Lückenkemper bei der Leichtathletik-WM:Läuft bei ihr

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Gina Lückenkemper: Läuft gut bei ihr (Foto: imago/Beautiful Sports)

Die 18-jährige Gina Lückenkemper ist die jüngste deutsche Teilnehmerin bei der Leichtathletik-WM in Peking. Sie gilt als große Sprinthoffnung. Ihr Erfolgsrezept: nicht zu viel trainieren.

Von Saskia Aleythe

Ein bisschen verrückt macht sie ihre Trainer manchmal schon. Vor ein paar Wochen in Schweden zum Beispiel: Gina Lückenkemper steht im Stadion von Eskilstuna, gleich muss sie zeigen, was sie kann: Sie startet im Finale über 200 Meter bei der U20-EM. Zehn Minuten noch, dann geht es los - höchste Zeit für Konzentration also. Was macht Lückenkemper? "Da lief Musik und ich hab da noch angefangen zu tanzen", erzählt sie. Mit den Deutschen im Publikum übt sie eine Laola-Welle. Vor einem der wichtigsten Rennen des Jahres. Ein Szenario aus Trainer-Albträumen.

In der Welt von Gina Lückenkemper funktioniert das prima so, nach ihrem Tänzchen folgt: der Sprint zum EM-Gold. Ihrer Altersklasse ist die 18-Jährige aus dem westfälischen Soest schon enteilt, nun darf sie mitmachen bei der WM der Großen in Peking. Dort ist sie die Jüngste im deutschen Team - und eine, die vielen schon länger als größtes Sprinttalent des Landes gilt. Der deutsche Leichtathletik-Verband will sie behutsam aufbauen, Lückenkemper soll auch eine für Olympia sein.

Schon mit 16 die drittbeste deutsche Sprinterin

Bei der WM-Vorbereitung der Nationalmannschaft muss Lückenkemper auch schon mal Lernstunden einlegen, im nächsten Jahr soll es mit dem Abitur klappen. In ihre Reisetasche gehören seit jeher Sportsachen und Arbeitshefte: Schon mit 16 lief sie in die deutsche Bestenliste, war die drittschnellste Frau über 200 Meter. Und sammelte einige internationale Erfahrungen bei Junioren-Turnieren. "Jetzt bei der WM der Erwachsenen dabei zu sein, ist einfach der Wahnsinn", findet sie.

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Mit einer klaren Mehrheit setzt sich der Engländer gegen den ehemaligen Stabhochspringer Sergej Bubka aus der Ukraine durch. Clemens Prokop muss eine Niederlage verkraften.

In der aktuellen Saison hat Lückenkemper den größten Sprung gemacht: Bei einem Meeting in Regensburg schaffte sie mit 23,12 Sekunden nicht nur eine neue Bestleistung, in diesem Jahrtausend ist noch keine deutsche U20-Läuferin schneller als Lückenkemper gewesen. Über 100 Meter klappte es wenig später dann sogar mit der WM-Norm: In 11,25 Sekunden kam sie ins Ziel. Nun wird sie als dritte Läuferin neben Verena Sailer und Rebekka Haase über diese Distanz in Peking an den Start gehen, auch weil Tatjana Pinto ihre Saison vorzeitig beendete.

Was ihre Beine so flink macht? Lückenkemper sagt: "Ich habe einfach wahnsinnig viel Freude an dem, was ich mache." Und: "Weil es etwas ist, was ich gerne mache, fallen mir viele Dinge auch relativ leicht."

Natürlich ist sie stolz, nun in Peking dabei zu sein, "wahnsinnig stolz" sogar, denn die Saison hat für sie mit Rückschlägen begonnen und einiges hat sich verändert im Training. Wegen eines Muskelfaserrisses im Oberschenkel musste sie ihre Hallensaison abbrechen. Außerdem entschied sie sich nach sechs Jahren für einen neuen Trainer, arbeitet nun noch mehr an ihrer Athletik. Das sieht so aus: Bauchmuskeln und Rückenmuskulatur kräftigen sowie den Knöchelapparat am Sprunggelenk.

Doch auch das Training geht sie so an, wie es ihrer Persönlichkeit entspricht: Auf keinen Fall zu verbissen. "Ich bin keine Trainingsweltmeisterin", sagt sie von sich selbst, "mir hilft es auch mal, den Kopf frei zu kriegen". Das größte Potenzial zur Verbesserung hat Lückenkemper beim Start, die Reaktionszeiten mancher Konkurrentinnen sind deutlich besser. "Aber ich sehe Fortschritte", sagt sie, "und die Zeiten zeigen das ja auch".

Ein Ziel in Peking: Usain Bolt sehen

Bei den deutschen Meisterschaften in Nürnberg fehlte sie, es war eine Absprache mit den Nationaltrainern. "Wir versuchen, sie systematisch ins WM-Team zu integrieren und haben sie bewusst nicht an den Start gebracht", erklärte DLV-Cheftrainer Idriss Gonschinska. Lückenkemper soll sich Zeit lassen in der Welt der Großen. "Ich kann den Druck ausschalten", sagt sie von sich selbst, ohnehin versteht sie die Wettbewerbe eher als Schnupperstunden für die Zukunft. "Weil ich jünger bin, kann ich mir alles erstmal angucken", sagt sie. Einmal auf der Tartanbahn im Vogelnest zu stehen, Usain Bolt zu sehen - das allein ist schon aufregend genug.

Am Sonntag startet sie in die WM: Beim Vorlauf über 100 Meter. Ihre Paradestrecke über 200 Meter wird sie aus Zeitgründen auslassen - denn es folgt noch ein weiterer Höhepunkt für die Jüngste im Team: Die Staffel über 4x100 Meter soll sie auch bestreiten. Bei der U20-EM in Schweden hatte sie im Finale den Staffelstab fallen lassen, in Führung liegend, die Medaille war futsch. "Natürlich schwirrt einem sowas im Kopf rum", sagt sie, "aber das ist auch schon den Besten passiert." Sie ist sich sicher: "Das nächste Mal wird es deutlich besser laufen."

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