Leichtathletik:Plötzlich ohne Saft

Lesezeit: 2 min

Ungewohnte Aussicht: Christina Hering (hinten) muss in Dortmund vier Rivalinnen überholen lassen. (Foto: Gladys Chai von der Laage/Imago)

Bei den deutschen Hallenmeisterschaften in Dortmund erlebt die Titelverteidigerin Christina Hering einen rätselhaften Einbruch.

Von Andreas Liebmann, München

Das Stromkabel hinter ihr müsste 650 Meter lang gewesen sein. Denn nach 650 Metern, so erinnerte sich Christina Hering später, sei es so gewesen, als hätte ihr jemand "den Stecker gezogen". Ratsch. Plötzlich "out of order", so empfand es die 26-jährige Münchnerin. An die letzten 150 Meter, bis zu denen sie in Führung lag, habe sie keine Erinnerung mehr.

Es ist auf den letzten Metern bei den deutschen Meisterschaften in Dortmund auch nichts passiert, an das sich die 800-Meter-Läuferin von der LG Stadtwerke gerne erinnern würde. Die spätere Siegerin Tanja Spill zog an ihr vorbei, dann Majtie Kolberg, Sarah Schmidt, die Zweite wurde, und auf der Zielgeraden sogar noch die schon weit abgehängte Nele Weßel. Dabei ist die Zielgerade sonst Herings Stärke, da werden ihre Beine gerne mal 2,70 Meter lang. Am Sonntag verhinderte die Ziellinie, der sie entgegentrudelte, dass auch noch der letzte Rest des Feldes an ihr vorbeizog. Rang fünf also. Es war ein ungewöhnlicher Aussetzer für Hering, die über drei Viertel des Rennens die Führungsarbeit erledigt hatte und auf Kurs zu liegen schien, um in diesem letzten Versuch die Norm für die Hallen-EM Anfang März im polnischen Torun abzuhaken; und die auf ihrer Lieblingsstrecke seit 2014 fast jede deutsche Meisterschaft gewonnen hat, sechs Mal im Freien, fünf Mal in der Halle.

Bundestrainer Knauer vermutet, dass es sich um die Spätfolgen einer Fußverletzung handelte

Christina Hering erinnerte selbst daran, dass sie schon einmal einen solchen Einbruch erlebt hat, bei der Weltmeisterschaft in Doha 2019, doch damals gab es eine Erklärung, Probleme mit der Hitze. Diesmal blieb Hering ratlos, auch am Tag danach. Eigentlich, sagte sie, sei sie doch gut in Form. Wobei: Wer genau hinsah, bemerkte schon nach etwa einer Minute, wie der Kopf der Favoritin stärker zu wackeln begann, wie sie kämpfte, statt locker zu laufen. Bundestrainer Andreas Knauer äußerte hinterher die Ansicht, dass sich trotz zuletzt ordentlicher Ergebnisse jene Defizite bemerkbar machten, die Hering eine Fußverletzung im Herbst einbrachte: "Die sind noch nicht ausgeglichen."

Während aus Münchner Sicht Sprinterin Amelie-Sophie Lederer mit ihrem 60-Meter-Titel alles überstrahlte und Kugelstoßer Christian Zimmermann vom Kirchheimer SC mit persönlichem Bestwert von 20,09 Meter über Silber jubelte, lief es für die Mittelstreckengruppe der LG Stadtwerke suboptimal: Auch Katharina Trost, die auf die 1500-Meter-Distanz gewechselt war, haderte beim Sieg der Hindernis-Spezialistin Gesa Felicitas Krause am Sonntag mit Rang drei. Die aktuelle Hallen-EM-Norm über 800 Meter hat nun keine Deutsche erreicht. Da für diesen Fall auch ältere Freiluftleistungen berücksichtigt werden, ist zumindest nicht ausgeschlossen, dass Trost und Hering trotzdem in Torun über 800 Meter starten dürfen. Genau darauf, sagt Hering, hoffe sie nun. Um dieser Hallensaison noch einen anderen Abschluss zu geben.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: