NBA:Unterm Korb verkauft

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Letzte Treffer für sein altes Team: Harrison Barnes (am Ball) erzielte gegen Charlotte zehn Punkte. (Foto: Tony Gutierrez/dpa)

Die Dallas Mavericks ernten Kritik für ein kurioses Transfergeschäft: Harrison Barnes wird während eines Spiels zur Tauschware.

Von Jonas Beckenkamp

Wer es in der NBA als Basketballer versucht, muss einiges aushalten. Nicht nur unter den Körben, wo die Ellbogen fliegen, sondern auch als Angestellter bei einem Klub. Harrison Barnes, 26, ist in der vergangenen Nacht etwas passiert, das anderswo Arbeitsrechtler auf den Plan gerufen hätte: Er wurde bei den Dallas Mavericks Teil des vielleicht seltsamsten Transfergeschäfts der Ligageschichte - indem er während eines Spiels, an dem er aktiv mitwirkte, zur Tauschware avancierte.

So etwas hatte es selbst im Dollargeschäft der besten Basketballliga der Welt noch nicht gegeben: Ein Klub schickt einen verdienten Mitarbeiter quasi im Dienst in die Ferne. Barnes erlebte die Entscheidung mitten in der Partie der Mavs gegen Charlotte (99:93) - er schwitzte noch, als er von seinem Wechsel erfuhr. Bereits während des Spiels hatte es Bilder von ihm gegeben, wie er auf der Bank saß und seinen erzwungenen Abschied zur Kenntnis nahm. Sein überraschender Trade zu den Sacramento Kings führt in den USA nun zu einer Debatte über den Umgang mit Sportlern.

Die Reaktionen fielen eindeutig aus: So was gehört sich nicht, auch nicht in der NBA, wo Spieler des Öfteren ohne ihre Einwilligung den Klub wechseln müssen. "Ich saß auf der Bank, als ich es herausgefunden habe", sagte ein verwunderter Dirk Nowitzki. "Er tut mir natürlich leid, jeder weiß, wie eng wir uns standen. Wir werden ihn vermissen." Mitarbeiter räumten kurz nach Spielschluss die Sachen aus dem Spind von Barnes, als sich Nowitzki direkt daneben anzog. Dallas-Coach Rick Carlisle hatte vom Management der Mavericks ebenfalls nichts erfahren, wie er sagte. Alles musste eben sehr schnell gehen, das Transferfenster in der NBA schließt an diesem Donnerstag.

Flügelspieler Barnes stand in den ersten drei Vierteln des Duells mit Charlotte noch auf dem Feld. Dann verbreitete sich die Nachricht seines Wechsel in der Halle. "Deshalb hat er zum Ende auch nicht mehr gespielt", sagte Carlisle. Nach seinem letzten Einsatz hatte Barnes auf dem Weg in die Kabine sein Trikot schon ausgezogen. Sprechen wollte er lieber nicht, aber die Bilder zeigten einen arg geknickten Basketballer. Obwohl er quasi entlassen wurde, hatte er seine alten Teamkollegen noch bis zum Schluss weiter angefeuert. Er wollte offensichtlich nicht weg.

"Er ist ein besserer Profi als ich - jeder andere wäre abgehauen", gestand Nowitzki, der erklärte, warum sich viele in Dallas so frustriert gaben: "Er ist so ein guter Typ." Zweieinhalb Jahre hatte Barnes in Dallas gespielt, in dieser Saison war er erneut einer der wichtigsten Akteure, seine knapp 18 Punkte pro Spiel fehlen dem Team nun. Sein Agent Jeff Schwartz sagte ESPN, dass der Spieler trotz kurzfristiger Gespräche über den möglichen Wechsel habe auflaufen wollen - während der Partie folgte dann der Vertragsabschluss. "Das habe ich noch nie erlebt", sagte Charlottes französischer Veteran Nicolas Batum.

Die Mavs erhalten im Tausch aus Sacramento Zach Randolph und Justin Jackson - zwei Spieler, die noch nicht (Jackson) oder nicht mehr (Randolph) das Format von Barnes besitzen. Es ging bei dem Geschäft offenbar vor allem ums Geld. Im kommenden Sommer hat Dallas nun mehr Spielraum, um Zugänge zu holen und den längst eingeleiteten Umbruch nach der Ära Nowitzki zu forcieren. Aber auf diese Art? "Es ist verrückt im Moment", sagte Trainer Carlisle. Er äußerte aber auch Verständnis. "Es ist ein dynamisches Geschäft, und du nimmst die Dinge, wie sie passieren."

Zuletzt hatte Dallas in einem anderen Tauschgeschäft mit sieben involvierten Profis den Letten Kristaps Porzingis von den New York Knicks geholt, dessen Verletzung ihn in der aktuellen Spielzeit vom Spielbetrieb abhält. Die Mavs sind gerade ein Klub, der viele Veränderungen erlebt - sie betreffen auch den früheren FC-Bayern-Profi Maxi Kleber, 27, der immer mehr Einsatzzeit bekommt. Auch er zeigte sich von der Demission von Barnes getroffen. "Es ist sehr frustrierend für mich, weil Harrison einer meiner engsten Freunde hier war, einer der besten Profis, die ich je als Teamkollege hatte", sagte der zweite Deutsche im Team.

Langfristig könnte der Barnes-Wechsel für Dallas durchaus Sinn ergeben, schließlich baut der Verein um den spektakulären Slowenen Luka Doncic, 19, gerade ein kraftvolles Team für die Zukunft zusammen. Um ihm weitere vielversprechende Profis zur Seite zu stellen, braucht man Platz im Gehaltsgefüge - und Barnes war einer der Bestverdiener im Team. So wird vor allem die Art und Weise, wie alles über die Bühne ging, zum Debattenthema.

LeBron James von den Los Angeles Lakers wütete in den sozialen Medien: "Lasst mich raten, es ist cool, weil sie das machen müssen, was für das Team richtig ist???" Er gab die Antwort selbst: "Sie haben den Mann buchstäblich getradet, während er gespielt hat und NULL Ahnung hatte." Zumindest finanziell trägt Barnes keinen Schaden: Kommende Saison soll er in Sacramento mehr als 25 Millionen Dollar verdienen können.

© SZ vom 08.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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