Mo Salah:Der König von Liverpool

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37 Treffer in 42 Spielen, 29 davon in der Premier League. Und bei Liverpools 5:0 Mitte März gegen den FC Watford erzielte Mo Salah gleich vier Tore. (Foto: Phil Noble/Reuters)
  • Vor dem Champions-League-Viertelfinale setzt der FC Liverpool vor allem auf einen Mann: Mo Salah.
  • Mit 37 Treffern in 42 Spielen in dieser Saison gehört Salah zu den treffsichersten Stürmern Europas.
  • Alles begann in Ägypten wo er einst vier Stunden mit dem Bus zum Training fuhr, doch eine solche Entwicklung traute ihm niemand zu.

Von Sven Haist, Liverpool

In der Märzausgabe des britischen Fußballmagazins FourFourTwo posierte Mohamed Salah, 25, mit einer goldenen Krone in der Hand. Anlass für das Foto war der liebevolle Sprechgesang, mit dem die Fans des FC Liverpool ihren Torjäger als "ägyptischen König" glorifizieren. Seit den Präsidentschaftswahlen in Salahs Heimat Ägypten in der Vorwoche hat die Abbildung eine Doppeldeutigkeit bekommen, die so nicht vorherzusehen war. Einige der mehr als eine Million Menschen, die bei der Wahl ungültige Stimmzettel abgaben, kreuzten die gelisteten Kandidaten durch und schrieben stattdessen ihren Lieblingsfußballer Salah drüber.

Spätestens nachdem sich Ägypten kürzlich durch seine Tore nach 28 Jahren wieder für eine WM qualifizierte, trauen ihm manche Landsleute offenbar alles zu. In seinem Geburtsort Basyoun, etwa 100 Kilometer nördlich von Kairo, sind längst Institutionen und Straßen nach ihm benannt.

Erkundigungen bei einem, der Salah noch von früher kennt: "Man muss ihn einfach mögen", sagt Markus Steinhöfer, "Mo ist eine Frohnatur, sehr bodenständig und demütig." Beim FC Basel bespielte Steinhöfer, der in der Akademie des FC Bayern ausgebildet wurde, die rechte Seite zusammen mit Salah. Auf dessen erster Europastation war das, in der Saison 2012/13.

Die Anerkennung, die Salah als Afrikas Fußballer des Jahres sowohl in seiner Heimat als auch in Europa erfährt, gleitet gerade ins Übermenschliche ab. Das benötigt Liverpool allerdings auch, wenn der Klub, angeführt vom deutschen Trainer Jürgen Klopp, an diesem Mittwoch im Hinspiel des Champions-League-Viertelfinales antritt: A Night to remember muss wohl her an der Anfield Road, um fürs Rückspiel die Chance zu wahren, Manchester City aus dem Wettbewerb zu nehmen. Den designierten Meister der Premier League, der in dieser Saison überhaupt nur drei Pflichtspiele verloren hat.

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Immerhin wissen die Reds, wie sich die von Pep Guardiola entwickelte Ballmaschine bändigen lässt. Zu Beginn des Jahres konnte einzig Liverpool beim turbulenten 4:3, zu dem Salah ein Tor und eine Vorlage beisteuerte, City eine Ligapleite anhängen. "Wie Liverpool spielt, ist sehr kompliziert für uns, weil sie alle so irre schnell sind", sagt Guardiola. "Ihre Angriffsreihe ist beinahe nicht zu stoppen." Mit 37 Treffern in 42 Pflichtspielen ragt Salah aus Liverpools 75-Tore-Sturmtrio heraus, das auf der linken Seite Sadio Mané aus dem Senegal und der Brasilianer Roberto Firmino als zentrale Spitze komplettieren. Manés Antrittstempo und Zielstrebigkeit ergänzt sich perfekt mit der Verspieltheit und technischen Versiertheit Firminos - und Salah hat von all diesen Fähigkeiten etwas.

