Weltumrunder Jonas Deichmann:In Mexiko bekannt als "Forrest Gump alemán"

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"Forrest Gump alemán": Jonas Deichmann wurde in Mexiko begeistert empfangen. (Foto: Markus Weinberg/oh)

Jonas Deichmann will per Triathlon die Welt umrunden. Während er in Mexiko den Laufpart abgeschlossen hat, ist er zu einer Art Prominenten geworden - mit Live-Übertragungen und Polizeieskorte.

Von Nadine Regel

Die Drogenbosse im mexikanischen Staat Sinaloa erwarteten Jonas Deichmann gespannt. Als er eine steile Bergstraße nach oben joggte, kamen ihm zunächst zwei mit Walkie-Talkies ausgestattete 15-Jährige auf Motorrädern entgegen. Weiter oben gesellten sich noch Späher auf Häusern und Hügeln dazu. Alle hatten sie Deichmann im Blick. Bis schließlich die Chefs zu ihm kamen, schwerbewaffnet. "Ahhhh, Jonas, willkommen", so zitiert Deichmann die Narcos, "hier sind wir die Regierung, mach dir keine Gedanken, wir passen auf dich auf." Dann zückten sie ihre Handys, um Selfies mit dem 34-Jährigen zu machen.

Gerade hat Deichmann den Laufpart seines Triathlons um die Welt abgeschlossen. In 117 Tagen absolvierte der Münchner 120 Marathons. Zuvor hatte er die Adria durchschwommen und Europa und Asien mit dem Fahrrad bis nach Wladiwostok durchfahren. Dort wollte er mit dem Segelboot den Pazifischen Ozean überqueren. Doch Corona stellte seine Pläne auf den Kopf - zum Glück, wie sich in den vergangenen vier Monaten herausstellte. Er verlegte seine Route kurzfristig von den USA, in die er wegen Corona nicht einreisen konnte, nach Mexiko. In den USA werde er ohnehin auf der Terrorliste geführt, "weil ich im Iran und im Sudan war". In Mexiko wurde er dagegen mit offenen Armen empfangen - und mit seiner roten Kappe als "Forrest Gump alemán" schnell ins Herz geschlossen. "Ich bin in Mexiko mittlerweile zehn Mal bekannter als in Deutschland", sagt Deichmann, der fließend Spanisch spricht.

Deichmann verbraucht elf Paar Laufschuhe, nimmt zehn Kilogramm ab und legt einmal 2500 Höhenmeter am Tag zurück

Das Interview findet einen Tag nach seinem finalen Lauf an die Südost-Küste Mexikos nach Cancún statt. "Nachdem mein Kopf nun in Erholungsmodus geschaltet hat, sind die Beine etwas schwerer", sagt Deichmann. Speziell die letzten zwei Wochen seien anstrengend gewesen. "40 Grad, hohe Luftfeuchtigkeit, am Rand mal ein Busch rechts und links, sonst nur schnurgerade Straße", sagt Deichmann. Das zehrt an den Kräften. Vor etwa einem Jahr hat er seine Reise in München gestartet - Ende November will er dort auch wieder ankommen. Dazwischen liegen noch eine Überfahrt oder ein Flug von Mexiko nach Portugal und von dort etwa 3000 Radkilometer bis nach München. Sein Ziel, klimaneutral per Segelboot zu reisen, kann er wegen der Hurrikansaison wohl nicht einhalten.

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Die Laufstrecke durch Mexiko sei sein "Highlight" gewesen. Die Bilanz: Durchschnittlich lief er 44 Kilometer am Tag, vier Tage sogar mehr als 60, an Erholungstagen um die 30 Kilometer. Er verbrauchte elf Paar Laufschuhe, nahm zehn Kilogramm ab, legte einmal 2500 Höhenmeter am Tag zurück, zog einen 15 Kilo schweren Wagen hinter sich her und ernährte sich von Omeletts, Tacos und Enchiladas. Er führte zahlreiche Interviews mit dem Staatsfernsehen und Tageszeitungen, die sogar Liveübertragungen von seinem Lauf sendeten. Er fühle sich "wie ein mexikanischer Fußball-Nationalspieler", sagt Deichmann. Aber das habe seine zwei Seiten. "Ich musste meinen Livetracker für ein paar Tage ausschalten. Leute sind sonst an mein Zelt gekommen und haben in der Hotellobby gewartet, um Fotos mit mir zu machen", sagt Deichmann: "Promi sein ist schön, aber irgendwann ist das Limit erreicht."

Aber natürlich verliefen nicht alle Begegnungen aufdringlich. "Ich habe viele neue Freunde gewonnen", sagt er. Und eine Straßenhündin folgte Deichmann drei Tage lang und legte insgesamt 130 Kilometer rennend mit ihm zurück. Heute ist sie Mexikos berühmtester Hund und hat dank Deichmanns Aufruf im Fernsehen ein Zuhause gefunden.

In Mexiko-Stadt begleiten ihn zehn Polizeimotorräder und acht Wägen, die die Straßen sperren

"Diese Erlebnisse und Begegnungen sind es, warum ich mich jeden Tag auf meinen Marathon gefreut habe", sagt Deichmann. Der Rekord am Ende sei ein Bonus, aber nicht das, was ihn motiviere. "In diesem einem Jahr habe ich mehr erlebt als in zehn Jahren im Büro", sagt er. Auch als Backpacker habe er die Welt schon bereist, aber jetzt, als Berufsabenteurer, würde ihm etwas fehlen, wenn er ohne Herausforderung losziehen würde - dadurch werde die Erfahrung viel intensiver und außerdem verlange auch sein Ehrgeiz nach mehr.

Vor seiner Einreise nach Mexiko stand die Frage im Raum, ob er wohl eine "kugelsichere Weste" benötige. Heute weiß er: nein. "Ich habe mich immer sicher gefühlt", sagt er. Was wohl auch an seiner ständigen Polizei-Eskorte lag. In Mexiko-Stadt begleiteten ihn einmal zehn Polizeimotorräder und acht Wägen, die für ihn die Straßen sperrten. "So einen Service hätte sonst nur Angela Merkel in Deutschland", sagt Deichmann lachend.

Das Einzige, das er als Andenken mit nach Deutschland nimmt, ist seine mittlerweile ausgeblichene Forrest-Gump-Mütze - und natürlich sein Bart, der mittlerweile richtig lang und buschig ist. Seinen anschließenden Urlaub in der Hängematte hat Deichmann indes von Brasilien nach Mexiko verlagert. Dann hat das Land seinen neuen Liebling bald zurück.

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