DFB-Team:Der Stresstest kommt erst noch

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Das DFB-Team startete mit drei Siegen in die EM-Qualifikation. (Foto: dpa)

Die junge DFB-Mannschaft ist zweifelsfrei ein Versprechen. Doch wie widerstandsfähig der schöne deutsche Streichelfußball wirklich ist, wird sich erst bei der EM 2020 zeigen.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Dass da vor einem Jahr gewaltig was schiefgelaufen ist, fällt auf, sobald Leroy Sané ins Bild dribbelt. Der Offensivgeist von Manchester City hat Bewegungen im Repertoire, die anderen nicht gegeben sind. Ein bisschen ungeschliffen noch, aber doch mit dem Talent zu funkeln. Im Juni 2018 schickte ihn Bundestrainer Joachim Löw aus dem WM-Trainingslager nach Hause, was nicht nur die Engländer irritierte, die Sané gerade zum besten Nachwuchsspieler ihrer Premier League gekürt hatten. Kurz darauf wurde wirklich mal Fußball-Historisches verbucht: 0:1 gegen Mexiko, 2:1 gegen Schweden, 0:2 gegen Südkorea - erstmals reiste eine deutsche Auswahl bereits nach der WM-Vorrunde nach Hause.

Nun ist das spektakuläre Scheitern des Titelverteidigers nicht ursächlich auf das Fehlen eines einzelnen Profis zu reduzieren. In Russland kollabierte eine Mannschaft samt dem Konzept ihrer Vorgesetzten. Doch wenn man Sané heute so seine Kreise ziehen sieht, den Ball ziemlich eng am Fuß wie jetzt am Doppelpack-Spieltag der EM-Qualifikation gegen Weißrussland (2:0) und Estland (8:0), wirkt sein Wirbeln wie die personifizierte Mahnung an den Sommer 2018.

Lawinenartige Entwicklungen setzten nach der russischen Reise erst mit großer Verzögerung ein. Sie erwischten nicht etwa Löw, den ewigen Bundestrainer. Trotzdem rissen sie viel Prominenz mit, als sich Löw selbst zu einer radikalen Aktion genötigt sah. Er klingelte im März plötzlich beim FC Bayern an der Haustür und übermittelte den 2014er-Weltmeistern Hummels, Müller und Boateng die sofortige Freistellung. Es war dies ein zentraler Akt im turbulenten Länderspieljahr 2018/19, hinter dem jetzt als Fazit steht: Neue Männer hat das Land ...

Denn schon gleich nach Löws Münchner Überfall konnte die revolutionär runderneuerte Löw-Elf ein Signal setzen - 3:2 in Amsterdam gegen die Niederlande, seither liegt sie in der EM-Qualifikation auf Kurs. Doch erst in den Härten des nächsten großen Turniers, der paneuropäischen EM 2020 in zwölf Ländern, wird sich zeigen müssen, wie widerstandsfähig der schöne deutsche Streichelfußball wirklich ist. Zweifellos ist diese Mannschaft ein Versprechen. Sie braucht jedoch zwingend den Stresstest im Turnier mit Frankreich, England, Portugal, Spanien. Erst im Sommer 2020 wird sich dann vielleicht sagen lassen, dass der Sommer 2018 ein Sommer zum Vergessen war.

© SZ vom 13.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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