Klitschko-Sieg in der Rundenkritik:Neckereien für das träge Buschkänguru

Ein denkwürdiger Abend, nur nicht aus sportlicher Sicht: Wladimir Klitschko gibt seinem Kampf gegen Alex Leapai eine politische Dimension, im Ring hat er nur wenig Mühe mit seinem Gegner. Doch erst als der Australier aufmuckt, wird Klitschko wütend. Der Kampf in der Rundenkritik.

Von Saskia Aleythe, Oberhausen

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Ein denkwürdiger Abend, nur nicht aus sportlicher Sicht: Wladimir Klitschko gibt seinem Kampf gegen Alex Leapai eine politische Dimension, im Ring hat er nur wenig Mühe mit seinem Gegner. Doch erst als der Australier aufmuckt, wird Klitschko wütend. Der Kampf in der Rundenkritik. Vor dem Kampf: Die kleine Randgeschichte ist dieses Mal viel mehr als eine Randgeschichte. Was niemals sein Metier war, nimmt Wladimir Klitschko nun doch mit in den Ring: Die Politik. "Dieser Boxkampf ist für die Menschen in der Ukraine sehr wichtig", sagt er und versteht sich als Botschafter für sein Heimatland. So sehr als Kämpfer hat sich der 38-Jährige vermutlich noch nie gefühlt - eine Motivation, die ganz gelegen kommt. Nörgeln ja schon Bundesliga-Profis über die Schattenseiten sechsmonatiger Dominanz, muss Klitschko mit einer ganz anderen Dimension von Übermächtigkeit klar kommen: Seit nunmehr zehn Jahren ist er im Ring unbesiegt. Kein Grund, sich nicht trotzdem im Fitnessstudio zu schinden, als gäbe es kein Morgen. Seinen Gegner Alexander Leapai kannte Klitschko bis zur Festsetzung des Kampfes "nicht groß". Sagt eigentlich alles.

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

Gegenüberstellung: Die Regeln jedes Klitschko-Kampfes: Der Ukrainer wirkt nach Einschätzung der Experten so austrainiert wie noch nie - und sein Gegner ist immer kleiner als der letzte. Francesco Pianeta: 1,92 Meter. Alexander Powetkin: 1,88 Meter. Alexander Leapai: 1,83 Meter. Damit misst der gebürtige Samoaner ganze 15 Zentimeter weniger als Klitschko - dass es aufgrund der Reichweitenunterschiede wieder zu einer einzigen Klammerei kommt, ist also ziemlich wahrscheinlich. Mit 112,5 kg brachte Leapai beim Einwiegen trotz Größenunterschied 300 Gramm mehr auf die Waage als Klitschko.

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

Sonstige Eckdaten des 34 Jahre alten Australiers: Kampfname "Löwenherz", vor acht Jahren wegen Körperverletzung in einem Nachtklub im Gefängnis, danach in einem "Whirlpool aus Alkhol und Drogen". Liefert also den nötigen Stoff, um als kampffreudiger Underdog zu gelten. Von Klitschko liebevoll als "australischer Rocky Balboa bezeichnet", der nur einen Gang kenne: Gewalt. Neben den üblichen Präsentationsformen (Leapai: "Es ist Zeit für einen Thronwechsel im Schwergewicht") sorgte nur Shannon Briggs bisher für hitzige Stimmung durch Pöbeleien in der Nähe der Kämpfe. Zwei Paralleluniversen tun sich da auf: Klitschko in seiner Botschaftermission könnte eigentlich auch gegen Micky Maus antreten - der Gegner ist nebensächlich. Eine weitere Regel.

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Countdown in Oberhausen: Rea Garvey sitzt in Schweißspritzweite vom Ring entfernt, seinen ersten Kampf hat er bereits hinter sich: Todesmutig stellte er sich zehn bis 15 Smartphone-Verliebten mit Hang zum Fotografieren. Eine Stunde vorm ersten Gong beginnt RTL die Übertragung - mit einem Einspieler von Wladimir Klitschko, der nochmal seine Mission klar macht: Er will für die Ukraine gewinnen. Auch Bruder Vitali ist in der Halle und darf vorsprechen. Währenddessen schleicht sich Lothar Matthäus unbemerkt in die vorderste Sitzreihe. Und Shannon Briggs darf wieder kundtun, dass er eigentlich ein geeigneter Klitschko-Gegner wäre. Das könnte er wohl noch stundenlang tun, doch es geht Schlag auf Schlag in Oberhausen: Die Scorpions dürfen ein Lied namens "The Best is Yet to Come" im Ring zum Besten geben. Rea Garvey kann sich gerade noch vorm Schunkeln bewahren. Da wird es wieder politisch: RTL zeigt einen Einspieler vom Maidan, Wladimir und Vitali kommentieren. "Ich hoffe, dass das keinem Land wieder passiert", sagt Wladimir. Harter Schnitt zu Wladimirs Liebesleben mit Hayden Panettiere. RTL hat alle Emotionen gekidnapt und gefesselt, die zu haben waren.

