Motorsport:Wie die Formel 1 wieder überraschend werden soll

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Lewis Hamilton könnte beim Großen Preis von Mexiko Weltmeister werden. (Foto: AFP)
  • Formel-1-Pilot Lewis Hamilton muss nur Siebter werden beim Rennen in Mexiko Stadt, um erneut den WM-Titel zu holen.
  • Die Rennserie wäre dabei gerne wieder überraschend, spannend und rührend.
  • Eigentümer Liberty Media will nun den Sozialismus einführen in der Formel 1: Bei 150 Millionen Dollar sollen die Budgets gedeckelt werden.

Von Philipp Schneider

Aus gegebenem Anlass sei noch einmal an den Großen Preis von Brasilien 2012 erinnert. Nicht, weil dies das letzte Rennen von Michael Schumacher war und jener mit einer Flagge zum Start rollte, auf der "Thank you" stand. Auch nicht, weil damals auf dem Autódromo José Carlos Pace in São Paulo ein Rennen gefahren wurde, in dem sich ein gewisser Sebastian Vettel auf der Strecke drehte. Gut, okay, vielleicht doch ein bisschen deshalb. In Erinnerung rufen sollte man sich das Rennen aber vor allem, obwohl sich Vettel drehte.

Jede Formel-1-Saison bekommt das Ende, das sie verdient. Und das Finale der Saison 2012 war ein atemloses Spektakel, ein Hin und Her, ein Auf und Ab, mal mit, mal ohne Regen, mal sah Vettel im Red Bull aus wie der Weltmeister, mal Fernando Alonso im Ferrari, und erst am Ende, als die allerletzte Zielflagge geschwenkt wurde, war Vettel wirklich Weltmeister.

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Beim Start stand Vettel auf Position vier, Alonso auf sieben, die Ampel wurde rot, die Lichter gingen aus, plötzlich blickte Vettel in die falsche Fahrtrichtung. Er war von Senna gerammt worden, Bruno Senna, Teile flogen durch die Luft, in der Box von Ferrari sah auch Alonsos Freundin Dascha, damals 22, die Teile fliegen. Ihr kamen die Tränen. Vor Freude.

Zu früh geheult. Es regnete, wie es nur in Interlagos regnen kann, und Vettel pflügte von weit hinten mit beschädigtem Auto wie ein Torpedo durch das Wasser. Er wurde noch Sechster, Alonso Zweiter. Und Vettel war zum dritten Mal Weltmeister. Mit drei Punkten Vorsprung.

Die Formel 1 wäre so gerne noch einmal wie damals. Überraschend. Spannend. Und rührend. Wie vor sechs Jahren, als sich zuletzt die Rennfahrer aus zwei unterschiedlichen Teams bis zur letzten Zielgerade der Saison duellierten. Oder noch besser: Wie 2010, als beim Saisonfinale in Abu Dhabi zum ersten und bislang letzten Mal noch vier Fahrer Titelchancen hatten: Alonso, Mark Webber, Vettel und Lewis Hamilton. Viel zu lang her.

In diesem Jahr hätte die Eigentümer der Formel 1, der Unterhaltungskonzern Liberty Media, gerne eine lange Zeit unterhaltende Geschichte zu Ende erzählt. Die von Hamilton und Vettel. Doch wie schon 2017 dürfte der Plot am Sonntag im drittletzten Rennen enden. Hamilton muss ja nur Siebter werden in Mexiko Stadt. Weltmeisterduell interruptus.

Diesmal gab es ein paar Dreher zu viel von Vettel. Und auch die Scuderia, mit ihrem grauen Chef Maurizio Arrivabene an der Spitze, einem ehemaligen Zigarettenmanager, der vielleicht nicht zufällig so aussieht und stimmlich knarzt wie der Marlboromann, hat ihren Anteil daran, dass die Spannung in Rauch aufging. Weil die Techniker so lange an Vettels im Sommer noch überlegenem Ferrari schraubten und verstellten, bis er langsamer war als Hamiltons Dienstwagen.

Was also tun gegen die Monotonie einer Rennserie nach dem fünften Titelgewinn eines Mercedes-Piloten in Serie?

Liberty Media will den Sozialismus einführen in der Formel 1. Und die Amerikaner kämpfen sich mit diesem Plan so mühevoll durch die Meetings mit den Teamchefs wie einst Che Guevara mit der Machete durch den Dschungel auf Kuba. Bei 150 Millionen Dollar sollen die Budgets gedeckelt werden. Für die drei großen Teams würde das bedeuten, dass sie ihre Ausgaben halbieren. Die kleineren Teams würden kosten- und hoffentlich auch wettkampfseitig aufschließen.

Eigentlich sollte der Kostendeckel mit Ablauf des Grundsatzvertrags schon in der Saison 2021 eingeführt werden. Doch es formiert sich Widerstand: Mercedes etwa ließ mitteilen, es trage Verantwortung für 950 Mitarbeiter, man könne nicht so schnell Personal abbauen. Sozialismus und Entlassungen passen nicht gut in einen Rahmen. Also wurde beschlossen, dass die Budgetdeckelung in drei Schritten sanft hochgefahren werden soll.

Vettel ist ein Freund der Kostenreduzierung, überhaupt findet er, dass die Einführung der teuren und komplizierten Hybrid-Antriebe 2014 kein Gewinn war. "In den Motoren sind zu wenig Zylinder, und die Autos sind zu leise", sagt Vettel, am liebsten hätte er sogar den Gangknüppel zurück beim Schalten. Das mag man für Rennfahrerromantik halten. Oder man erinnert sich an eine Sause in Interlagos vor sechs Jahren. Als die Formel 1 für Vettel noch sehr in Ordnung war.

© SZ vom 27.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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