Irgendwann tauchte auch Yannick Wolf noch auf. Gut gelaunt, sein Jetlag überwunden, sah er entspannt dem 100-Meter-Finale beim internationalen Ludwig-Jall-Sportfest zu. Er wäre vermutlich auch selbst gerne mitgelaufen. Stattdessen verfolgte der Münchner Sprinter oben auf der Tribüne des Dantestadions anerkennend, wie Fabian Olbert, sein langjähriger Vereinskollege bei der LG Stadtwerke München, förmlich herausschoss aus dem Startblock. Olbert wurde zwar noch vom Nigerianer Enoch Adegoke überholt, konnte gegen dessen Landsmann Folawiyo Olaoye aber immerhin Rang zwei dieses weltranglistenrelevanten Leichtathletik-Meetings verteidigen.
Wolf nickte kurz, dann fügte er schmunzelnd an: "Hauptsache, mein Meeting-Rekord steht noch."
Wolfs Rekord in München ist ein Jahr alt, er liegt bei 10,30 Sekunden. Der ehemalige afrikanische Juniorenmeister Adegoke lief am Samstag 10,48, Olbert 10,71, trotz Knieproblemen. In Wirklichkeit beschäftigten Yannick Wolf am Tag vor seinem 24. Geburtstag natürlich ganz andere Dinge. Für viele der 702 Starter war es der Auftakt in die Freiluftsaison, für einige - wie Wolf - sind es zwei Großereignisse, auf die in dieser Saison alles zulaufen soll: die EM Mitte Juni in Rom und die Olympischen Spiele im August. Hochspringer Tobias Potye sei natürlich "unser Topfavorit", blickte der neue LG-Chef Jacob Minah am Samstag voraus, zudem hoffe man auf die Läuferin Christina Hering und eben die Sprinter, Aleksandar Askovic und vor allem Yannick Wolf.
In den nächsten Tagen will sich Yannick Wolf unbedingt auch für einen Einzelstart in Paris empfehlen
Das Sportfest-Programm war wie immer bunt gemischt. Der Nachwuchs präsentierte sich, das Publikum feuerte die Para-Athleten an. Die Topereignisse standen unter dem Vorbehalt, dass es für die Besten der Münchner Leichtathletik-Gemeinschaft nun mal wichtiger ist, die Kräfte zu dosieren, als sich zwingend dem Heimpublikum zu präsentieren. Potye war nicht gemeldet, Askovic beschränkte sich auf einen Vorlauf und die Staffel, die 800-Meter-Spezialistin Hering startete über 200 und 400 Meter. Während ihre Konkurrentin Micha Powell über 400 Meter wegen Magenproblemen passen musste, wurde Hering dort Zweite hinter der Münchner Vereinskollegin Irina Gorr. Über 200 Meter probierte es Powell dann und siegte, Hering wurde Neunte.
Es gehe nun Schlag auf Schlag, zählte Wolf auf: Meeting in Leverkusen, Rom, deutsche Meisterschaft, Paris. Er ist gerade erst zurück vom Training in Florida und von der anschließenden Staffel-Weltmeisterschaft auf den Bahamas, wo er dazu beitrug, dass die deutsche 4×100-Meter-Staffel ein Olympiaticket hat. Aber er will schon auch einen Einzelstart für Paris. In den kommenden Tagen hat er zwei Wettkämpfe, in denen er dafür die Norm schaffen will. In der Staffel wisse man schließlich nie, wer am Ende aufgeboten werde, sagte er. Außerdem hat Wolf im Hinblick auf die Staffel schon einiges erlebt. Bei der WM 2023 in Budapest stand er schon bereit im Vorlauf, hatte als Schlussläufer die Hand nach hinten gestreckt, doch der Stab kam nie bis zu ihm, er fiel bereits beim zweiten Wechsel zu Boden. Es war Wolfs erstes Großereignis, und dann durfte er nicht mal losrennen.
Auf den Bahamas lief es fast genauso, es war ein grausiges Déjà-vu, nur dass es dort eine zweite Chance gab - und die nutzte das DLV-Quartett. Trotzdem: Wolf hat seine Ausbildung bei der Polizei hinter sich, er kann sich nun erstmals ganz auf die Sportkarriere konzentrieren, deshalb will er auch im Einzel einiges erreichen. In den 4×100-Meter-Staffeln am Samstag gab es auch ohne ihn Münchner Siege. Die Männer mit Olbert und Askovic liegen mit 40,88 Sekunden erst mal auf Rang zwei der deutschen Jahresbestenliste.