Handball: Johannes Bitter im Gespräch:"Jansen ist kaum zu ersetzen"

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Torhüter Johannes Bitter über die schwere Vorrunde bei der Handball-WM, das überraschende WM-Aus für Torsten Jansen - und den Protest der Handballer gegen die Anti-Doping-Regeln.

Carsten Eberts

Um seine WM-Nominierung musste Johannes Bitter, 28, gewiss nicht bangen. Er ist seit Jahren gesetzt - und im Grunde stellt sich nur die Frage, ob er oder Kollege Heinevetter als Stammkeeper ins Turnier geht. Gleiches dachte auch sein Hamburger Team-Kollege Torsten Jansen, bis dieser von Bundestrainer Heiner Brand über sein WM-Aus informiert wurde. Bitter hat dazu eine eigene Meinung - wie auch zur Kritik an der Spielervereinigung "Goal", die kürzlich unter Bitters Führung gegen die strengen Anti-Doping-Vorschriften protestierte.

"Toto ist ein unglaublich ruhiger Charakter, der in der Mannschaft für Sicherheit sorgt": Johannes Bitter über das WM-Aus für Torsten Jansen. (Foto: Bongarts/Getty Images)

sueddeutsche.de: Herr Bitter, manche Leute sagen, so chancenlos wie diesmal ging eine deutsche Mannschaft selten in ein WM-Turnier.

Bitter: Das finde ich etwas voreilig. Natürlich haben wir mit Spanien und Frankreich eine wahnsinnig schwere Vorrundengruppe erwischt, bei der man mit einem Ausrutscher schon aus dem Turnier ist. Andererseits bringt uns diese Gruppe auch unglaubliche Chancen. Vielleicht findet ja der ein oder andere Gegner schlecht ins Turnier. Diesmal ist es tatsächlich so, dass die Vorrunde schwerer wird als die Hauptrunde.

sueddeutsche.de: Sie kommen gerade von den letzten Testspielen auf Island zurück. Sie haben zweimal verloren - gegen eine Mannschaft, mit der Deutschland eigentlich auf Augenhöhe stehen sollte. Bundestrainer Heiner Brand hat das Team trotzdem gelobt. Warum?

Bitter: Weil wir bereits vieles gut gemacht haben. Ein paar Schwächen sind eine Woche vor der WM sicher noch akzeptabel. Wir waren tatsächlich auf Augenhöhe, im Angriff sogar etwas besser. Leider haben wir Phasen, in denen für ein paar Minuten die Disziplin fehlt. Dann werfen wir die Bälle im Angriff manchmal geradezu weg.

sueddeutsche.de: Das erinnert ein wenig an die katastrophale EM Anfang 2010 in Österreich. Auch da gab es immer wieder diese Aussetzer.

Bitter: Das würde ich anders einordnen. In Österreich haben wir zu viele Angriffe einfach schlecht gespielt. Das war auf Island ganz anders. Die Fehler, die diesmal passiert sind, waren Konzentrationsschwächen. Aber nichts Grundlegendes.

sueddeutsche: Bei der WM müssen Sie trotzdem in der Vorrunde Frankreich oder Spanien schlagen, wenn es fürs Halbfinale reichen soll.

Bitter: Rechnerisch ist das sicher so. Aber wir denken nicht ans Halbfinale. Ich habe schon Interviews gelesen, in denen stand, dass wir schon vor dem ersten Spiel gegen Ägypten aufs Halbfinale schauen. Ich denke, das sollten wir unterbinden. Das hilft uns sicher nicht.

sueddeutsche.de: Trotz der eher schlechten Prognosen sagen die Leute aber auch: Mit Ihnen und Silvio Heinevetter hat Deutschland das beste Torhüter-Duo der Welt. Auch übertrieben?

Bitter: Das sind sehr, sehr große Vorschusslorbeeren. Was natürlich irgendwie schön ist, uns aber auch einem großen Druck aussetzt. Für den Bundestrainer ist das sicher ein positiver Druck, sich entscheiden zu müssen, weil er eigentlich nicht viel falsch machen kann.

sueddeutsche.de: Anders als bei Torsten Jansen, Ihrem Mannschaftskollegen beim HSV Hamburg. Der wird überraschend nicht mit dabei sein.

