Es passiert ja nur sehr, sehr selten, dass eine Werbeanzeige eine gesellschaftliche Botschaft enthält. Reklame soll Aufmerksamkeit erregen, sie kann mitreißen und provozieren, doch letztlich soll sie ein Produkt verkaufen oder Bekanntheitsgrad und Marktwert eines Unternehmens erhöhen. Politische Positionen werden fast nie bezogen. Warum, das hat der einstige Basketballspieler Michael Jordan schon vor mehr als 25 Jahren völlig richtig erkannt, als er sinngemäß sagte, dass auch die Mitglieder des gegnerischen Lagers Basketballschuhe kaufen würden.
Der Sportartikelhersteller Nike hat nun zum 30. Jubiläum seines Werbeslogans "Just Do It" ein paar herausragende Sportler verpflichtet und jeweils ein Schwarz-Weiß-Porträt mit einem Spruch versehen, den man kitschig oder inspirierend finden kann. Über den Footballspieler Odell Beckham Jr. zum Beispiel heißt es, dass er wie ein Champion spielen würde, obwohl er noch keiner sei - er hat bislang noch keinen Titel mit seinem Verein gewonnen. Über die Tennisspielerin Serena Williams: "Mädels aus Compton spielen nicht Tennis. Sie dominieren es." Und über Colin Kaepernick: "Glaube an etwas. Auch wenn es bedeutet, dass du dafür alles aufgibst."
Zur Erinnerung: Der Football-Quarterback Kaepernick hatte sich vor zwei Jahren hingesetzt, während im Stadion die Nationalhymne gespielt wurde. Bei den darauffolgenden Partien kniete er sich hin, um gegen Rassismus, Polizeigewalt und die systematische Benachteiligung von Afroamerikanern in den Vereinigten Staaten zu protestieren. Viele andere, meist schwarze Sportler sind dem Beispiel Kaepernicks gefolgt. Dann mischte sich Präsident Donald Trump ein, weil ihm das gar prima in seine nationalistische Agenda passte. Er hat die knieenden Spieler "Hurensöhne" geschimpft und gefordert, dass sie entlassen werden müssten. Er hat aus einem stillen Protest eine Debatte um Nationalstolz angezettelt und die US-Gesellschaft noch weiter über ihren Lieblingssport gespalten.
Die San Francisco 49ers haben Kaepernicks Vertrag nach der Spielzeit nicht verlängert, er ist seitdem arbeitslos. Er hat mittlerweile mehr als eine Million Dollar an gemeinnützige Organisationen gespendet, er kümmert sich um benachteiligte Kinder und taucht bei Workshops auf, die den strukturellen Wandel in den USA fördern wollen. Der Sportler hat die Profiliga NFL, die sich aus den 32 Vereinen zusammensetzt und keinem Verband unterstellt ist, mittlerweile wegen Verschwörung verklagt. In der vergangenen Woche hat ein Mediator entschieden, dass es eine Gerichtsverhandlung geben darf - Kaepernicks Vorwürfe seien gerechtfertigt. Das ist noch kein Urteil, aber es gibt anscheinend genügend Beweise für Verschwörungsvorwürfe gegen die Vereinsbesitzer.
Die NFL verhält sich in dieser Debatte wie ein schweizerisches Wiesel. Sie will niemanden verärgern - die Mitglieder beider politischen Lager sollen schließlich Football gucken und weiterhin für Jahresumsätze von mehr als acht Milliarden Dollar sorgen -, und sie irrt nun im Zickzackkurs vor einer Diskussion davon: Am Donnerstag beginnt die neue Saison und die Spieler sollen nicht mehr knien, sie dürfen aber während des Abspielens der Nationalhymne in der Umkleidekabine bleiben. Bestraft würde bei einem Verstoß das komplette Team.
Werden Menschen nun Nike-Produkte anzünden?
So ein Lavieren gefällt natürlich dem Spalter Trump, und es dürfte ihm auch gefallen, dass es nun Leute gibt, die Nike-Produkte anzünden und Videos davon in den sozialen Netzwerken posten, versehen mit Kommentaren wie: "Ich werde gezwungen, mich zwischen Schuhen und meinem Land zu entscheiden - ich habe mein Land gewählt." Trump beschimpft weiterhin alle als unamerikanisch, die nicht genau das tun, was er will.
Er rennt mit dem Kopf durch Wände, und sehr häufig funktioniert das auch, doch nun hat ihm Nike mit dieser Anzeige einen stabilen Marmorblock hingestellt. Kaepernick mag gegen die mächtige Profiliga NFL nicht mehr gewinnen, er dürfte in seinem Leben nie wieder Football spielen - er hat viel geopfert für seine Überzeugungen. Nikes deutliche Positionierung in dieser Debatte dürfte ihm aber zeigen: Er hat bei seinem Kampf auch mächtige Verbündete.