LeBron James:Die Ein-Mann-Naturgewalt

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Muskeln, Körperlänge, Körperbeherrschung: LeBron James ist als Basketballer ein Phänomen. (Foto: AP)
  • Das Konzept des NBA-Klubs Cleveland Cavaliers, alles auf LeBron James auszurichten, geht voll auf.
  • Der stilprägende Spieler dominiert bislang die Playoffs und gewinnt seinem Team ein Spiel nach dem anderen.
  • Amerika fragt sich: Kann ihn wirklich niemand aufhalten?

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Am Montagabend stieg LeBron James mit ausgebreiteten Armen und nach hinten geworfenem Kopf auf diesen Tisch neben dem Spielfeld, so wie er das nach bedeutenden Siegen der Cleveland Cavaliers immer macht. Die Erlöserpose des Einzelnen wirkt in einer Mannschaftsdisziplin wie Basketball befremdlich, und es hatten während der Partie gegen die Toronto Raptors noch elf weitere Cavaliers-Akteure auf dem Parkett gestanden - aber es stimmt schon: Die Kollegen hatten während des 128:93- Sieges oft nur sehr erlesene Stehplätze gehabt.

Die Cavaliers haben die Raptors in den vier Partien dieser Best of 7-Serie gedemütigt, und ein paar Zahlen illustrieren den Anteil von James daran: Kyle Lowry und DeMar DeRozan, Torontos Starspieler, kamen gemeinsam auf insgesamt 111 Punkte, 30 Rebounds und 46 Zuspiele; James schaffte alleine 126 Zähler, 36 Rebounds und 42 Assists. Er war, statistisch zumindest, so prägend wie die beiden besten Spieler des Gegners zusammen. In Wirklichkeit war er wie schon in der spannenden ersten Runde gegen die Indiana Pacers (4:3) noch viel dominanter.

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Vielleicht deshalb lieber die beiden Momente, wegen denen die Beobachter in den Playoffs dieser NBA-Saison noch begeisterter von James sind als ohnehin schon: Gegen die Indiana Pacers stand es wenige Sekunden vor dem Ende der fünften Partie 95:95. James bekam den Ball in der gegnerischen Spielhälfte, er dribbelte, er warf, er traf. Elf Tage später war das dritte Spiel gegen die Raptors kurz vor Schluss ausgeglichen. James bekam den Ball an der eigenen Grundlinie, er dribbelte nach vorne, er warf, er traf.

Natürlich braucht es für solche siegbringenden Würfe immer auch ein bisschen Glück, doch ist James in den vergangenen Jahren zu erfolgreich gewesen, um es als Wohlwollen der Natur abzutun. Sollten die Cavaliers auch das Halbfinale gewinnen (der Gegner wird zwischen den Boston Celtics und den Philadelphia 76ers ermittelt, die Celtics führen vor der Partie am heutigen Mittwoch mit 3:1), dann würde James zum achten Mal nacheinander die NBA-Finalserie erreichen. Drei Mal hat er bereits gewonnen, 2012 und 2013 mit Miami Heat und vor zwei Jahren mit Cleveland, und es gibt Leute, die fest daran glauben, dass jede der 30 NBA-Franchises mit James im Kader um den Titel spielen könnte.

Wie macht der das - und warum hält ihn niemand auf?

Das führt zu den Fragen: Wie macht der das - und warum hält ihn niemand auf? Das Offensivsystem der Cavaliers lässt sich vereinfacht beschreiben mit: "Gebt James den Ball und geht aus dem Weg." Ein typischer Spielzug sieht so aus: James dribbelt nach vorne und überprüft die Defensive des Gegners, irgendwann pflügt er als Ein-Mann-Naturgewalt zum Korb.

Sollte er dabei nicht aufgehalten werden - und er wird aufgrund seiner Explosivität und Balance nur sehr selten aufgehalten -, dann schließt er selbst ab; sollten ihm allerdings drei Gegenspieler begegnen, dann passt er zu einem Kollegen, der ihm aus dem Weg gegangen ist und nun entweder aus kurzer Distanz vollenden oder freistehend von jenseits der Drei-Punkte-Linie werfen darf. Das sieht oftmals schrecklich aus, es ist jedoch schrecklich effektiv, weil James umsichtige Aus-dem-Weg-Geher und treffsichere Schützen wie Kevin Love, George Hill oder Kyle Korver an seiner Seite hat. Der Cavaliers-Kader gehört zum Erleseneren in der NBA.

James ist zwar jeweils fast die komplette Spieldauer dabei, gönnt sich dabei aber Pausen. Nur wenige Akteure schaffen eine niedrigere Durchschnittsgeschwindigkeit (5,93 Kilometer pro Stunde) und einen höheren Anteil an Spaziergängen (78,7 Prozent). Bei den entscheidenden Aktionen gegen Indiana und Toronto allerdings, da war James jeweils der Flinkste auf dem Parkett, er selbst sagt dazu: "Ich versuche vor allem in der zweiten Halbzeit die Energiespeicher aufzufüllen, damit ich voll da bin, wenn ich wirklich gebraucht werde."

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James, 33, steht in seiner 15. Profisaison, er ist erfahren genug, um die entscheidenden Momente einer Partie zu erkennen. Er sagte kürzlich, und das klang zunächst verwirrend: "Zwei Punkte sind nicht zwei Punkte. Ich weiß schon, dass die Trainer einem das immer andersrum einreden wollen, aber das stimmt nicht: Zwei Punkte sind nicht zwei Punkte."

Was er damit erklären wollte: Er gönnt einem Gegenspieler in einer Situation, die er selbst nicht als besonders wichtig einstuft, womöglich einen leichten Korberfolg für zwei Punkte - verteidigt jedoch dann intensiv oder wirbelt in der Offensive, wenn er mit diesen erzielten (oder verhinderten) zwei Punkten Mitspieler und Fans elektrisieren kann. Zwei Punkte sind eben nicht immer nur zwei Punkte.

Anders als James erkennen viele herausragende Basketballer diese entscheidenden Augenblicke einer Partie nicht. DeRozan, neben James und James Harden (Houston Rockets) der einzige ernsthafte Kandidat für die Auszeichnung zum wertvollsten Spieler der Saison, fiel gegen Cleveland mit grotesken Fehlwürfen und -pässen auf, das Ende der dritten Partie erlebte er wegen Ineffizienz von der Ersatzbank aus, das Ende des vierten Spiels in der Umkleidekabine nach einem Hinauswurf wegen eines Frustfouls.

Er sah nicht mehr, wie sich James in Erlöserpose feiern ließ und dass George Hill wie ein Apostel zu ihm aufsah. Hill war erst im Februar zu den Cavaliers gewechselt, und er sagte nach dieser Serie: "Jahrelang habe ich gegen diesen Typen gespielt. Ich habe alles dafür getan, gegen ihn zu gewinnen, doch es hat einfach nicht geklappt. Es ist schön, endlich mal auf seiner Seite zu agieren." Er weiß: Zwischen einem fantastischen Basketballspieler und LeBron James, da liegt derzeit ein Universum.

© SZ vom 09.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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