Kugelstoßer David Storl:Muskelmann als Trendsetter

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Positives Auftaktsignal für den Rest des Leichtathletik-Teams: David Storl gewinnt Silber im Kugelstoßen, weil er im richtigen Moment eine persönliche Bestleistung schafft. Obwohl der Olympiasieg letztlich an einen Polen geht, freut sich der Deutsche über Platz zwei - sein Erfolg könnte auch andere Athleten zu großen Leistungen beflügeln.

Jürgen Schmieder, London

David Storl war sich der Dimension seiner Leistung gar nicht bewusst. Der Kugelstoßer hatte Silber mit der persönlichen Bestweite von 21,86 Metern gewonnen, also sagte er, dass er Silber mit persönlicher Bestweite gewonnen hatte - was auch sonst? Er sagte auch noch, dass er darüber sehr glücklich sei. Darüber, dass er nun ein Zeichen gesetzt hatte für die Kollegen, dass er mit dieser Medaille alle deutschen Leichtathleten mitreißen könnte, sagte Storl nichts.

Natürlich gibt es Menschen, die behaupten, es sei kompletter Blödsinn, wenn man annehmen würde, dass die Leistung des einen Athleten davon abhänge, ob der andere eine Medaille gewinnt. Tritt der Speerwerfer gelöster auf, nur weil der Kugelstoßer eine gute Leistung gezeigt hat? Spielen die Hockey-Frauen verkrampft, nur weil die Hockey-Herren verloren haben?

Es gibt aber auch Menschen, sie arbeiten meist bei Fernsehsendern oder Zeitungen, die in jeder Medaille oder in jedem misslungenen Wettbewerb einen Trend sehen, der sich zunächst auf die komplette Sparte und anschießend auf sämtliche deutsche Athleten übertragen lässt. Sie fragen dann jeden Sportler, wie groß der Druck sei, nun endlich die erste Medaille für die deutsche Delegation holen zu müssen. Womöglich verkrampft der Athlet erst, wenn er diese Frage hört - das ist dann eine sich selbst erfüllende Prophezeihung.

Bei den Schwimmern war es in dieser Woche so gewesen: Da schieden Paul Biedermann und die Frauen-Staffel aus. Sogleich wurde ein Trend ausgerufen, dass die deutschen Schwimmer nicht gut genug seien, um mit den Besten der Welt zu konkurrieren - und am Ende waren die deutschen Schwimmer wirklich nicht gut genug. So gesehen ist die Medaille von Storl beim Kugelstoßen natürlich grandios. Und weil auch die anderen Leichtathleten an diesem Tag ordentliche Leistungen zeigten, dürfte nun alles in Ordnung sein an der Trend-Front.

Storl lieferte sich einen packenden Wettkampf mit Tomasz Majewski. Der Deutsche legte 21,86 Meter vor, der Pole konterte sogleich mit einem Wurf, der genau einen Zentimeter weiter war. Storl hatte in der Vergangenheit - bei der WM 2011 in Daegu etwa - bewiesen, dass er durchaus auch mit dem letzten Stoß noch nach vorne rücken kann, doch an diesem Abend gelang das nicht.

Silber für Kugelstoßer David Storl
:"In vier Jahren bin ich dran"

Er ist Weltmeister, Europameister und trägt nun die olympische Silbermedaille um den Hals: Kugelstoßer David Storl ist erst 22 Jahre alt, hat noch alles vor sich - und doch schon so viel erreicht. Der Wettkampf in Bildern.

"Ich hätte natürlich im letzten Versuche gerne noch mal gekontert", sagte der Sachse danach, "aber meine Wade war total verkrampft, ich konnte mich nicht mehr richtig abdrücken." Statt dessen erreichte Majewski eine noch größere Weite, so dass Storl nicht mit einem, sondern mit drei Zentimetern Unterschied verlor. "Das ist so ein kleines Stückchen", meinte der 22-Jährige.

Muskelmann mit Silber: Kugelstoßer David Storl.  (Foto: AFP)

Vor Storls Wettkampf zeigten andere deutsche Athleten bereits herausragende Leistungen. Siebenkämpferin Lilli Schwarzkopf etwa präsentierte bei den vier Disziplinen am Freitag zwei persönliche Bestleistungen und zwei Saisonbestmarken. Sie liegt vor dem dritten Tag auf Rang acht, hat allerdings gerade einmal 48 Punkte Rückstand auf den dritten Rang - und am zweiten Tag findet ihre Lieblingsdisziplin statt, das Speerwerfen.

Weitspringer Sebastian Bayer erreichte mit einer Weite von 7,92 Meter das Finale ebenso wie Diskuswerferin Nadine Müller mit 65,89 Metern. Carsten Schlangen das Halbfinale über 1500 Meter, Verena Sailer das Halbfinale über 100 Meter. Dass Weitspringer Christian Reif ausschied und Sabrina Mockenhaupt über 10.000 Meter recht weit hinter der Siegerin Tirunesh Dibaba ins Ziel kam? Kann mal passieren, nicht so schlimm - Storl hatte ja Silber geholt.

David Storl erklärte dann übrigens noch, was er von der These hält, dass der Gewinn einer Medaille oder das Ausscheiden Auswirkungen auf andere Sportler haben könnte. Storl ist nämlich mit der Kanutin Karolin Leonhardt liiert. Die geht am 6. August im Vierer-Kajak an den Start. Auf die Frage, ob diese Medaille zusätzlich motivieren würde, gab er nicht die übliche Sportler-Antwort ("Ja, sicher.")

Er legte erst die Stirn in Falten, guckte ein wenig gelangweilt. Dann sagte er, dass er glücklich sei, Silber mit persönlicher Bestweite gewonnen zu haben. Er fügte hinzu: "Ich glaube, dass sie auch glücklich darüber ist."

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