Lewis Hamilton:Auffällig, aggressiv, erotisch

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Über-ergeizig und ein bisschen narzistisch: Formel-1-Pilot Lewis Hamilton. (Foto: Diego Azubel/EPA)
  • Lewis Hamilton will nach einer titellosen Saison unbedingt wieder Weltmeister werden.
  • Nicht nur das Duell gegen Sebatian Vettel motiviert ihn, sondern auch eine Aussprache mit Mercedes-Sportchef Toto Wolff.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen und zum WM-Stand der Formel 1.

Von Elmar Brümmer

Es gibt eine Palette an mehr oder weniger lyrischen Formulierungen, um die neue Rennwagengeneration der Formel 1 zu beschreiben. Sie reichen von auffällig über aggressiv bis hin zu brachialer Erotik. Das mag Ansichtssache sein bei einem zwei Meter breiten Frontspoiler. Zumal in der Königsklasse des Motorsports die Sache mit der Attraktivität prinzipiell klar geregelt ist - Mensch vor Maschine und Marke. Unter den Menschen heißt die größte, vielleicht die einzige Marke: Lewis Hamilton. Auffällig, aggressiv, mitunter brachial und angesichts seiner Millionen Facebook-Verfolger sicher auch erotisch. Der mit angeblich über 30 Millionen Euro im Jahr am besten bezahlte Mercedes-Angestellte ist auch derjenige unter den Rennfahrern, der jenseits der Fangzäune als Superstar wahrgenommen wird.

Ein Über-Ehrgeiziger, der notorisch schlecht gelaunt ist, wenn er verliert. Weshalb es zunächst merkwürdig erschien, dass er nach der Auftaktniederlage von Melbourne gegen Ferrari-Pilot Sebastian Vettel zwar nicht bester, aber doch guter Dinge war. Die Beiden funktionierten die Pressekonferenz nach dem Rennen in eine Talkshow um. Der Silberpfeil-Pilot urteilte nach dem ersten Kräftemessen: "Jetzt kämpfen die Besten gegeneinander."

Wenn der dreimalige Weltmeister Hamilton (2008, 2014, 2015) gegen den viermaligen Weltmeister Vettel (2010 bis 2013) fährt, und von nichts anderem gehen diese Beiden aus, dann bekomme jedes der ausstehenden 19 Rennen einen Kick, glaubt der Brite: "Wir sind endlich an einem Punkt, an dem wir einen echten Wettkampf haben können. Ich bin dankbar dafür. Diese Saison wird eine sehr, sehr harte Schinderei." Der Positivdenker hegt allerdings einen Wunsch: "Ich hoffe nur, dass es keine von Strategie geprägte Saison wird. Ich will auf der Strecke kämpfen. Dafür lebe ich, das ist es, was mich antreibt."

Hamilton akzeptiert Vettel als gleichwertigen Rennfahrer

Hamilton, 32, ist sich außerhalb der Rennstrecke häufig selbst genug, auf dem Asphalt aber braucht er einen starken Gegner, eine personifizierte Herausforderung. Man kann schwerlich behaupten, dass sein Ex-Teamkollege Nico Rosberg das in den vergangenen drei Jahren nicht gewesen sei. Schließlich war es der Deutsche, der in der vorigen Saison Hamilton den Titel-Hattrick versaut hat. Das sitzt tief, tiefer als Hamilton es öffentlich zugibt. Es dem Frührentner Rosberg zeigen zu wollen, und so indirekt doch die durch den Rücktritt des Rivalen entgangene Revanche zu nehmen, das ist Hamiltons Motivation. Dass er es erneut mit einem teutonischen Widersacher zu tun hat: Zufall. Aber es gibt für das von Motorsport aktuell "Hollywood gegen Heppenheim" getaufte Duell mit Vettel einen markanten Unterschied gegenüber der Intimfeindschaft mit Rosberg: Hamilton akzeptiert Vettel tatsächlich als gleichwertigen Rennfahrer, im Falle von Rosberg hat er es oft vermutlich nur behauptet.

