"Wenn nicht jetzt: Wann dann?" fragt Oren Osterer. Denn in diesem Jahr komme der absolut richtige Zeitpunkt für diese Spiele in Berlin. 2015 jährt sich das Ende der Schoah zum 70. Mal, und genau 50 Jahre liegt es zurück, dass Israel und Deutschland diplomatische Beziehungen aufgenommen haben. Osterer, 34, sitzt mit seinem kleinen Team und einem guten Dutzend freiwilliger Helfer eng beieinander in einem Büro in Berlin-Kreuzberg. Alle sind jung, es könnte eine Studenten-Initiative sein, die sich an ihrem ersten großen Projekt versucht. Tatsächlich bereiten sie die "European Maccabi Games" vor, das größte jüdische Sportereignis in Europa - und gesellschaftspolitisch das wohl bedeutendste Sportfest in Deutschland seit Jahren.
Wenig mehr als hundert Tage sind es noch, dann wird Bundespräsident Joachim Gauck in der Berliner Waldbühne das Sportfest mit mehr als 2000 Athleten eröffnen. Die Feier am 28. Juli soll eine große Party mit einem spannenden Kulturprogramm werden. Erstmals wird es keine geschlossene Veranstaltung jüdischer Sportler in familiärem Ambiente sein. Osterer, der Direktor des Organisationskomitees, hofft zum Einzug der Nationen auf 15 000 Gäste in der Waldbühne.
In der Waldbühne, wo 1936 bei den olympischen Spielen im nationalsozialistischen Deutschland die Wettkämpfe im Geräteturnen ausgetragen wurden. Nun sollen die Wettbewerbe der jüdischen Sportler aus 30 Ländern eine Woche lang im Olympiapark stattfinden - dort, wo damals Hitlers Propaganda-Show stattfand. Hier werden sie sich im Schach messen und im Fußball, im Fechten, Schwimmen und Basketball, in 24 Disziplinen insgesamt.
Erstmals finden die Maccabi Games in Deutschland statt
Zum ersten Mal wird dieses europaweite Treffen jüdischer Sportler in Deutschland stattfinden, und es werden die größten "European Maccabi Games", die es je gab. Es ist ein Ereignis von großer Symbolik: Die Spiele sollen "ein Zeichen für ein neues jüdisches Selbstverständnis in Deutschland sein", sagt Osterer: ein Zeichen, dass die jüdische Gemeinde sich selbstverständlich als ein vitaler und sichtbarer Teil dieses Landes versteht.
Der frühere Basketballer beschreibt sich selbst als "ein Kind der Makkabi"-Familie. Sein Vater war lange Vorsitzender des jüdischen Sportverbands Makkabi Deutschland. Er war schon als Junioren-Spieler bei seiner ersten Makkabiade dabei. Es ist ein Treffen mit großer Tradition: Ende des 19. Jahrhunderts gründeten Juden in Europa ihre eigenen Sportvereine, die völkisch gesinnten Sportvereine ihrer Heimatländer nahmen sie nicht auf. Der Name Makkabi geht auf den Anführer eines historischen jüdischen Aufstandes zurück. Im Jahr 1932 gab es die erste Makkabiade in Israel, sie findet inzwischen, wie die olympischen Spiele, alle vier Jahre dort statt, zeitversetzt gibt es die Maccabi-Games in Europa.
Die ersten Spiele in Deutschland werden von prominenten "Sportpaten" unterstützt. Der Fußballweltmeister Jérôme Boateng, gebürtiger Berliner und heute Profi beim FC Bayern, zählt dazu, der Tischtennis-Profi und Olympia-Medaillengewinner Dimitrij Ovtcharov und auch die Schwimmerin Sarah Poewe: Sie war die erste jüdische Athletin, die nach 1945 für Deutschland olympische Medaillen gewann, in Athen 2004. Bundespräsident Gauck habe sofort zugesagt, als ihm die Schirmherrschaft angetragen wurde, sagt Osterer. Ein Staatschef als Schirmherr: So etwas habe es vorher noch nicht geben.
