Judoka Bischof scheitert erst im Finale:"Er hat diesmal anders gekämpft"

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Den ganzen Olympia-Tag über zeigt Judoka Ole Bischof überaus spektakuläre Kämpfe auf der Matte, erst im Finale ist ein anderer stärker. Vor vier Jahren hatte Bischof den Südkoreaner Kim Jae-Bum noch besiegt, eigentlich weiß der Deutsche, wie Kim kämpft. Diesmal wird Bischof jedoch überrascht.

Jürgen Schmieder, London

Die Wettkämpfe im Judo haben den für die Zuschauer schönen Nebeneffekt, dass die Athleten am Eingang auf ihren nächsten Kampf warten. Als am Dienstagnachmittag noch das Finale der Frauen ausgetragen wurde, da standen Ole Bischof und Kim-Jae Bum bereits in der Halle. Der Südkoreaner bewegte sich fünf Minuten lang überhaupt nicht, er blickte finster drein. Bischof dagegen hüpfte herum und plauderte ein wenig mit seinem Trainer. Das sah ein wenig aus wie im Film "Rocky", in dem Rocky Balboa und sein Trainer Mickey vor dem Kampf gegen Apollo Creed in den Katakomben stehen und Witze reißen.

Unterlegen im Finale: Judoka Ole Bischof (unten) (Foto: REUTERS)

Dann gingen Bischof und Kim auf die Matte und kämpften. Es war ein intensives, spannendes und spektakuläres Duell. Dem Südkoreaner gelangen zu Beginn des Kampfes zwei kleine Wertungen, jeweils durch die Wurftechnik O-uchi-gari, diesen Vorsprung rettete Kim über die Zeit. Bischof guckte nur kurz enttäuscht drein, dann bemerkte er, dass er nicht den Olympiasieg verloren, sondern die Silbermedaille gewonnen hat.

Der Titel "Olympiasieger" ist einer, den ein Sportler behalten darf, wenn er ihn einmal erreicht hat. Er muss ihn nicht verteidigen wie ein Weltmeister, der ja immer nur bis zum nächsten Turnier so genannt wird. Olympiasieger, das ist man sein Leben lang. In London wurde an den ersten Wettkampftagen sehr oft diskutiert, warum es in London kaum einem Athleten gelingt, seinen Erfolg von vor vier Jahren zu wiederholen. "Das ist Olympia", sagte Bischof nach einem seiner Kämpfe im Halbmittelgewicht, der Gewichtsklasse bis 81 Kilo, "da gibt es eigene Gesetze, es ist fast ein anderer Sport." Dann sagte er noch einmal: "Das ist Olympia."

Bischof, 32, darf sich bereits seit vier Jahren Olympiasieger nennen, in Peking hatte er nach dem Finale seinen Trainer Frank Wieneke auf den Schultern durch die Halle getragen. "Es war so ein schönes Gefühl, Olympiasieger zu werden und zu sein", sagte Bischof vor den Wettkämpfen am Dienstag, "ich möchte es einfach noch einmal probieren." Er probierte es - und er präsentierte den Zuschauern den ganzen Tag über spannende und spektakuläre Kämpfe.

Bei seinem ersten Duell des Turniers agierte Bischof nervös, er lag gegen den Italiener Antonio Ciano (Bischof: "Der ist ein Monster!") lange Zeit zurück, erst am Ende gelang ihm mit einer feinen Aktion am Boden der entscheidende Punkt. Danach musste er - wieder nach Rückstand - gegen den Kasachen Islam Bozbayew in die Verlängerung; Bischof siegt durch eine sehenswerte Bodentechnik, einen sogenannten Kuzure-yoko-shiho-gatame.

Erst im Viertelfinale gegen Takahiro Nakai aus Japan ging es schneller, Bischof präsentierte den sehenswerten Armhebel Juji-gatame und gewann vorzeitig durch die Wertung Ippon. "Einfach ist hier kein einziges Duell", sagte er, "das ist Olympia."

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Bis zum Halbfinale besiegte Bischof seine Gegner vor allem über seine Physis, er hatte am Ende jeweils noch Kraft für die eine Aktion, die schließlich den entscheidenden Punkt provozierte. "Ich habe alle Kämpfe am Boden gewonnen", sagte Bischof, "das zeigt, dass ich bissig bin, dass ich hinterhergehe. Bei den Gegnern merke ich, dass ihnen am Ende die Kraft ausgeht und dass sie nicht mehr zusetzen können."

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Im Halbfinale dann trat er gegen den Amerikaner Travis Stevens an, einen wuchtigen Wühler mit grimmiger Mimik, der seine Gegner gewöhnlich nicht taktisch dominiert oder technisch besiegt, sondern sie mit seiner Kraft überwältigt. Die beiden behakten sich sogleich, sie schlugen, sie wischten, sie traten. Der Amerikaner hatte schnell einen Cut über dem linken Auge, er trug einen Verband, der über die Stirn und über das Gesicht ging. "Wir haben beide das Regelwerk sehr offen interpretiert", sagte Bischof über das Duell, bei dem auch in der Verlängerung keinem Kämpfer eine Wertung gelang. Die drei Ringrichter mussten entscheiden, wer der Aktivere war, alle stimmten für den Deutschen. Stevens sank in Tränen dahin, Bischof jubelte.

Wie vor vier Jahren in Peking musste Bischof im Finale gegen den 27 Jahre alten Südkoreaner Kim-Jae Bum antreten, der bei den vergangenen beiden Weltmeisterschaften gesiegt hatte. Kim ist ein aggressiver Kämpfer mit langen Gliedmaßen, der seine Gegner gerne mit einem Schulterwurf besiegt. Sein Stil gilt als unorthodox und bisweilen unsauber, dafür ist sein Selbstbewusstsein überaus ausgeprägt: "Ich würde es hassen, wenn ich gegen mich kämpfen müsste", sagte er vor dem Turnier, "es gibt keinen Gegner, bei dem ich das Gefühl habe, dass ich verlieren könnte."

Kim begann forsch, er setzte Bischof unter Druck und schaffte bereits nach wenigen Sekunden eine kleine Wertung. Bischof wartete ab, er parierte die wilden Angriffe seines Gegners und befreite sich auch geschickt aus manch brenzliger Situation. Doch Kim machte einfach weiter, er punktete erneut und erlaubte Bischof keine Möglichkeit, selbst aktiv zu werden oder gar zu punkten. Die beiden Wertungen reichten dem Südkoreaner am Ende, um Olympiasieger zu werden.

"Er hat anders gekämpft als im Finale 2008", sagte Bischof danach, "ich habe immer etwas Neues versucht, aber mein Gegner hat immer eine Antwort darauf gefunden."

Bischof wirkte nicht allzu enttäuscht: "Natürlich will man ein Finale gewinnen, wenn man es erreicht - und man ist enttäuscht, wenn man verliert. Aber ich freue mich über meine Silbermedaille." Als er die Halle verließ, da lächelte er schon wieder. Olympiasieger darf er sich ja ohnehin bis an sein Lebensende nennen.

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