Freude über den Sieg, Ärger über Son
Rudi Völler klebten die Haare im Nacken, Schweißperlen standen ihm auf der Stirn, doch abgesehen von der erhöhten Körpertemperatur war Leverkusens Sportdirektor wohlauf. Das glatte 3:0 (1:0) über Lazio Rom und die geglückte Qualifikation für die Champions League stimmten Völler zuversichtlich. Und selbst als die Sprache auf Heung-Min Son kam, zwinkerten die Augen des 55-Jährigen weiter fröhlich. Son, der flinke Asiate, hatte in den vergangenen Tagen für eine Menge Unruhe unter dem Bayer-Kreuz gesorgt. Beim Sieg gegen Lazio fehlte er offiziell wegen eines Virus.
Den Südkoreaner - respektive seinen Vater - zieht es offenkundig stark zu Tottenham Hotspur auf die britische Insel. Das hatte seine Mitspieler vor der Partie mächtig irritiert. Hakan Calhanoglu, der immer besonders viel Spaß mit Son gehabt hatte, erklärte grimmig: "So eine Nachricht vor dem Spiel gegen Lazio - das muss nicht sein." Zudem sah sich Bayers Mittelfeldregisseur bemüßigt, dem zwei Jahre älteren Son ein paar grundsätzliche Tipps fürs Leben mitzugeben. "Wenn man 23 ist, soll man natürlich Respekt vor dem Vater haben. Aber man muss auch mal eigene Entscheidungen treffen."
Es wartet der FC Bayern
Übel aufgestoßen war Calhanoglu speziell dies: "Normalerweise ist er ein Typ, der immer ans Handy geht. Aber jetzt haben wir alle vergeblich versucht, ihn zu erreichen." Son sei ja prinzipiell ein "sehr guter Mensch" und "ein wichtiger Spieler". Deshalb hoffe er, dass sich der fremdgesteuerte Teamkollege noch richtig bei der Mannschaft verabschiedet. "Wenn er geht", schob Calhanoglu hinterher.
Größere Zweifel daran gab es nach dem gewonnen Playoff keine. "Son will unbedingt weg", berichtete Rudi Völler. "Und wenn ein paar Bedingungen stimmen, werden wir es auch tun." Im Klartext: Zahlt Tottenham die kursierenden 30 Millionen Euro Ablöse für Son - der vor zwei Jahren für zehn Millionen Euro vom HSV zu Bayer kam -, steht dem Wechsel nichts mehr im Weg. Wobei Völler andeutete, dass sich der Südkoreaner auch wegen des enorm starken Konkurrenzkampfes auf seiner Position aus dem Staub machen wolle.
Das klingt gut, zudem nutzte der Sportchef die Gelegenheit, ein paar alte Zöpfe abzuschneiden. "Wichtig ist nicht das Geld, das wir in der Champions League einnehmen, sondern die sportliche Genugtuung. Wenn's um etwas geht, gewinnen sie meistens nicht, heißt es über Leverkusen ja immer", erwähnte Völler. Kapitän Lars Bender nahm diesen Gedankenfaden auf und betonte: "Die Partie gegen Lazio war wie ein Endspiel. Es war wichtig, auch mal so ein Duell zu gewinnen." Sprach's und schlug vor: "Wenn es in der Champions League wieder in enge, wichtige Partien geht, können wir uns sicherlich an so ein Spiel zurückerinnern."
Meist weniger gut waren in den vergangenen Jahren die Gastauftritte der Werkself bei Bayern München. Am Samstag geht die Reise zum Bundesliga-Duell in die Hauptstadt des Freistaats. "Ich hoffe, dass wir unser Grinsen aus dem Lazio-Spiel dort ein bisschen verlängern können. Es kann ja auch positiv sein, dass wir im Drei- bis Vier-Tages-Rhythmus spielen", überlegte Bender. Während Calhanoglu kombinierte: "Gegen Rom war ganz viel Herz dabei. Wenn wir so in München auftreten, haben wir auch dort eine gute Chance."
Rudi Völler sieht das Team von Roger Schmidt "einen Schritt weiter" und "vor allem stabiler als im letzten Jahr". Stefan Kießling konnte dieser Analyse gerade nach dem Lazio-Spiel problemlos folgen. "Ich finde, dass wir gereift sind, vor allem physisch. Wir können einen Gegner mürbe spielen", erwähnte der Angreifer, der wegen der langfristigen Ausfälle von Akteuren wie Ömer Toprak, Tin Jedvaj oder Charles Aránguiz aber zugleich akuten Handlungsbedarf auf dem Transfermarkt sieht.
"Man braucht in der Champions League natürlich einen anderen Kader als in der Europa League", bekräftigte Geschäftsführer Michael Schade. Noch bis zum 31. August können Spieler verpflichtet werden. "Ich möchte jetzt nicht direkt von einem Schnellschuss sprechen", kommentierte Routinier Kießling. "Aber es ist nicht so, dass wir viel Zeit haben."