Nicht nur für die jüdische Gemeinde in Deutschland war die Entscheidung, diese Spiele nach Berlin zu geben, von großer Bedeutung. Osterer erzählt von der großen Ungeduld und Vorfreude vieler amerikanischer Sportler. Sie nehmen, wie die Australier, an den Spielen als Gäste teil. Als Athleten sind auch viele Enkel von jenen Sportlern dabei, die sich in den USA für die Spiele von 1936 qualifiziert hatten, aber nicht mitfahren durften. Die Amerikaner, erinnert Osterer, hatten damals ihre jüdischen Sportler nicht mit nach Berlin genommen - eine Konzession an die Nazis, die auf Avery Brundage zurückging, den damaligen Präsidenten des Olympischen Komitees der USA und späteren Chef des IOC.
Als die Spiele nach Berlin vergeben wurden, dachte man bei Makkabi auch an die Überlebenden des Holocausts, die noch am Leben sind und für die dieses Ereignis etwas besonderes sein würde. "Es ist sicherlich ein Zeichen, dass diese Spiele an diesem Ort sein werden", sagt Osterer. Der Präsident von Makkabi Deutschland, Alon Meyer, sprach nach der Vergabe von einem "starken Symbol, am früheren Ort des Schreckens das größte jüdische Sportereignis seit dem Krieg durchzuführen".
Die Spiele in diesem Sommer werden von der Bundesregierung finanziell unterstützt, auch das Land Berlin will sich beteiligen. Eine befremdliche Enttäuschung jedoch erlebten Osterer und sein Team bei der Suche nach Sponsoren. Sie haben ein umfangreiches Sponsoren-Konzept entwickelt für ihre Großveranstaltung. Die Firmen konnten sich aussuchen, ob sie Platin-, Gold-, Silber- oder Bronze-Sponsoren sein wollten. Viele Angebote stehen in der langen Broschüre. Große Unternehmen, deutsche Banken, Sportartikelhersteller, Fluglinien wurden angefragt. Es half nichts. Nur wenige Unternehmen wollten sich überhaupt als Sponsoren beteiligen - darunter nicht ein einziges Dax-Unternehmen.
Der Gesamtetat muss nach unten korrigiert werden
Osterer musste seinen Etat von sieben Millionen Euro auf etwa fünf herunterfahren. Ein Großteil kommt von den Teilnehmern, die ihre Anreise und einen Beitrag von rund 900 Euro pro Person zahlen. Osterer musste unter anderem beim Bildungsprogramm für die jugendlichen Teilnehmer der Makkabi-Spiele sparen. Die Eröffnungsfeier wird allein durch private Spenden finanziert, die bei einem "Fundraising"-Dinner der Jüdischen Gemeinde gesammelt wurden.
Es ist ein ziemlich bunter Strauß an Sportarten, den die Berliner bei diesen Spielen erleben können. Bridge gehört dazu, eine Domäne ungarischer Sportler. Auch Futsal, die kleinere und etwas virtuosere Form Fußball zu spielen, und Bowling. Einige attraktive Freundschaftsspiele gegen Profimannschaften sind auch geplant. Eine Auswahl der Makkabi-Fußballer trifft auf die "DFB All Stars", eine Auswahl ehemaliger Nationalspieler. Die Basketballer treten gegen Alba Berlin an.
Alle Spiele sollen offen für alle Zuschauer sein. Das ist ein wichtiges Teil des Konzepts. "Jeder kann sie besuchen", sagt Osterer, der von einem Team erfahrener Sicherheitsleute unterstützt wird. "Es ist falsch zu sagen, dass wir Angst haben", sagt er. "Aber wir machen uns die richtigen Gedanken." Er lobt die Offenheit der Berliner Polizei. Zuletzt in Wien habe die Polizei festgelegt, was alles nicht möglich sei - hier habe der Veranstalter erst sein Konzept präsentiert, dann sei geprüft worden, was man sicher umsetzen könne. So wird der Halbmarathon im Olympia-Park ausgerichtet. Osterer sagt: "Ich hätte keinen Spaß daran, wenn ich wüsste, die Veranstaltung findet hinter Mauern statt." Wie sollte das auch passen zu dem Enthusiasmus, mit dem sein Team in Kreuzberg auf diese Spiele hinarbeitet.