Meister Manchester City:Über allem steht Pep Guardiola

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Schon wieder ein Titel: Manchester City ist englischer Meister, Pep Guardiola feiert. (Foto: AP)
  • Manchester City ist erneut englischer Meister - der Titel wird vor allem Trainer Pep Guardiola zugeschrieben, dem wichtigsten Angestellten des Klubs.
  • Vier Trophäen sind möglich in dieser Saison, doch die Champions League ist wieder einmal nicht darunter. Sie bleibt Guardiolas großes Ziel.
  • Hier geht es zur Tabelle in England.

Von Sven Haist, London

Zumindest für ein paar Minuten hätte Manchester City in Sergio Agüero ausnahmsweise einen Spieler über das Team stellen können. Nach den Toren von Agüero, Aymeric Laporte, Riyad Mahrez und dem deutschen Nationalspieler İlkay Gündoğan hatten die Citizens am Sonntag das meisterschaftsbringende 4:1 bei Brighton & Hove Albion im Fernduell mit dem FC Liverpool quasi eingefahren - nur der argentinische Mittelstürmer benötigte noch einen Treffer, um mit den Führenden in der Torschützenliste gleichzuziehen.

Mohamed Salah, Sadio Mané (beide Liverpool) und Pierre-Emerick Aubameyang (FC Arsenal) standen da bei 22 Treffern, Agüero bei 21. Allerdings schienen die Mitspieler nichts übrig zu haben für dieses Anliegen. Anstelle einer Vorlage bekam Agüero bloß die Kapitänsbinde des ausgewechselten Vincent Kompany überreicht - was er so klaglos hinnahm, als würde es den Goldenen Fußballschuh für den besten Knipser (den er 2014/15 gewann) in England gar nicht geben.

Durch die knapp entgangene Minitrophäe bleibt es vorerst dabei, dass kein Spieler im Kader von Manchester City seit Ankunft von Trainerkrösus Pep Guardiola einen individuellen Preis für seine Leistungen erhalten hat. Trotz 281 Treffern in drei Spielzeiten besaßen jeweils die anderen Vereine die erfolgreicheren Torjäger; selbst die nun zwei Meisterschaften in Serie (gelang zuletzt Manchester United vor zehn Jahren), bei denen jeder Gegner pro Saison mindestens einmal besiegt wurde, reichten für City nicht aus, um erstmals auf der Insel den "Fußballer des Jahres" in den eigenen Reihen zu haben.

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Die Auszeichnung für den wertvollsten Ligaspieler durfte nach Salah diesmal dessen Liverpool-Kollege Virgil van Dijk entgegennehmen. An dieser Bilanz störte sich bei City jedoch niemand, denn das Konzept des Klubs sieht nicht vor, einen Spieler groß rauszubringen - sondern nur den Trainer Guardiola. Schließlich möchte sich der Klub den Weltruf seines wichtigsten Angestellten zunutze machen, um das eigene Ansehen international aufzuhübschen. In der abgelaufenen Saison ist diese Idee wieder einmal vorzüglich aufgegangen.

Jeder Profi scheint austauschbar - der Trainer nicht

Der vierte Ligagewinn in den vergangenen sieben Jahren manifestiert die Vormachtstellung der Citizens im englischen Fußball. Die Unbezwingbarkeit des Meisters ist auf die Austauschbarkeit jedes Profis zurückzuführen. Schon lange spielt es für City in der Premier League kaum eine Rolle, wer nun genau aus dem Sammelsurium an Spielern in der Startelf steht. Das erklärt, wie die Citizens dem Drill standhalten konnten, mit dem sie Guardiola im Stil eines Hirten durch die zurückliegenden Saisons gescheucht hat. "Wir sind müde, aber Gewinnen gibt Energie und macht süchtig", sagte Guardiola, "große Wettkämpfer sind nie zufrieden."

