Leichtathletik-WM:Sein Welpenblick täuscht

Lesezeit: 3 min

Im Finale: Armand Duplantis in London. (Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)
  • Mit 17 Jahren ist Armand Duplantis der bislang jüngste Stabhochspringer, der es ins Finale einer WM geschafft hat.
  • Er hat bereits 5,90 Meter überquert, das ist U-20-Weltrekord und die drittbeste Höhe aller Athleten in diesem Jahr.
  • Der legendäre Sergej Bubka sagt: "Es ist so schön, einen neuen Star heranwachsen zu sehen."

Von Saskia Aleythe, London

Wie er mit dem Besenstiel im Wohnzimmer aufs Sofa gesprungen ist, haben die Eltern von Armand Duplantis noch nicht gefilmt, er war ja gerade mal fünf Jahre alt. Das Kind war nicht mehr zu stoppen, sprang immer weiter, das Sofa wurde zu klein, der Vater baute ihm eine Anlage im eigenen Vorgarten, zwischen Lattenzaun und Bäumen, ramponiert sieht sie mittlerweile aus. Armand Duplantis aus Lafayette, Louisiana, Spitzname Mondo, ist mittlerweile das größte Nachwuchstalent seiner Sportart.

Der Blick bleibt an ihm kleben, wenn man Duplantis springen sieht, wie gerade bei der Leichtathletik-WM in London. Deutlich jünger, deutlich schmaler als die Konkurrenz, mit einem Blick, als müsste er die ersten zwanzig Stellen von Pi laut vor der Klasse aufsagen. Mit 17 Jahren und 271 Tagen ist er der jüngste Stabhochspringer, der es je ins Finale einer WM geschafft hat (Dienstag, 20.35 Uhr im SZ-Liveticker).

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Schüchtern kann das Talent bisweilen wirken, doch der Welpenblick täuscht. Als eine Reporterin ihn fragte, ob in der Qualifikation der "Stress mental belastend gewesen sei", lachte er und antwortete schlagfertig: "Ich denke, Stress ist immer mental belastend."

Stabhochsprung ist technisch eine der anspruchsvollsten Sportarten, umso erstaunlicher ist Duplantis' sportliche Reife. Mit seinem Erfolg in London löst er einen gewissen Sergej Bubka ab, der 1983 mit 19 Jahren und 253 Tagen den Sport eroberte und ihn über viele Jahre prägte. Im April twitterte Bubka ein Foto von sich und Duplantis, mit dem Satz: "Es ist so schön, einen neuen Star heranwachsen zu sehen."

"Er ist aus seinem Kokon geschlüpft"

An diesem 1. April 2017 schickte Duplantis einen Gruß an die Größen seines Sports: Er hatte 5,90 Meter überquert, das war neuer U20-Weltrekord und Weltjahresbestleistung. Bei den Olympischen Spielen in Rio hätte er damit Bronze gewonnen, vor dem Amerikaner Sam Kendricks. Der ist ein Fan von Duplantis, "er ist dieses Jahr aus seinem Kokon geschlüpft", sagte Kendricks der New York Times, Duplantis sei nun ein "freakin butterfly", ein verrückter Schmetterling. Der Nachwuchsspringer ist beliebt in der Szene. "Er ist jung und sehr talentiert und ein sympathischer Typ", sagte Olympiasieger Renaud Lavillenie nun in London, "ich wünsche ihm das Beste. Aber vielleicht könnte er sich noch ein bisschen hinter mir einreihen, das wäre großartig."

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Von Lavillenie, dem Weltrekordhalter, hat Duplantis Poster in seinem Zimmer hängen, eine signierte Biographie steht im Regal. Während der Qualifikation in London am Sonntag gab ihm der Franzose Tipps. Es lief zu Beginn nicht so gut für Duplantis, erst im dritten Versuch schaffte er die erforderlichen 5,70 Meter. Das erste Mal auf der großen Bühne zu stehen, ist auch für einen, der mit sieben den ersten Weltrekord in seiner Altersstufe aufstellte, etwas Beeindruckendes. "Es war ganz schön stressig", gab Duplantis danach zu und schnaufte erleichtert, "ich bin froh, dass ich die erste Quali hinter mich gebracht habe". Dass er ohne die Tipps seines Idols vielleicht gar nicht im Finale wäre, gab er noch zu: "Ich saß neben ihm, er hat mich beruhigt und gesagt: Man einfach dein Ding, wie die ganze Saison lang schon. Das hat dann funktioniert."

Duplantis hält Weltrekorde aller Altersstufen zwischen sieben und zwölf Jahren, sein Anspruch: "Ich will der Beste sein, den es jemals gegeben hat." Nun muss er sich bei den Großen beweisen, Kendricks sprang in diesem Jahr schon über sechs Meter, auch Lavillenie ist nicht nur Erfahrungsweltmeister, sondern auch ein Favorit auf den WM-Titel.

Training an einer Highschool

Das US-Fachmagazin Track and Field ehrte Duplantis im Frühjahr mit einem Bild auf der Titelseite, eine Auszeichnung für jeden Leichtathleten. Natürlich springt er längst nicht mehr im heimischen Vorgarten, er trainiert an einer Highschool in Louisiana. Da seine Mutter einst aus Schweden in die USA einwanderte, hatte Duplantis die Wahl, ob er für das Land antreten wollte, in dem er lebt oder für das, in dem er zahlreiche Sommermonate verbrachte. 2015 entschied er sich für Schweden, auch aus strategischen Gründen: Die Konkurrenz um WM-Tickets ist dort deutlich kleiner. Eine Entscheidung, die ihm in den USA kaum jemand übel zu nehmen scheint. "Das ist eine sehr professionelle Sicht auf die Dinge", sagt Sam Kendricks.

Seiner Sprunganlage im Vorgarten ist Duplantis längst entwachsen, zu gefährlich, sagt Vater Greg, der selber einst 5,80 Meter hoch sprang. Doch für Späße nutzt der 17-Jährige sie noch: Zuletzt stellte er sich auf ein Hoverboard, fuhr los und katapultierte sich mit dem Stab über die Latte. Natürlich erfolgreich.

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