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Sein Torinstinkt hat ihn in der Liste der treffsichersten Stürmer in Europa auf den ersten Platz geführt, noch vor Lionel Messi vom FC Barcelona. In der Premier League ist Salah auf dem Weg, einen Uraltrekord von Andrew Cole und Alan Shearer zu brechen: In den 1990er-Jahren erzielten beide jeweils 34 Treffer in einer Spielzeit; Salah hat bereits 29, bei noch sechs ausstehenden Partien. Nach einem Viererpack vor zweieinhalb Wochen sicherte er Liverpool am Samstag kurz vor Spielende ein 2:1 über Crystal Palace, das Liverpool Rang drei sicherte. "Im Eins-gegen-eins ist Mo unfassbar schnell, mit seinen flinken Füßen entwischt er einem immer", sagt Steinhöfer, der es in diversen Trainingsduellen mit Salah aufnehmen musste. Ihn zu foulen, sei häufig die einzige Möglichkeit, "aber das kann man halt auch nicht hundert Mal machen in einem Spiel".

Bei Salahs Wechsel für knapp 40 Millionen Euro im Sommer vom AS Rom nach Liverpool war all das kaum vorherzusehen gewesen. Die steile Entwicklung geht sicher auch auf Klopp zurück, der dem feinfühligen Irrwisch direkt einen Platz in seinem Herzen gewährt hat. Steinhöfer jedenfalls sagt: "In Basel hätte niemand vermutet, dass Mo sich irgendwann aufmacht zum Welttorjäger. Das Potenzial in den Dribblings war früh zu erkennen, aber er hatte kein Gefühl für die Anschlussaktion." Ein Hacken habe dem nächsten gefolgt, bis der Ball weg gewesen sei: "Fragen Sie meine Mitspieler, ich kann mich nicht erinnern, dass er anfangs bei uns überhaupt mal aufs Tor geschossen hat, selbst im Training nicht."

Schon mit 14 Jahren allerdings trieb Salah zielstrebig seine spätere Profikarriere voran, indem er jeweils eine vierstündige Busfahrt nach Kairo auf sich nahm, um beim Klub Arab Contractors SC zu trainieren. Der Durchbruch nach Europa gelang ihm letztlich beim Test gegen Basel mit der ägyptischen U23 in der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele 2012. Nach der Einwechslung in der zweiten Halbzeit schoss er auf Anhieb zwei Tore - woraufhin ihn der Schweizer Serienmeister umgehend verpflichtete. "Das Leben in Basel war für ihn wie eine neue Welt, in der er sich zurechtfinden musste. Mo hat zu dem Zeitpunkt kaum Englisch gesprochen, und die Kälte hat ihm zugesetzt. Oft hat er lustlos gewirkt im Training und stand einfach nur da", erinnert sich Steinhöfer.

Doch nach der Hinrunde wurde das Talent von Salah damals schlagartig sichtbar, und im Winter 2014 lief er dann bereits als Millioneneinkauf im Trikot des FC Chelsea auf. Doch durchsetzen konnte er sich bei Trainer José Mourinho nicht. Eine Leihe zum AC Florenz folgte für ein halbes Jahr, ehe die Roma ihn im Sommer 2015 unter Vertrag nahm. "Der Anspruch an die Defensivarbeit ist in der ägyptischen Liga nicht zu vergleichen mit der in Europa. Die Abläufe beim Verteidigen hat Mo nie beigebracht bekommen und musste sich das erst mühsam aneignen. Das hat es für ihn bei Chelsea besonders schwer gemacht", hat Steinhöfer beobachtet: "Wenn ich ihn jetzt mit Karacho in Liverpool vorne anrennen sehe, erkenne ich ihn kaum wieder."

Auf Salahs Form setzt der FC Liverpool nun in den saisondefinierenden Partien gegen Manchester City, von ihm geht die größte Gefahr aus. Die Augen der Fußballwelt werden sich also auf ihn richten - obwohl er die Öffentlichkeit eigentlich gar nicht sucht. Die Aufnahme mit der Königskrone in der Hand war Teil eines der sehr seltenen Einblicke, die Mohamed Salah in sein Leben jenseits des Rasens gewährt.

© SZ vom 04.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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