Bitter: Das ist auch für mich eine große Überraschung. Vor allem, weil Toto ein Typ ist, auf den sich die Torhüter sehr gerne verlassen haben. Aber das ist die Entscheidung des Bundestrainers. Er wird sich etwas dabei gedacht haben.

sueddeutsche.de: Warum konnten Sie sich auf Jansen besonders verlassen?

Bitter: Toto ist ein unglaublich ruhiger Charakter, der in der Mannschaft für Sicherheit sorgt. Außerdem hat man es nicht so oft, dass ein Außenspieler auf der Halbposition weltklasse deckt. Deshalb würde ich eigentlich sagen, dass er kaum zu ersetzen ist.

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sueddeutsche.de: Für Sie ist die WM auch aus einem politischen Grund wichtig. Sie engagieren sich stark in der deutschen Spielervereinigung "Goal", treffen bei der WM viele Profis aus anderen Ligen. Tauschen Sie sich da mit Ihren Kollegen aus?

"Das sind sehr, sehr große Vorschusslorbeeren": Die deutschen Torhüter (Johannes Bitter, Silvio Heinevetter, Carsten Lichtlein, von links) gehören zu den besten der Welt. (Foto: dpa)

Bitter: Mit mir persönlich ist das natürlich schwierig, weil ich bei der WM andere Aufgaben habe ( lacht). Da kann ich nicht ständig herumfahren und große Meetings abhalten. Aber natürlich ist das ein Treffpunkt, bei dem man sich auf einen Kaffee zusammensetzen kann. Besonders mit den Kollegen aus Kroatien, Schweden oder Polen.

sueddeutsche.de: Das sind die Länder, in denen die Spieler bislang untereinander überhaupt nicht organisiert sind.

Bitter: Dabei sind das im Handball sehr relevante Nationen. Deshalb ist es wichtig, dass dort etwas passiert, dass dort ähnliche Strukturen aufgebaut werden. Erst wenn wir Spieler europaweit organisiert sind, können wir noch mehr Gehör erlangen. Wir haben ja bereits jetzt schon kleine Erfolge, wie man an dem Anti-Doping-Thema merkt.

sueddeutsche.de: Sie und andere Nationalspieler hatten für den Spieltag an Weihnachten entgegen der Nada-Richtlinien lediglich den Sitz der Spielervereinigung als Aufenthaltsort angegeben - aus Protest gegen das strikte Anti-Doping-System. Bei den Basketballern gab es eine ähnliche Aktion.

Bitter: Effektive Dopingkontrollen sind natürlich nicht zu ersetzen. Aber es geht auch um unsere Privatsphäre. Es ist einfach total wichtig, dass europaweit dieselben Standards gelten. Dass nicht wir Deutschen als einzige Regelungen ausführen, die sich andere ausdenken.

sueddeutsche.de: Das Echo war gewaltig. DOSB-Sprecher Christian Breuer sagte, der Protest wäre nichts weiter als "eine reine PR-Aktion".

Bitter: Die meisten Sachen, die uns vorgeworfen wurden, waren völlig haltlos. Gerade die Spieler sind alle sehr zufrieden damit, was wir gemacht haben. Was die Nada angeht, arbeiten wir derzeit an konkreten Forderungen. Es war ja überhaupt nicht geplant, dass dieser Schritt an die Öffentlichkeit gelangte. Das war wirklich nicht in unserem Sinne.

sueddeutsche.de: Ein wichtiger Punkt für "Goal" ist auch, dass der Terminkalender der Handballer entzerrt wird: keine EM im Olympiajahr, keine Ligaspiele an den Weihnachtsfeiertagen. Wie viele Tage hatten Sie denn diesmal vor der WM frei?

Bitter: Nach dem letzten Spiel am 28. Dezember hatte ich drei Tage frei. Am 2. Januar haben wir uns bereits mit der Nationalmannschaft getroffen. Mehr war nicht drin.

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