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Vor dem Großen Preis von China auf dem Shanghai International Circuit (Sonntag, 8 Uhr/RTL und Sky) hat Hamilton Station im Land gemacht, erst in Hongkong, dann in Peking. In den sozialen Netzwerken, seiner zweiten Rennstrecke, gibt es davon Schnappschüsse. Auch solche, die den rennfahrenden Rapper mit Mundschutz zeigen. Damit hat er nicht den Wetterverhältnissen an der Rennstrecke vorgreifen wollen (wo am Freitag das zweite Training wegen dichten Nebels abgesagt worden war), vielmehr soll es eine Persiflage auf Rosberg gewesen sein, der im Sinne einer perfekten Vorbereitung auf den Langstreckenflügen immer mit Mundschutz sein Immunsystem schützen wollte.

Auch der Satz "Ich bin ein echter Deutscher" hätte ins Bild gepasst. In Wahrheit ist es ein Übersetzungsfehler, Hamilton nuschelt hinter der Maske etwas davon, dass auch er ein Bakterien-Phobiker sei: "Das ist etwas, das ihr noch nicht von mir wusstet." Tatsächlich bekam die Episode auf diese Art noch größere Aufmerksamkeit - und so funktioniert das Prinzip Hamilton.

Hamilton polarisiert, sportlich wie menschlich. Als Rennfahrer ist er in einer Liga mit Michael Schumacher, Ayrton Senna oder Alain Prost zu sehen. In seinem zehnten Grand-Prix-Jahr liegt er in den wichtigsten Einzelwertungen meist auf den Plätzen zwei und drei der ewigen Rangliste, von den absoluten WM-Punkten her (bedingt allerdings durch die Modifikation des Systems) gar in Führung. Das basiert auf seiner extremen Fähigkeit zur Eigen-Motivation.

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Im vorigen Winter, in der Formel-1-Pause, in der es verdächtig still um den WM-Zweiten wurde, hatte er sich eine neue Herausforderung gesucht: Er bereitete sich ohne Physiotherapeuten vor; Fitnessstudios langweilen ihn, Stattdessen postete er Bilder, wie er unter Stacheldrähten durchrobbt. Gut fürs Image, seiner Meinung nach auch für die Psyche: "Ich wollte herausfinden, ob ich die Motivation besitze, es selbst zu schaffen, und trotzdem fit zu sein. Meine Disziplin ist dadurch sicher gestiegen." Das Image als Rebell in der erstaunlich konservativen Welt des Fahrerlagers hat er auch durch diesen Alleingang gefestigt.

Aussprache mit Mercedes-Teamchef Toto Wolff

"Wir erleben den besten Lewis der vergangenen vier Jahre, sowohl auf als auch abseits der Strecke. Er ist eine Säule des Teams geworden", lobt Mercedes-Teamchef Toto Wolff, nachdem die Verbindung zwischen Hamilton und seinem Rennstall nach dem WM-Finale in Abu Dhabi auf eine harte Probe gestellt worden war. Hamilton hatte, um seine taktische Chance auf den Titel zu wahren, Anweisungen vom Kommandostand ignoriert. Sogar von Rauswurf war nach der Machtprobe die Rede -, aber nur bis zum Rosberg-Rücktritt.

Entscheidend für das geflickte Verhältnis war eine Aussprache in der Küche von Wolffs Haus in Oxford. Hamilton schöpfte neues Vertrauen, bekam aber auch seinen Stellenwert bestätigt. Wolff: "Man kann nicht den ambitioniertesten Fahrer im Auto sitzen haben, der die Resultate einfährt, die man erwartet - und zugleich erwarten, dass er sich wie ein politisch korrekter Roboter benimmt." Nein, das klappt bei einem wie Lewis Hamilton wirklich nicht.

© SZ vom 08.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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