letzten zwei, drei Wochen allerdings nicht trainieren." Der Nationalspieler war zuletzt wegen eines Virus-Infekts ausgefallen, davor hatte er - ebenso wie Franck Ribéry - eine Sprunggelenksverletzung. Zurückhaltend äußerte sich Guardiola zu Ribérys Chancen, das müsse man am Sonntag sehen. Entwarnung gab der Bayern-Coach bei Juan Bernat. "Der Arzt hat gesagt, das Sprungegelenk ist stabil", sagte Guardiola. Er meinte natürlich den neuen Arzt.

Der Bayern-Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge könnte zur Aufklärung viel beitragen, er verspürte aber keine Lust. Nach Spielende eilte er kommentar- und grußlos aus dem Bauch des Stadions. Pep Guardiola hatte am Freitag der Version Müller-Wohlfahrts energisch widersprochen, dass manche in ihm den Hauptschuldigen für die Niederlage in Porto gesehen hatten.

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Auch Sportdirektor Matthias Sammer verwies diesen Vorwurf in das Reich der Fabeln: "Keiner hat ihm die Schuld an der Niederlage gegen Porto gegeben." Mehr wollte Sammer nicht sagen: "Er hat das so entschieden. Es ist alles dazu gesagt. Bitte akzeptieren Sie das." Müller-Wohlfahrt jedenfalls will das Schweigegelübde brechen und sich in naher Zukunft konkreter dazu äußern.

Und Juan Bernat? Er musste zur Pause in der Kabine bleiben. Eine reine Vorsichtsmaßnahme, wie Guardiola später erläuterte: "Juan kann gegen Porto wahrscheinlich spielen." Volker Braun hat also alles richtig gemacht.

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