Rafael Marquez, 35, ist nicht nur ein überaus erfahrener, sondern auch ein überaus kopfballstarker Innenverteidiger, und wie es sich für einen kopfballstarken Innenverteidiger gehört, rückte der Kapitän von Mexikos Auswahl in dieser 72. Minute mit nach vorne. Denn es gab Eckball, mal wieder Eckball, bereits den achten in diesem Spiel für Marquez' Elf. Es kam also die Flanke in die Mitte, dort stieg Marquez am höchsten und köpfelte ein zum 1:0 seiner Mexikaner gegen Kroatien.
Das war die Vorentscheidung - und das war nach zuvor eher zähen 72 Minuten erst der Auftakt zu einer torreichen Schlussphase im Stadion von Recife. 3:1 (0:0) siegte Mexiko gegen Kroatien schließlich und zog als Zweiter der Gruppe A ins Achtelfinale ein, wo es nun auf die Niederländer trifft.
Die Ausgangslage vor dem Anpfiff war ja eindeutig gewesen. Die Mexikaner wussten, dass ihnen ein Remis in jedem Fall zum Weiterkommen reicht; die Kroaten wussten, dass ihnen ein Remis nur mit ungefähr dreiprozentiger Wahrscheinlichkeit zum Weiterkommen reicht - für den unerwarteten Fall, dass Brasilien im Parallelspiel Kamerun unterliegen würde.
Titelverteidiger Spanien beendet mit einem 3:0 gegen Australien ein überaus enttäuschendes Turnier - und widmet sich der Debatte um den Neuaufbau der Elf. Zum Abschied gibt es immerhin einen schönen Hackentrick.
Entsprechend musste die Mannschaft von Trainer Niko Kovac eher auf Sieg spielen. Doch sie tat sich von Beginn an sehr, sehr schwer. Es entwickelte sich kein gutklassiges Spiel, allerdings ein spannendes und intensives, bei dem beide Mannschaften sehr robust zu Werke gingen. Und in dem die Abwehrreihen stabil standen, weshalb es beiden Seiten schwerfiel, Chancen herauszuspielen. Wenn es gefährlich wurde, dann in der Regel lediglich durch Standardsituationen oder Fernschüsse.
Nach 16 Minuten setzte Mexikos Hector Herrera einen Distanzschuss aus zirka 25 Metern an die Latte. Kurz danach folgten noch zwei ansehnliche Szenen für El Tricolor, die Andres Guardado (18.) und Oribe Peralta (19.) nicht zu nutzen wussten, sowie zwei Fernschüsse der Kroaten, einer durch den früheren FC-Bayern-Profi Danijel Pranjic, einer durch Wolfsburgs Ivan Perisic.
Doch das war alles, Kroatiens Mittelfeldstrategen Luka Modric und Ivan Rakitic kamen nicht dazu, ihre Qualitäten einzusetzen. Das Einzige, was die Konstellation des Spiels veränderte, ereignete sich gut 2000 Kilometer vom Spielort Recife entfernt in Brasília. Als dort nämlich kurz nach der Pause Fred auf 3:1 für Brasilien erhöhte, wussten die Kroaten, dass ihre Chance, auch mit einem Remis weiterzukommen, noch bei ungefähr 0,3 Prozent lag. Und dass sie umso gezielter auf einen Sieg spielen mussten.
Doch das gelang ihnen gegen diese vorzügliche Abwehr der Mexikaner nicht. Ihr Tempo war gering, und mit zunehmender Spieldauer erhöhte sich auch die Zahl der leichten Fehler. Zu Torchancen kam es jetzt überhaupt nicht mehr - und irgendwann entschieden sich die Mexikaner, nun selbst etwas offensiver zu agieren und energischer auf die Entscheidung zu drängen.
In der 64. Minute missglückte das noch knapp: Zunächst flog der Ball nach einem Schuss von Herrera an die Hand von Kroatiens Rechtsverteidiger Darijo Srna, der seine Hände schon sehr weit ausgestreckt hatte. Doch der fällige Elfmeterpfiff blieb aus, stattdessen gab es Eckball, und die daraus entstehende Kopfball-Chance klärte Verteidiger Corluka soeben noch auf der Linie. Doch acht Minuten später war Marquez beim Eckstoß zur Stelle und traf. Wiederum keine drei Minuten später kam der Ball am Ende einer flotten Kombination zu Guardado, der unhaltbar zum 2:0 einschoss, das war die Vorentscheidung.
Erst jetzt kamen die Kroaten zu ihrer ersten richtigen Chance, doch den Schuss von Rebic klärte Moreno kurz vor der Linie. Nach 84 Minuten erhöhte Hernandez, wieder nach einem Eckball, sogar auf 3:0, ehe Ivan Perisic drei Minuten vor Schluss immerhin noch einen Treffer für Kroatien erzielte - was für die Mexikaner doppelt ärgerlich war. Zum einen war es ihr erstes Gegentor in diesem Turnier, zum anderen war damit die Hoffnung dahin, am Ende vielleicht sogar auf eine bessere Tordifferenz als Brasilien zu kommen und die Gruppe als Erster abzuschließen. Rebic sah dann kurz vor Schluss noch Rot, doch das machte auch nicht mehr viel.
Mexiko steht damit zum sechsten Mal nacheinander seit 1994 im Achtelfinale einer WM - eine beeindruckende Bilanz, die außer ihnen lediglich zwei Nationen vorweisen können, nämlich Deutschland und Brasilien. Allerdings trübt sich diese Bilanz etwas durch die Tatsache, dass die Mexikaner bei allen WM-Turnieren seit 1994 im Achtelfinale ausschieden. Ins Viertelfinale kamen sie bisher in der WM-Geschichte nur, wenn das Turnier im eigenen Land stattfand (1970 und 1986).