Jede Unachtsamkeit hätte direkt die Position des jeweiligen Spielers in Zweifel gezogen, der dann halt doch lieber Dienst nach Vorschrift lieferte als sich eine Auszeit zu gönnen. Trotz eines zermürbenden Spielplans hat das gleichermaßen auf Effektivität sowie Ästhetik getrimmte Manchester zum Schluss 14 Ligasiege am Stück produziert. In der Tabelle brachte das einen Zähler mehr als Jürgen Klopp mit Liverpool eroberte. Was Liverpools Wartezeit auf die erste Meisterschaft nach 1990 auf fast drei Jahrzehnte verlängert hat.

Durch die bereits kassierten Trophäen im Supercup sowie Ligapokal könnte Manchester City am Samstag im Finale des FA-Cup gegen den FC Watford das Novum schaffen, sich gar das Quartett an nationalen Titeln zu sichern. Doch am gängigen Empfinden, dass die Errungenschaften eher dem Mann an der Seitenlinie zugeschrieben werden als dem Team, dürfte das wenig ändern. Mit seiner Coaching-Expertise stellt der katalanische Prediger der Spielkontrolle seine Profis in den Schatten.

Ab jetzt zählt vor allem der Gewinn der Champions League

Doch bei all den Erfolgen fehlt etwas: Eine Großtat in der Champions League. Drei Anläufe hat Guardiola schon genommen, seit er vom FC Bayern auf die Insel kam. Gegen Monaco, gegen Liverpool und jetzt im Viertelfinale gegen Tottenham gab es jeweils ein viel zu frühes Aus. Jedenfalls nach dem Empfinden der Scheich Mansour gehörenden Abu Dhabi Group.

Und die Verbitterung darüber ist offenbar auch bei Guardiola eingetroffen. In seiner Siegesrede legte der Coach von sich aus eine der Schwächen seiner Mannschaft offen. Er referierte bereitwillig über die fehlende Körpergröße einiger Spieler. Seine Ausführungen glichen einem Tabubruch. "Bei jedem gegnerischen Freistoß oder Eckball gehe ich in die Kirche, um zu beten. Die Realität ist, dass wir mit Raheem Sterling (1,70 Meter), David Silva (1,70) und Bernardo Silva (1,73) verteidigen." Also mit Spielern, die eher kein Kopfballduell gewinnen.

Mit dieser Selbstanzeige, die auf das Gegentor nach einem Eckball beim Champions-League-K.o. abgezielt haben dürfte, wollte Guardiola seinen Spielern wohl klarmachen, dass fortan der Henkelpokal zentral ins Blickfeld rückt. Die Verpflichtungen in der Premier League scheinen abgearbeitet zu sein. Bloß reicht für diese maximalen Ziele das Leistungsvermögen des Kaders?

Die Experten auf der Insel sind sich weitgehend einig, dass City schon "gepeakt" hat. So heißt es im Englischen, wenn ein Team seinen Zenit hinter sich hat. Das wurde in der Vergangenheit jedoch schon mehrmals prognostiziert. Trotzdem blieb ManCity dominant. Wer bleiben darf, hängt davon ab, ob Guardiola seiner in die Jahre gekommenen Achse um Kompany (33), Nicolás Otamendi (31), Fernandinho (34), David Silva (33) und Agüero (30) zutraut, seinen hohen Standards aufs Neue zu entsprechen. Speziell die Zukunft des belgischen Leitwolfs Kompany, dessen Vertrag am 30. Juni ausläuft, wird wichtig für die Höhe, in der City investieren wird. "Ich weiß nicht, ob ich bleibe", sagt Kompany: "Wenn die Saison vorbei ist, werde ich mit der Familie sprechen. Alle Außenstehenden haben da nichts zu sagen."

Inmitten der Feierlichkeiten nach der erhaltenen Meistertrophäe trommelte Kompany mit Agüero und David Silva die alten Mitstreiter für ein Foto zusammen. Allein dieses Trio hat jeden der vier jüngsten Meister-Titel des Klubs ( 2012, 2014, 2018, 2019) in der Premier League auf dem Platz miterlebt.

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