Deutsche U17 im EM-Finale:Die Unverwechselbaren

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U17-Kapitän und Deutschlands Bester, aber nicht der Sohn eines früheren Bundesliga-Profis: Felix Passlack (links, mit Teamkollege Dennis Geiger). (Foto: imago)
  • Die U17 des DFB will das EM-Finale an diesem Freitagabend (19 Uhr, Eurosport) gewinnen.
  • Der Trumpf der deutschen Mannschaft ist das starke Kollektiv.
  • Bei Gegner Frankreich steht der Sohn von Zinédine Zidane im Tor.

Von Ulrich Hartmann, Burgas/München

Am Freitagabend im Endspiel der Europameisterschaft bekommen es die deutschen Fußball-Junioren in Bulgarien mit dem Sohn von Zinédine Zidane zu tun. Zidane war ein Fußballer von zerstörerischer Genialität. 2002 hat er im Champions-League-Finale Bayer Leverkusen gedemütigt, als er Real Madrid mit einem Zaubertor zum 2:1-Sieg schoss. Und bereits 1998 hatte er die Brasilianer beim 3:0-Sieg im WM-Finale im Alleingang besiegt und Frankreich mit zwei Treffern zum Heim-Titel geschossen.

Zwei Monate vor jenem WM-Triumph im Juli 1998 in Paris war sein Sohn Luca geboren worden, und weil Fußball manchmal wie Hollywood-Kino ist, war fast klar, dass das Genie Zidane irgendwann seinen Sohn schicken würde, um sein Erbe anzutreten. An diesem Freitagabend (19 Uhr, Eurosport) - im EM-Endspiel im bulgarischen Burgas - soll nun also die deutsche U17-Nationalmannschaft dem Zidane-Fluch zum Opfer fallen. Allerdings hat sich in diese Wiederholungsgeschichte ein kleiner Fehler eingeschlichen. Denn Luca Zidane ist Torwart geworden. Er wird gegen die Deutschen also vermutlich kein Tor schießen, zermürbt sie schlimmstenfalls mit Paraden, etwa im Elfmeterschießen. So hat er es im Halbfinale mit den Belgiern gemacht, als er drei Elfer parierte.

Deutschlands Bester heißt Felix Passlack

In der deutschen U17 spielt kein Nachfahre eines großen deutschen Fußballhelden. Kein Torwart namens Völler, kein Stürmer namens Kahn. Deutschlands Bester heißt Felix Passlack, ist aber nicht einmal der Sohn des einstigen Uerdinger und Gladbacher Profis Stephan Paßlack.

Diese nächste Generation deutscher Talente schreibt ihre eigenen Geschichten - mit eigenen, unverwechselbaren Namen. Und Kapitel Nummer eins geht mit Torwart Constantin Frommann vom SC Freiburg gleich gut los. Er braucht sich vor dem französischen Schlussmann mit dem großen Namen nämlich nicht zu verstecken. Denn während Zidane im Halbfinale gegen Belgien auch sein erstes Gegentor aus dem Spiel heraus kassierte, ist Frommann bei der EM in fünf Spielen à 80 Minuten noch unüberwunden. Nur beim Elfmeterschießen im Viertelfinale gegen Spanien (4:2) musste er zwei Schüsse durchlassen.

Der 16-Jährige braucht kein Vorbild aus dem eigenen Stammbaum. Er sucht sich seine Helden selbst aus und nennt Manuel Neuer den "derzeit besten Torwart der Welt". Aber: "Mein absoluter Held ist Oliver Kahn - denn seine mentale Stärke war unglaublich", findet Frommann.

Kapitän Passlack hat einen Helden aus der Gegenwart des deutschen Fußballs: "Mein großes Vorbild ist Mario Götze, ich liebe seine Dribblings, seine Technik und sein Kombinationsspiel", sagt Passlack, der für Borussia Dortmund spielt und am Freitag im Finale einen großen Kreis schließen könnte, den ausgerechnet Götze begonnen hat. Als dieser mit der deutschen U17 im Jahr 2009 die Heim-EM spielte, wurde Deutschland zum bislang letzten Mal U17-Europameister, Götze wurde hinterher zum besten Spieler des Turniers gewählt.

Beides, der Titel und die Wahl zum besten EM-Akteur, könnte auch Passlack bevorstehen. Den 16 Jahre alten B-Jugendlichen, der im Winter bereits mit den BVB-Profis ins Trainingslager durfte, sieht U17-Bundestrainer Christian Wück als Schlüsselspieler: "Wenn Felix gut spielt, ist die Chance groß, dass wir weit kommen", hatte Wück vor der EM gesagt. Passlack hat in Bulgarien schon drei Tore geschossen und spielt wirklich gut, aber nicht nur er. Zuverlässige Stammkräfte sind auch die Innenverteidiger Daniel Nesseler (Bayer Leverkusen), Erdinc Karakas und Gökhan Gül (beide VfL Bochum), Rechtsverteidiger Jonas Busam (SC Freiburg) sowie Linksverteidiger Enes Akyol (Hertha BSC), der im Halbfinale beim 1:0 gegen Russland erst zum zweiten Mal spielte, zwölf Minuten vor Schluss dafür den lehrbuchmäßigen Kopfball-Siegtreffer durch Janni Serra (Borussia Dortmund) mit einer butterweichen Flanke vorbereitete.

Trainer Wück coachte einst Reus und Großkreutz

Der wahre Star ist aber, wie so oft, das Kollektiv. Der Franke Wück, 41, hat 1990 mit 17 Jahren beim 1. FC Nürnberg in der Bundesliga debütiert und 2008 als Trainer den westfälischen Provinzklub Rot-Weiß Ahlen (mit den Spielern Marco Reus und Kevin Großkreutz) in die zweite Liga geführt. Er hat in bislang fünf EM-Spielen 17 Spieler fast gleichwertig eingesetzt und demonstriert, wie man ein Turnier mit Rotation und individuellen Matchplänen erfolgreich bestreitet. Bereits durch den Einzug ins Halbfinale hat sich die Mannschaft für die U17-WM im Herbst in Chile qualifiziert.

Aber nun will sie in der ostbulgarischen Schwarzmeer-Hafenstadt Burgas natürlich auch Europameister werden: "Die Chance zu gewinnen steht gut", sagt Halbfinal-Torschütze Serra selbstbewusst. Trainer Wück sieht es etwas objektiver: "Beide spielen ein ähnliches System - das wird ein enges Ding."

© SZ vom 21.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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