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Einmarsch der Boxer: Das hat Michael Buffer wohl auch noch nicht erlebt: Vor dem Einmarsch der Boxer wird offensichtlich eine samoanische Tradition zelebriert: Ein in zarte Gewände gehüllter Mann bläst eine Muschel in allen vier Ringecken. Der wohl exotischste Auftritt in einem Boxring. Währenddessen läuft Laepai in die Halle ein, die Zuschauer sind fasziniert und muxmäuschenstill. Dann darf Klitschko einmarschieren. Wie immer zu seinem Lieblingssong "Can't stop" von den Red Hot Chilli Peppers. Gelernt ist gelernt. Er steigt eine Treppe nahe dem Hallendach empor, klettert durch die Seile und fixiert seinen Gegner. Schon dröhnt die australische Hymne durch die Halle. Und dann? Muss Natalia Klitschko erleben, dass auch mal was schief gehen kann. Ihr Mikro versagt. Neustart. Die Ehefrau von Vitali steht im ukraine-gelben Kleid da und singt die Hymne. Wladimir patscht sich mit der Hand an die Brust und murmelt leise mit. Dann kann Buffer zu seiner Routine übergehen: "Lets get ready to rumble" sagen, Boxer vorstellen und sich feiern lassen. Erstmals hallen laute Pfiffe gegen Leapai durch die Halle - und bei Klitschko wird der Jubel laut.

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Runde 1: Ach ja. Erster Leapai-Kopf-Klitschko-Hosen-Kontakt nach 10 Sekunden. Also wenig unter Augenhöhe des Australiers. Leapai duckt sich, doch bekommt deutliche Treffer ab. Klitschko ist noch nicht mal richtig in Boxlaune, kann aber mit Jabs und simplen Links-rechts-Kombinationen treffen. Immer durch die "Deckung" Leapais. Er drängt einmal Klitschko in die Ringe, fällt aber durch seine Schwingerei kurz selbst zu Boden. Schon jetzt: Viel Mitleid für den Gast.

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Runde zwei: Klitschko hat wenig mehr Mühe als im Training mit einem Punching-Bag. Süß, wie der Australier mit den Armen schwingt. Schmerzhaft, wie der Ukrainer trifft: Immer wieder, von links, von rechts, von vorne. Leapai hat die Hände zwar oben - aber nie zusammen.

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Runde drei: Der Kampf geht schon zwei Runden länger als er müsste. Der "Steelhammer" spart noch mit seiner Energie, Neckereien mit Freunden sehen bei ihm vermutlich kaum gefährlicher aus. Er fängt aber allmählich das Vermöbeln an, Leapai hat nur durch Wegducken hin und wieder Erfolg. Doch dann trifft auch mal der Australier. Ein nettes Geschenk vom Gastgeber.

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Runde vier: Das wilde Buschkänguru ist hier auf jeden Fall nicht Leapai. Er schubst Klitschko zwar wieder in die Seile, rutscht dabei aber selbst an ihm hinunter auf den Ringboden. Interessante Figur für eine Fortsetzung von "Dirty Dancing". Danach macht Klitschko, wofür er bezahlt wird: Trifft seinen Gegner am Kopf.

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Runde fünf: Für den Brummschädel von Leapai gibt's jetzt vermutlich nicht mal mehr was von Rathiopharm. Er steckt weiter ein, kann Klitschko aber kurz ins Taumeln bringen. Das macht den Ukrainer endlich wütend genug, das Boxen anzufangen. Er streckt den Australier mit einer Links-rechts-Kombi nieder. Leapai kauert auf dem Ringboden, berappelt sich wieder. Keine gute Idee: Klitschko macht's nochmal, diesmal hat der Ringrichter Erbarmen: Er erklärt den Kampf für beendet. Das Publikum erwacht rechtzeitig aus dem Scorpions-Schlummer.

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Nach dem Kampf: Manuel Charr pöbelt sich zum Ring und hat offenbar ein Anliegen, die Security hat mit ihm und seinen Anhängern viel zu tun. Wladimir Klitschko steigt in die Ringecken, bekommt von Vitali Ukraine-Fähnchen mit Stiel gereicht. Und eine große Fahne zum Umhängen. Nach etlichen Minuten darf Klitschko ans Mikrofon: "Es war nicht leicht. Mein Kopf war immer in der Ukraine. Die Ukraine bleibt, wie sie ist und wird nicht geteilt. Ich bin stolz auf meine Landsleute." Dann geht er noch kurz auf seinen Gegner ein. Sehr wohlwollend. "Er war sehr sehr groß. Ich weiß, es war nicht leicht, aber du standest mit dem besten Boxer der Welt im Ring", sagt Klitschko gönnerhaft. Danach darf Leapai was sagen - doch seine Antworten gehen im Geschrei der Charr-Anhänger unter. "Ich wollte es vermeiden, den Jab abzubekommen", ist dann doch zu hören, "aber das hat heute einfach nicht geklappt." Die beiden Boxer sind längst aus dem Ring verschwunden. Charr darf noch ans Mikrofon und eine Forderung nach einem Kampf gegen Wladimir Klitschko loswerden. Unter der Bedrängnis verstummt selbst Kai Ebel. Ein denkwürdiger Abend. Aber nicht aus sportlichen Gründen.

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