Doping im Schwimmen:Ermutigt zum Betrügen

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Julija Jefimowa: Erst wegen Dopings gesperrt, dann reichtzeitig zur WM wieder zugelassen (Foto: AP)

21 russische Dopingfälle in sechs Jahren - doch der Schwimm-Weltverband Fina behandelt das Thema mit Desinteresse. Andere Nationen dürfen das als Anreiz verstehen.

Kommentar von Claudio Catuogno

Das russische Schwimmen entwickelt sich ganz hervorragend, findet Julio Maglione, der Präsident des Weltverbandes Fina. Maglione konnte während der WM von Kasan sogar ein paar Städte aufzählen, die viel für den Schwimmsport tun: "Sankt Petersburg, Stalingrad, Moskau." Stalingrad? Das hat der Dolmetscher schnell mit Wolgograd übersetzt, irritiertes Gemurmel gab es trotzdem. Dabei muss man Verständnis haben für Mister Maglione: Man wird ja wohl mal durcheinanderkommen dürfen, wenn man als 79-jähriger Zahnarzt aus Uruguay immer noch den großen Vorsitzenden geben muss.

Es ist nicht ganz unwichtig zu wissen, in wessen Händen eine Sportart liegt, um einschätzen zu können, wie es um sie bestellt ist. Das kann man am Fußball-Weltverband Fifa und Sepp Blatter, 79, ebenso sehen wie an der Leichtathletik-Föderation IAAF, in welcher der scheidende Senegalese Lamine Diack, 82, selbst die jüngsten Enthüllungen über mutmaßliches Massendoping unter russischen und kenianischen Athleten einfach als Verschwörungstheorie abtut.

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Er schwimmt sich warm, doch dann ist Sun Yang verschwunden: Chinas einst wegen Doping gesperrter Schwimmer verwundert in Kasan. Jacob Heidtmann glänzt, auch die deutsche Staffel überzeugt.

Julio Maglione hat seine Fina ebenfalls fest im Griff. Jedenfalls dann, wenn es um ihn selbst geht. Eine Satzungsänderung, durch die Maglione ab 2017 eine weitere Amtszeit zugestanden wird, dann mit 81, ging beim Kongress in Kasan ohne Widerstand durch. Abgesehen von persönlichen Interessen sieht es hingegen nicht so aus, als habe die Fina allzu viele Probleme unter Kontrolle.

3000 Dopingkontrollen - oder waren es "doch nur 300"?

Seine zwei prominentesten Dopingfälle hat der Weltverband jüngst so gelöst, dass die Sperren für die Russin Julija Jefimowa und den Chinesen Sun Yang so passgenau verkürzt wurden, dass beide in Kasan schon wieder ihre Goldmedaillen mitnehmen konnten. Und als der Generalsekretär Cornel Marculescu in Kasan nach der Anzahl der Dopingkontrollen gefragt wurde, sagte er stolz "3000" - war sich dann aber nicht sicher, ob es vielleicht "doch nur 300" sind. In diesem Umfeld werden nun also wieder Weltrekorde geschwommen, als habe es die Ära der Hightech-Anzüge nie gegeben. Was soll man davon halten?

Richtig ist, dass die Fortbewegung des Menschen durchs Wasser noch lange nicht so auserforscht ist wie etwa die Bewegung des Weitspringers oder Kugelstoßers. Der Amerikaner Ryan Lochte taucht neuerdings auf dem Rücken, und das ist nur eine Innovation von vielen. Eines kann man aber ganz sicher sagen: Das russische Schwimmen entwickelt sich nicht so prächtig, wie Maglione das glaubt, das belegen alleine 21 Dopingfälle in den letzten sechs Jahren. Und das Desinteresse, mit dem die Fina das Thema behandelt, dürfen auch andere Nationen als Ermutigung verstehen.

© SZ vom 10.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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