Leichtathletik-EM:Messfehler, Proteste, Korrekturen

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Hatte unter dem Durcheinander zu leiden: Silber-Gewinner Fabian Heinle. (Foto: REUTERS)
  • Das Weitsprung-Finale der Männer bei der Leichtathletik-EM wird von Messfehlern und Protesten geprägt.
  • Nun stellt sich die Frage: Was muss geschehen, damit sich solche Bilder nicht wiederholen?
  • Hier geht es zum Zeitplan der Leichtathletik-EM.

Von Joachim Mölter, Berlin

Von den Leichtathletik-Europameisterschaften aus Berlin nimmt Fabian Heinle eine Silbermedaille als Souvenir mit heim nach Schwaben - und womöglich auch ein Thema für seine Bachelor-Arbeit. Der 24-Jährige studiert an der Hochschule in Esslingen Technische Informatik, und beim Weitsprung-Wettbewerb der Männer im Berliner Olympiastadion ergaben sich am Mittwochabend Probleme, deren Lösung unter Umständen Ansätze für eine ausgiebige wissenschaftliche Beschäftigung bietet. Es kann allerdings sein, dass sich die Probleme auch ganz einfach beheben lassen.

Als die Weitspringer am frühen Abend zu ihrem Finale antraten, landeten sie jedenfalls in einem Durcheinander, was die gemessenen Weiten anging. Der Wettbewerb zog sich deswegen schon im Olympiastadion lange hin, die Entscheidung dauerte sogar noch länger. Nachts um halb zwei bekam Fabian Heinle die Bestätigung, dass er Zweiter geworden war - da hatte die Jury des europäischen Verbandes EAA den letzten Protest abgearbeitet.

"Das ist unsäglich für die Athleten"

Das Übel war, dass die von einigen Springern gefühlten Weiten nicht zu den Daten passten, welche mittels Videotechnik ermittelt worden waren. So war Heinle nach seinem vierten Versuch aus der Sandgrube geklettert in der Überzeugung, einen Acht-Meter-Sprung abgeliefert und damit wieder die zwischenzeitliche Führung übernommen zu haben - auf den Bildschirmen leuchteten aber 7,77 Meter auf. Auf Anraten seines Trainers Tamas Kiss legte der Athlet des VfB Stuttgart umgehend Protest ein und forderte eine Nachmessung - die ergab, unter Vorbehalt, 8,02 Meter.

Leichtathletik-EM
:Pannen beim Weitsprung: "Sie haben Schatten gemessen"

War der Sprung nicht deutlich weiter? Bei der Leichtathletik-EM in Berlin ist der Ärger nach dem Mess-Chaos groß. "Unsäglich", klagt Bundestrainer Florczak: "Man fühlt sich nicht mehr sicher."

Es war nicht die erste Korrektur an diesem Abend gewesen und auch nicht die letzte. Der Albaner Izmir Smajlaj hatte sich nach den ersten drei Sprüngen des Vorkampfs zunächst ins Finale protestiert, das dann mit neun statt der üblichen acht Teilnehmer über die Bahn ging; später wurden seine Leistungen wieder annulliert. Auch der Schwede Thobias Nilsson argumentierte vergebens, dass sein letzter Versuch weiter gewesen sei als die 8,10 Meter, mit denen er schließlich auf Platz vier eingereiht wurde, und auch weiter als jene 8,13 Meter, mit denen Heinle die Position hinter dem siegreichen Griechen Miltiadis Tentoglou (8,25) behauptete.

"Das ist unsäglich für die Athleten, die Trainer und auch die Zuschauer", fand Uwe Florczak, der zuständige Bundestrainer im Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV). Für das Chaos bei der Weitenmessung machte er freilich nicht nur die Technik verantwortlich, sondern schon auch die Menschen: Die Kampfrichter hätten wegen der untergehenden Sonne offenbar nicht den letzten Abdruck der Athleten im Sand fokussiert im Videosystem - "sie haben Schatten gemessen", glaubt Florczak.

Silber-Gewinner Heinle jubelt eher im Stillen

Nun könnte man so eine Panne launig abtun mit dem Hinweis, dass die EM ja in Berlin stattfinde, da hat gefälligst nicht alles zu funktionieren. Aber "es ist ja nicht nur in Berlin passiert", gibt Florczak zu bedenken, "sondern schon vorher in Zürich oder London". Bei der EM 2014 in Zürich war Melanie Bauschke von ähnlichen Umständen betroffen gewesen, erinnerte sich Heinle: Die Berlinerin war von 6,79 Meter und einem Medaillenplatz auf 6,55 und Rang sechs heruntergestuft worden. Trainer Florczak plädierte jedenfalls dafür, den letzten Abdruck im Sand wie früher mit einem Messstab zu markieren. "Damit wäre mir deutlich wohler", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Alternativ bietet sich auch ein gutes, altes Maßband an.

Fabian Heinle verfolgte das Prozedere und die Protestiererei im Übrigen genauso gelassen wie er später die Silbermedaille zur Kenntnis nahm. Viel gelassener übrigens auch als Christina Schwanitz, die Favoritin im Kugelstoß-Finale, die im letzten Versuch von der Polin Paulina Guba überflügelt wurde (19,33 m) und ebenfalls Silber gewann (19,19). "Ich freue mich innerlich schon. Ich zeige es halt nicht so arg", sagte Heinle und versicherte: "Das wird nicht besser bei Gold." Auch seine sportlichen Aussichten analysiert er nüchtern. Dass er mit seinen 1,89 Metern und 71 Kilo eher zu den schnelleren und leichteren Weitspringern zählt, "muss kein Nachteil sein", findet er; es bedeute aber auch nicht, dass er deswegen schneller und leichter in die Weltspitze vordringt. "Ich bezweifle, dass ich mit meinen 8,13 Metern bei einer WM ins Finale komme", sagt er; selbst von seiner aktuellen Bestleistung von 8,25 Meter aus dem Jahr 2015 ließen sich die Spitzenspringer nicht beeindrucken, glaubt er: "Die lächeln da nur kurz und sind dann einen halben Meter weg."

Für ihn soll es irgendwann mal in Richtung 8,40 Meter gehen, "das kann passieren, wenn mal einer rausrutscht", glaubt der deutsche Meister. "8,30 Meter wären da erst mal der nächste Schritt", kalkuliert er. Dazu tüftelt Heinle jetzt erst einmal daran, eine höhere Anlaufgeschwindigkeit aufs Brett zu bringen, wie die Weitspringer sagen. Danach kann er sich dann ja immer noch um die Optimierung der Technischen Informatik bei der Weitenmessung kümmern. Er kann aber auch einfach ein Maßband empfehlen.

© SZ vom 10.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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