Doping:Leichtathletik: Anti-Doping-Agentur will Russland aussperren

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Der Leichtathletik in Russland droht das Ende (Foto: dpa)
  • Die Ermittlungskommision der Wada kommt zu dem Ergebnis, dass in der russischen Leichtathletik "die Akzeptanz von Betrug auf allen Ebenen und seit langem verbreitet ist".
  • Der Betrug soll durch einige russische Ärzte und Laborpersonal in Zusammenarbeit mit Trainern systematisch erfolgt sein.
  • Deshalb empfiehlt die Kommission, den Leichtathletik-Verband aus dem Weltverband auszuschließen.
  • Der Bericht bestätigt zudem Korruption und Bestechung auf der höchsten Ebene der internationalen Leichtathletik.

Mit der Forderung nach drakonischen Strafen und schweren Vorwürfen bis in russische Regierungskreise hinein hat die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada auf die Dopingaffäre in Russland reagiert. Die Ermittlungskommission der Wada empfahl am Montag in Genf, Russland aus dem Leichtathletik-Weltverband auszuschließen und fünf Athleten sowie fünf Trainer auf Lebenszeit zu sperren. Das Kontrolllabor in Moskau soll geschlossen, dessen Direktor abgelöst werden. Dem russischen Sportminister Witali Mutko wurde vorgeworfen, er solle angeordnet haben, "bestimmte Dopingproben zu manipulieren".

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Ließ der frühere Chef der Welt-Leichtathletik gedopte Athleten erpressen? Ein Bericht könnte russische Medaillengewinner von 2012 in große Schwierigkeiten bringen.

Von Johannes Knuth

Das Gremium war eingesetzt worden, um die in einer ARD-Dokumentation erhobenen Vorwürfe über Doping im russischen Spitzensport zu untersuchen. In dem Film "Geheimsache Doping - Wie Russland seine Sieger macht" waren am 3. Dezember 2014 geheime Aufzeichnungen in Bild, Ton und Schrift mit Hinweisen auf staatlich unterstütztes Doping präsentiert worden. Im Hintergrund soll offenbar ein Betrugs- und Vertuschungsapparat gewirkt haben.

Die Kommission wird vom früheren Wada-Chef Richard W. Pound geleitet. Dem Gremium gehören zudem der anerkannte Sportrechts-Experte Richard McLaren und der deutsche Kriminalbeamte Günter Younger an. In diesem Jahr wurden zahlreiche russische Leichtathleten wegen Dopings gesperrt; Verbandspräsident Valentin Balachnitschew trat Mitte Februar von seinem Amt zurück.

Russland nennt Forderungen "politisch motiviert"

Die russische Leichtathletik-Olympiasiegerin Maria Sawinowa sollte laut Wada-Untersuchungskommission lebenslang gesperrt werden. Neben Sawinowa, die 2012 in London über 800 m Olympia-Gold gewonnen hatte, sollen vier weitere russische Athleten wegen systematischen Dopings lebenslang gesperrt werden. Darunter befindet sich auch Ekaterina Poistogowa, die in London Bronze über 800 m gewonnen hatte. "Es ist schlimmer, als wir gedacht haben", sagte Pound. Der Kanadier legte am Montag seinen Bericht zu den Dopingvorwürfen gegen Russland vor. Demnach seien die Olympischen Spiele in London sabotiert worden, weil Dopingvergehen im Vorfeld der Wettbewerbe vom russischen Verband Araf nicht sanktioniert wurden.

Im Zuge des Doping-Skandals prüft IAAF-Präsident Sebastian Coe (59) Sanktionen gegen den russischen Leichtathletik-Verband IAAF. "Die Information aus dem Bericht der unabhängigen Untersuchungskommission der Wada ist alarmierend. Wir benötigen Zeit, um die detaillierten Ergebnisse des Berichtes vollständig zu verarbeiten und zu verstehen", sagte Coe in einer ersten Stellungnahme: "Ich habe jedoch das Council aufgefordert, Sanktionen gegen die Araf (russischer Leichtathletik-Verband, d. Red.) zu prüfen."

Russland hat die Forderung der Wada in ersten Reaktionen als politisch motiviert zurückgewiesen. Zugleich wies Sportminister Witali Mutko am Montag in Moskau darauf hin, dass die Wada zwar Empfehlungen aussprechen könne, aber niemanden selbst von Wettbewerben ausschließen könne. "Das ist eine politisch motivierte Erklärung aus der Reihe von Sanktionen gegen Russland", sagte Wladimir Ujba, Leiter des russischen Kontrolllabors. Dem Moskauer Labor soll nach den Empfehlungen die Wada-Akkreditierung entzogen werden.

  • Tief verwurzelte Betrugskultur. "Die Untersuchung zeigt, dass die Akzeptanz von Betrug ist auf allen Ebenen und seit langem verbreitet ist." Eine fundamentale mangelhafte Einstellung für die Akzeptanz von Anti-Doping-Anstrengungen sei "tief in der russischen Leichtathletik verwurzelt". Gerechtfertigt werde dies durch die Annahme, dass alle anderen auch betrügen würden.
  • Ausbeutung von Athleten. Unethisches Verhalten sei zur Norm geworden. Die Ausbeutung von Athleten für Medaillen und finanziellen Erfolg sei in der russischen Leichtathletik weit verbreitet. Die Athleten waren oft willige Teilnehmer, allerdings gebe es auch dokumentierte Fälle, in denen Athleten, die nicht Teil des Programms werden wollten, nicht für die russische Nationalmannschaft nominiert worden seien.
  • Betrug durch Athleten. Der Report stellt dar, dass es systematischen Dopingbetrug bei russischen Athleten gegeben hat. Darüber hinaus stellt der Bericht fest, dass es ein hoher Prozentsatz der Athleten nicht mit der Kommission zusammenarbeiten wollte. Viele Athleten gaben darüber hinaus nur unzureichend Auskunft über ihren Aufenthaltsort.
  • Beteiligung von Ärzten, Trainern und Laborpersonal an Dopingbetrug: Der Bericht bestätigt, dass einige russische Ärzte und Laborpersonal in Zusammenarbeit mit Trainern systematischen Betrug ermöglichten. Im Moskauer Anti-Doping-Labor sollen mut- und böswillig mehr als 1400 Proben zerstört worden sein, nachdem die Wada Zielkontrollen angeordnet hatte. Auch wurden Teststandards nicht eingehalten.
  • Korruption und Bestechung innerhalb der IAAF. Der Bericht bestätigt Korruption und Bestechung auf der höchsten Ebene der internationalen Leichtathletik. Die Beweise dafür seien an Interpol übermittelt worden, die Veröffentlichung soll bis zum Ende des Jahres geschehen. Zunächst sollen die Entscheidungen der Untersuchungsbehörden abgewartet werden.

Die wichtigsten Empfehlungen der Kommission:

  • Ausschluss des russischen Leichtathletik-Verbandes Araf aus dem Weltverband IAAF.
  • Schnellstmöglicher Entzug der Akkreditierung des Moskauer Anti-Doping-Labors und "permante" Absetzung des Direktors Gregory Rodschenkow. Das Moskauer Labor sei nicht in der unabhängig zu handeln.
  • Empfehlung der Wada an das IOC, keine Teilnahme russischer Leichtathleten an internationalen Wettbewerben zuzulassen, bis die Araf als regelkonform mit dem Wada-Code bezeichnet werden kann.
  • Lebenslanger Ausschluss russischer Sportfunktionäre, die an dem systematischen Betrug beteiligt waren. Darunter auch Sergej Portugalow, Chef der Araf-Medizinkommission.
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