Lewis Hamiltons Sieg beim GP von Italien:15 Meter Abstand

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Sicherheitsabstand: Lewis Hamilton gewinnt in Monza vor seinem Teamkollegen Nico Rosberg (Foto: AP)

Mercedes gelingt beim Formel-1-Rennen in Monza der siebte Doppelsieg in dieser Saison - und weil Nico Rosberg ein kapitaler Fahrfehler unterläuft, bleibt der erbitterte Zweikampf mit Lewis Hamilton diesmal aus. Neue Brisanz verspricht aber der Abstand in der Fahrerwertung.

Von Elmar Brümmer, Monza

Den Moment, in dem der Große Preis von Italien entschieden wird und das Mercedes-interne Titelduell der Formel 1 neue Dynamik bekommt, quittiert Teamchef Toto Wolff mit einem leisen Lächeln. Die Süffisanz verschwindet, als die Fernsehkameras den Gesichtsausdruck einfangen. Alles noch mal gut gegangen.

Vier Tage lang hat der Österreicher ein Friedensmantra heruntergebetet, nach dem sich Nico Rosberg und Lewis Hamilton auf keinen Fall mehr berühren dürften mit ihren Silberpfeilen - und dann halten die beiden beim entscheidenden Überholmanöver etwa 15 Meter Sicherheitsabstand, weil Nico Rosberg ein kapitaler Fahrfehler unterläuft. Krasser und ungewöhnlicher geht es nicht mehr. Die neuerliche Wendung in der Mercedes-Saga sorgt für den sechsten Saisonsieg von Lewis Hamilton, in der Gesamtwertung ist er damit wieder auf 22 Punkte an den Rivalen herangekommen. Der vielleicht erbittertste Zweikampf seit Senna und Prost geht in die nächste Runde. Kippt das Duell?

Großer Preis von Italien
:Hamilton kommt Rosberg näher

Der Vorsprung wird kleiner: Lewis Hamilton siegt beim Großen Preis in Monza und schließt in der WM-Wertung zu Nico Rosberg auf. Großen Anteil daran hat der Deutsche selbst.

Der ehemalige Ferrari-Pilot Jean Alesi entwickelt bei den Siegerinterviews auf dem Podium hoch über der Boxengasse einen (ungewollten?) Sinn für Komik. Hamilton muss sich für seinen Fauxpas am Start - bei dem der Brite kurzzeitig von eins auf vier rutscht - fragen lassen: "Machst du dir dein Leben eigentlich gern selbst schwer?" Und Rosberg, bei dem die Pfiffe und Buhrufe des Publikums lauter werden, raunt der Franzose zu: "Für dich werden sie die erste Kurve hier umbauen . . ." Schließlich leitet der Hobbymoderator zu weiteren Friedensverhandlungen über: "Sagt mir, dass ihr noch Freunde seid." Hamilton erwidert in emotionaler Gönnerlaune: "Ja, natürlich. Wir sind doch Teamkollegen." Und Felipe Massa, früher bei Ferrari und jetzt Dritter im Williams, wird zum Ersatzhelden fürs italienische Publikum, das die Zielgeraden flutet: "Ich bin kein Roter mehr, aber ich bin immer bei euch."

Rosberg behauptet, dass die Emotionen der Fans seinen Schmerz über den verschenkten Sieg lindern. Er weiß, dass er gerade jetzt nicht nachgeben darf, wenn Hamiltons Aufholjagd Fahrt aufnimmt: "Das ist halt so, da muss ich drüber wegkommen. Vom Punktestand her ist es immer noch okay, es gibt Schlimmeres." Sieben Punkte hat er verloren. Erklären kann (oder will) er den wiederholten Fehler nicht. Teamaufsichtsrat Niki Lauda zeigt sich nach dem siebten Doppel-Erfolg von Mercedes zufrieden: "Wir brauchten diesen Sieg, um das Momentum zurückzukriegen."

Die Prima Variante würde die Entscheidung bringen müssen, das war schon vor dem Großen Preis von Italien klar. Ein Rechts-Links-Knick, der wie alles im Autodromo Nazionale extrem schnell ist: Die Rennwagen müssen hier von 340 km/h auf Tempo 80 herunterbremsen. Und die Piloten müssen entscheiden, ob sie sich zu zweit nebeneinander durch das Nadelöhr trauen. Wie gemacht also für eine Neuauflage des hausinternen Crash-Kurses, der die WM-Kandidaten Nico Rosberg und Lewis Hamilton in Belgien trotz des späteren Schuldbekenntnisses des Deutschen wohl für immer entzweit hat.

Die Prophezeiung erfüllte sich am Start noch nicht, weil Hamilton von seiner ersten Pole-Position seit Mai nicht richtig weg kam. Eine Störung in der Kupplungs-Software, schon war Rosberg vorbei. Und der Brite so richtig wütend. Die Ersatzbefriedigung für Hamilton kam aber schon in Runde zehn, als er innen in der Schikane Felipe Massas Williams ausbremste - viel passte nicht mehr zwischen die beiden. Sein Renningenieur lobte umgehend: "Gut gemacht." Kollege Rosberg, längst in komfortabler Führung, war kurz davor an der gleichen Stelle einfach geradeaus gefahren. Den Notausgang nehmen, nennt sich das im Rennsport. Die Abkürzung wird durch Hindernisse verstellt, um die man Slalom fahren muss.

Der Wiesbadener, nach dem ersten Boxenstopp immer noch gut 1,8 Sekunden vor Hamilton, wies den Kommandostand an, ihm nicht mehr den Abstand zum Rivalen durchzugeben. Aber er muss ihn kommen gesehen haben in der 29. von 53 Runden. Wieder ging es am Ende der Höchstgeschwindigkeitsgeraden in die enge Kurve - und zum wiederholten Mal zeigte Rosbergs Auto kein richtiges Bremsvermögen. Wieder schlängelte er sich außen vorbei, während Hamilton den Bogen richtig auskostet, und - mit dem größtmöglichen Abstand - vorbei und dann auf und davon ist. Das sah so einfach aus, dass die üblichen Verschwörungs-Theoretiker sofort an eine ungewöhnliche Art der Stallorder dachten. Aber so will sich keiner blamieren, kein Fahrer, kein Team.

Also lobte Rosberg lieber den Kollegen: "Lewis ist heute ein tolles Rennen gefahren, er hat es verdient."

Sebastian Vettel erfuhr auf der Strecke, auf der er 2008 seinen ersten Grand Prix gewann, eine weitere Demütigung. Red-Bull-Kollege Daniel Ricciardo, am Start weit zurückgefallen, fing den Weltmeister sechs Runden vor Schluss ein. Nach einem harten Kampf Rad an Rad in der ersten Schikane wähnte Vettel seine Vorfahrt gesichert, dann zog der freche Australier doch noch vorbei. Es ging nur um Platz fünf, aber es war ein teaminterner Triumph. Vettel, der derzeit nicht nur mit Ricciardo, sondern vielem in seinem Team hadert, erwischte es trotzdem noch besser als Fernando Alonso. Ferraris Heimspiel wurde zum Debakel, als der Spanier kurz nach Rennhalbzeit wortwörtlich nicht mehr in die Gänge kam. Zu diesem Zeitpunkt war er Elfter, was zu der traurigen Kulisse von nur etwas über 50 000 Zuschauern passte.

© SZ vom 08.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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