Klitschko-Sieg gegen Leapai:Zwischen Mitleid und Fremdscham

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Weckte Mitgefühl: Alexander Leapai (links). Zeigte kaum Mitgefühl: Wladimir Klitschko (rechts). (Foto: dpa)

Er trifft sogar aus dem Stand: Wladimir Klitschko ist Alexander Leapai so überlegen wie lange keinem Gegner mehr. Der Ukrainer erledigt den sportlichen Teil mühelos - doch als er auf seine Heimat zu sprechen kommt, bricht ihm die Stimme weg.

Von Saskia Aleythe, Oberhausen

Alexander Leapai ist ein Mann von Format. 112 Kilogramm schwer, 1,83 Meter groß, mit Muskeln so imposant wie Felskrater. Nun streichelt ihm sein Betreuer die Schultern, er steht hinter ihm, Mut machend und stützend, als Wladimir Klitschko seinen Kampfgeist lobt und sagt: "Du hast heute gezeigt, warum man dich Löwenherz nennt." Tränen des Stolzes blitzen in den Augen des Australiers auf. Und dann guckt er wieder wie ein geschundener Welpe.

Bemerkenswert beulenfrei sieht Leapai nach dem Kampf aus - hatte er doch zuvor in fünf Runden nahezu jeden Schlag abbekommen, den Wladimir ihm angeboten hatte. "Das ist eine große Enttäuschung, aber so ist das Spiel", sagt Leapai und erklärt, dass der eigene Kampfplan fehlgeschlagen sei. Die Jabs des Ukrainers habe er abwehren wollen, dafür selbst mit der Rechten austeilen. Doch Klitschko sei einfach zu beweglich gewesen.

Klitschko hat bisweilen das Problem, dass er selbst mit seiner professionellen Mediensprache, seinem Anstand und Respekt nicht mehr übertünchen kann, wie chancenlos seine Gegner eigentlich sind. Über Leapai sagt er den schönen Satz: "Wenn einer seiner Schläge angekommen wären, würde ich jetzt nicht hier sitzen."

Klitschko-Sieg in der Rundenkritik
:Neckereien für das träge Buschkänguru

Ein denkwürdiger Abend, nur nicht aus sportlicher Sicht: Wladimir Klitschko gibt seinem Kampf gegen Alex Leapai eine politische Dimension, im Ring hat er nur wenig Mühe mit seinem Gegner. Doch erst als der Australier aufmuckt, wird Klitschko wütend. Der Kampf in der Rundenkritik.

Von Saskia Aleythe, Oberhausen

Die Niveauunterschiede hatten wahnwitziges Ausmaß an diesem Abend, statt ein Schmankerl des Boxsports bekamen die 12 000 Zuschauer in Oberhausen einen Pott Lebertran serviert, der zwar einigermaßen runterglitt, aber einen bitteren Geschmack hinterließ.

Die Unterlegenheit von Leapai löste beim Beobachten ein Gefühl zwischen Mitleid und Fremdscham aus, kombiniert mit der faden Erkenntnis, dass sich da keine Gegner gegenübergestanden hatten, sondern ein leichtes Opfer für eine Titelverteidigung und ein übermächtiger Gegner. Einer, der nicht mal richtig boxen musste, um zu gewinnen. Einer, der schon mit den ersten Schlägen einen K.o. hätte landen können - das Ganze aber noch ein bisschen hinauszögerte.

Nun ist es nicht so, dass Leapai nicht zu überraschen wusste. Der 15 Zentimeter kleinere Gast war mit einer derart löchrigen Deckung nach Oberhausen gekommen, dass es schon fast grotesk anmutete. Klitschko musste nur den Arm ausstrecken, da war seine Faust schon im Gesicht von Leapai. Einmal, zweimal, dreimal. Immer wieder. So richtig in Stimmung brachte das Klitschko nicht, statt harten Schlägen zeigte er zunächst nur Annäherungsversuche. Teilweise aus dem Stand heraus, und auch da: Treffer. Leapai verstärkte sein Pendelverhalten und konnte so immerhin wenige Male der frontalen Begegnung mit Klitschkos Faust entgehen - doch in der fünften Runde war nach zweimaliger Krabbelei auf dem Ringboden Schluss.

Dass diese Begegnung mit Leapai überhaupt einem Publikum angeboten wurde, kann Klitschko kaum zur Last gelegt werden. Der Boxverband WBO hatte Leapai zum Pflichtherausforderer bestimmt, nachdem er den favorisiert Russen Denis Boytsov, damals unbesiegt Nummer eins der Ranglist, im November 2013 bezwungen hatte. Eine Knieverletzung Boytsovs blendete die WBO aus.

Dennoch war der Kampf in Oberhausen für Klitschko ganz nützlich. 15 Minuten Kampfzeit genügten dem Schwergewichts-Champions, um anschließend ein zufriedenes Statement abzugeben. Er habe an seiner Technik gefeilt, sagte Klitschko also, "ich habe nicht so viel geklammert wie sonst, das hat man gesehen". Die etwa fünf Millionen Euro Gage waren dem 38-Jährigen vermutlich unbedeutender als der Dienst, den er seinem Bruder Vitali erwies: Der Kampf war die perfekte Bühne für politische Botschaften in Richtung Ukraine und Russland.

"Ich hoffe, wir überstehen die Krise, wie ich diesen Kampf überstanden habe", sagt Klitschko spät nach dem K.o., dann bricht seine Stimme weg und er schaut noch ernster als ohnehin schon. Familie Klitschko hatte zuvor eine bewegende Unterstützungsmission dargeboten, Vitali war trotz der Unruhen angereist, samt Frau Natalia, die die ukrainische Hymne vortragen durfte. Es ist schon Sonntagmorgen, als Vitali noch einmal zur Lage in seiner Heimat spricht. Das Wort Unterstützung fällt oft. Und dann wird es doch wieder sportlich. "Wladimir könnte noch zehn Jahre weitermachen", sagt er.

Dass es noch weitergehen soll für ihn, steht außer Frage. Einen Kampf im September werde es geben, kündigt Bernd Bönte an. Womöglich gegen einen Gegner, der in zwei Wochen ermittelt wird. Dann kämpfen Chris Arreola und Bermane Stiverne um den Titel der WBC. Es ist der vakante Titel von Vitali und der einzige, den Wladimir nicht inne hat.

Ob es erstmals zu einem Vereinigungskampf kommen kann, liegt bei der WBC. "Dieser Kampf wäre schön, ein Traum", sagt Klitschko. "Es wäre für den ganzen Boxsport wünschenswert", sagt Bönte. Wünschenswert wie so vieles nach diesem Abend.

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