Marco Koch bei der Schwimm-EM:Endlich Erster

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Schwimm-EM 2014: Marco Koch nach seinem Sieg über 200 Meter Brust (Foto: dpa)

Marco Koch galt stets als großes Talent, ein ganz großer Titel ließ lange auf sich warten. Nun gewinnt der Brustschwimmer bei der Schwimm-EM in deutscher Rekordzeit die erste Goldmedaillen im Becken - und wird für den Mut belohnt, seinen eigenen Weg zu gehen.

Von Saskia Aleythe, Berlin

Die Schmerzen blieben nur ein paar Momente, da hatte Marco Koch schon wieder Kraft gesammelt. Wenige Sekunden vergingen, eine, zwei, da schwamm der neue Europameister nicht mehr im Wasser, sondern balancierte seinen muskulösen Körper auf dem Plastikseil, das die Bahnen im Becken voneinander abgrenzt, die Arme in Siegerpose von sich gestreckt. "Das ist gar nicht so leicht, darauf zu sitzen", sagte er später, "hätte ich das gewusst, hätte ich vorher geübt." Doch auch diese Einlage meisterte er souverän.

Marco Koch ist der erste deutsche Goldmedaillen-Gewinner bei dieser EM in Berlin, seinen Triumph erlebte er selbst als riesigen Spaß. "Ich habe bei jedem Armzug das Publikum gehört", sagte der 24-Jährige begeistert, "das hat mich unheimlich motiviert, auf der letzten Bahn noch alles zu holen. Die Atmosphäre war gigantisch".

Die Nacht nach seinem Sieg war kurz für Koch, viel gefeiert wurde nicht, aber das mit dem Einschlafen wollte auch so nicht klappen. Die Medaille blieb im Rucksack, "ich bin niemand, der sich die an die Wand hängt". Dann schaut sich der neue Europameister zum ersten Mal sein Rennen im Video an. "Nicht schlecht", sagt er, "aber die letzten Meter waren nix".

Marco Koch bei der Schwimm-EM
:Öfter mal was Gesundes

Brustschwimmer Marco Koch könnte die vierte Medaille für die deutschen Schwimmer holen, dafür spricht seine Leistung aus der jüngeren Vergangenheit. Sein Erfolg basiert auch auf einer simplen Veränderung beim Essen.

Von Saskia Aleythe

Auch wenn es auf diesen 15 Metern nochmal knapp gewesen war: Koch hatte in beeindruckender Manier nach 2:07,47 Minuten am Beckenrand angeschlagen - so schnell war er bisher noch nie geschwommen. Damit unterbot er seinen eigenen deutschen Rekord aus dem Jahr 2009 um 86 Hundertstel, damals durften die Athleten noch mit Hightech-Anzügen schwimmen. Kochs erster internationaler Titel ist damit auch ein besonders positives Zeichen für die Zukunft.

"Das war so geil"

Marco Koch war als aussichtsreicher Medaillenkandidat ins Finale gegangen, als Vorlauf-Zweiter. Lediglich der Schotte Ross Murdoch, Weltjahresbester, hatte ihn da übertrumpft. Im Endlauf sorgte dann aber zunächst der Litauer Giedrius Titenis für bemerkenswerte Szenen: Mit extrem langen Tauchphasen erschwamm er sich einen leichten Vorsprung, die Wende nach 100 Metern absolvierte er als Führender - dann zog Koch vorbei. "Er hat es wunderbar gelöst, das war so geil", freute sich Heimtrainer Alexander Kreisel.

Koch und Kreisel haben im vergangenen Jahr das Training justiert, sie tüftelten verstärkt an Wenden und dem Anschlag, der rettete Koch am Ende Gold. "Wir haben die letzten Wochen daran gearbeitet, dass ich schnell und kurz anschlage und nicht versuche, zu gleiten", erklärte er. Auch die Grundlagenschnelligkeit baute er aus und lernte, die ersten100 Meter schneller zu schwimmen, gleichzeitig am Ende noch Reserven zu haben. Während den Litauer im Finale allmählich die Kräfte verließen, übernahm der Deutsche auf der letzten Bahn zum EM-Titel die Führung. Die letzten Meter gestalteten sich kritisch, doch der Anschlag passte. Die Belohnung für die intensive Arbeit war perfekt.

Bereits bei der WM in Barcelona im vergangenen Jahr hatte Koch für immerhin ein Hochgefühl im deutschen Lager gesorgt, als Einziger holte er eine Medaille, damals noch die silberne. Es war der große Durchbruch in seiner Sportlerkarriere gewesen. Der deutsche Nachwuchsschwimmer des Jahres 2008 hatte es bis dato immer wieder verpasst, sich auch international einen Namen zu machen: Die WM 2011 beendete er als Elfter, es folgte ein Bandscheibenvorfall und eine Nullnummer bei den Olympischen Spielen in London.

Koch musste erst seinen eigenen Weg finden. Das Training mit Dirk Lange, dem einstigen Bundestrainer, brachte ihn nicht mehr weiter. Die beiden schätzen sich, noch heute hält der Schwimmer Rücksprache mit ihm, doch die Konzentration auf die Arbeit mit seinem Heimtrainer Kreisel beflügelte Koch mehr. Mit ihm konnte er in seiner Heimat Darmstadt an sich selbst arbeiten - und in der Nähe seiner Familie sein.

Seit diesem Titel in Barcelona schwächelte Koch nicht mehr, ein weiteres gutes Zeichen für die Zukunft. "Ich war das ganze Jahr schon so stark, es war irgendwie klar, dass ich hier auch gut schwimmen würde", sagte er nach seinem Erfolg in Berlin. Die Medaille fest eingeplant hatte er trotzdem nicht, Druck von außen wollte er gar nicht erst aufkommen lassen. Sein erklärtes Ziel lautete stets: Seinen eigenen deutschen Rekord brechen, egal ob mit oder ohne Medaille. "Alles andere", sagte Koch, "kann ich nicht beeinflussen".

Dass es nun auch noch mit dem Titel geklappt hat, ist ein weiterer Lohn für seinen Arbeitseifer. Seit einem Jahr ernährt er sich anders, Fleisch isst er noch, ansonsten verzichtet er auf tierische Produkte und Gluten. Der Effekt: "Ich kann härter trainieren, regeneriere schneller, hab im Vergleich zum letzten Jahr auch fünf Kilo abgenommen und bin trotzdem stärker geworden."

Neue Fröhlichkeit

Die Wettbewerbe in Berlin hatten für Koch schon überragend begonnen: In der gewöhnungsbedürftigen Mixed-Staffel schwamm er seine 100 Meter so schnell, dass er damit im Einzelrennen eine Medaille hätte holen können. "Das war gut zum Reinkommen in die EM", meinte er.

Mit der Medaille von Koch ist der deutsche Schwimmverband nun vollkommen in einer neuen Fröhlichkeit angekommen, die vor der EM kaum abzusehen war, sie sollte ein Neuanfang werden nach den deprimierenden Ergebnissen der letzten Jahre. Am Dienstag war Jan-Philipp Glania über 100 Meter Rücken zu Bronze geschwommen, am Mittwoch hatten Paul Biedermann (200 Meter Freistil) und Philip Heintz (200 Meter Lagen) Silber geholt.

Deutscher Rekord, konstant gute Leistungen und Arbeitseifer - Marco Koch ist aus vielerlei Gründen derzeit wieder ein verheißungsvoller Mann im deutschen Schwimmen. Gut möglich, dass er in den kommenden Jahren auch auf diesem Plastikseil, das die Bahnen im Becken trennt, an Sicherheit gewinnen wird.

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