Mikkel Hansen bei der Handball-EM:Schüchterner Held mit irrem Handgelenk

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Beeindruckendster Handballer der Welt: Mikkel Hansen (rechts). (Foto: AFP)

Gastgeber Dänemark spaziert bei der Handball-EM von Sieg zu Sieg - im Halbfinale kommt es zum Duell mit Kroatien. Überragender Mann ist Mikkel Hansen, doch der kann den ganzen Trubel nicht so recht genießen.

Von Carsten Eberts, Herning

Sie nennen ihn "The Rock", und wenn Mikkel Hansen die Handball-Arena in Herning betritt, dann brüllt das Volk, als wollte es diesen Felsen mit purer Stimmkraft umpusten. Die Verlesung der Mannschaftsaufstellung folgt einem Ritual, die Nummer 21 wird angekündigt, Henrik Møllgaard, dann die 22, Kasper Søndergaard. Es brodelt bereits, als Letzter ist der Mann mit der Nummer 24 dran, der mit dem weißen Stirnband, 1,96 Meter groß, 100 Kilogramm schwer. 14 000 rot und weiß gekleidete Dänen tosen und kreischen, es ist ein unfassbarer Lärm. Mikkel Hansen zuckt kurz, winkt schnell zurück. Dann ist er gedanklich wieder im Tunnel.

So leicht lässt sich Mikkel Hansen nicht umpusten, in den fast zwei Wochen, die die Handball-EM in Dänemark nun andauert, hat es jedenfalls noch niemand geschafft. Der derzeit beeindruckendste Handballer der Welt hat großen Anteil daran, dass die Dänen bislang durch das Turnier im eigenen Land spaziert sind: Sechs Spiele, sechs Siege, nun ist der Gastgeber im Halbfinale.

Und der 26-Jährige wird gefeiert wie ein Popstar. Seine langen Haare beschwören manchen Björn-Borg-Vergleich herauf, womit man Hansen jedoch unrecht tut: Das Tennisidol Borg verfügte nicht annähernd über solche Muskelpakete.

Handball-EM
:Spanien und Kroatien erreichen Halbfinale

Die spanischen und kroatischen Handballer qualifizieren sich bei der EM für das Halbfinale. Der Skispringer Martin Schmitt soll am 1. Februar am Rande des Weltcups in Willingen offiziell verabschiedet werden. Der Slalom in Kitzbühel wird vorgezogen.

Als Rückraumspieler verkörpert Hansen den Idealtypus eines modernen Handballers, er ist robust und wurfgewaltig, aber trickreich, ausgestattet mit einem unglaublichen Handgelenk. Unvergessen sein Kunststück aus der Vorrunde gegen Österreich, als er vom Gegenspieler geschubst am Tor vorbeiflog, im letzten Moment jedoch einen 120-Grad-Dreher absetzte und den Ball um Torwart Thomas Bauer herum ins Tor zwirbelte.

Wo Hansen auftaucht, wird es laut. Doch er selbst wirkt nicht so, als könne er den Trubel genießen. Fast gelangweilt reibt er seinen Dreitagebart, auch redet er nicht viel über seine Leistungen. Nach den Spielen huscht er meist an den Reportern vorbei. Im Radio machen sie sogar Witze über seine seltenen, unbeholfenen Interviews, die vor Allgemeinplätzen strotzen. "Wir haben viele gute Spieler", sagt Hansen dann, oder: "Ich bin in ganz guter Form." Sein Land liebt ihn trotzdem, vielleicht auch deshalb. Die Fans tragen seine Stirnbänder, bei Facebook hat er auf zwei Seiten mehr als 100 000 Follower. Wer so gut werfen kann, braucht nicht reden.

Hansens Popularität in Dänemark ist enorm, dabei spielt er gar nicht in der heimischen oder der benachbarten deutschen Liga. Als sein Klub AG Kopenhagen im Sommer 2012 pleite ging, suchte er einen neuen Verein. Viele Klubs kamen nicht in Frage, in Barcelona war er schon, hatte Heimweh. Beim THW Kiel wurde die Personalie diskutiert, jedoch wieder verworfen. Hansen zog es nach Paris, zu Saint-Germain HB, einer mit viel Geld aus Katar zusammen gewürfelten Startruppe, in der er als erster Handballer mehr als 500 000 Euro brutto verdienen soll.

Dort kann Hansen zwar vergleichsweise abgeschieden seinem Job nachgehen, richtig angekommen ist er in Paris jedoch nicht. Er kommt nicht zur Geltung, die Spielweise liegt ihm nicht. "In der Nationalmannschaft spielen wir viel schneller als in Paris", sagt Hansen. Er hat mehr Spaß an seinem Sport, seit er wieder in der Heimat ran darf.

Beim lockeren 32:23 gegen Island am Mittwochabend saß Hansen nur auf der Bank. Dänemark hatte sich frühzeitig fürs Halbfinale qualifiziert, auch Niklas Landin, der bärenstarke Torhüter, und Kreisläufer René Toft Hansen erhielten eine Pause. Ulrik Wilbek, der dänische Coach, wollte seine prägenden Kräfte schonen. Er weiß, wie sehr er Hansen noch brauchen wird. "Mikkel ist gut, auch wenn er schlecht ist", sagt Wilbek. Gegen Island durften stattdessen Henrik Møllgaard und Mads Mensah Larsen ein paar hübsche Tore erzielen. Hansen reichte während der Time-Outs Handtücher und Getränke.

Dänemark trifft an diesem Freitag auf Kroatien (18.30 Uhr), das Polen nach Hause schickte. Im zweiten Halbfinale duellieren sich Spanien und Frankreich (21 Uhr) - es sind jene vier Mannschaften, die schon die vergangene EM unter sich ausmachten. Die Ambitionen sind klar. "Zweiter werden ist Scheiße", sagt Hans Lindberg, der für den HSV Hamburg spielt. "Letztes Mal haben wir noch alle überrascht", sagt der Flensburger Lasse Svan. Diesmal sei das anders.

Glaubt man Kreisläufer Michael Knudsen, könnte der an sich wertlose Sieg gegen Island sogar noch wichtig werden. Das dänische Team hat ihn schließlich komplett ohne Mikkel Hansen geschafft. "Das ist gut für die Psyche", findet Knudsen, "für uns, aber auch für die Gegner." Die Kroaten wissen nun: Die Dänen funktionieren sogar ohne ihren Besten. Kehrt "The Rock" zurück, wird der Favorit noch stärker sein.

© SZ vom 24.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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