Sie hatten noch einmal kräftig gepinselt vor dem letzten Heimspiel der Saison. Lange vor dem Anpfiff spannten die Anhänger des SSV Jahn Regensburg am Sonntagnachmittag daher ihr breites Plakat vor der Hans-Jakob-Tribüne auf. "Danke Jahnfamilie - weiter so in der nächsten Saison", stand darauf. Das war wie immer ein wohlüberlegter Spruch, nachdem der SSV zum zweiten Mal nacheinander den Klassenverbleib in der zweiten Liga geschafft hat, anders als der Gegner SV Sandhausen schon weit vor dem Saisonende. Nach dem 2:2 (1:1) sind nun beide Teams gerettet. Nichts anderes als der Klassenverbleib wird auch in einem Jahr ihr Ziel sein.
Doch so ganz passte dieser Spruch der Fans trotzdem nicht in den Rahmen in der Regensburger Arena. Schließlich wird sich die angesprochene "Jahnfamilie" großräumig verändern: Der prägende Teil der Mitglieder wird bald flügge, nachdem er beim Jahn eine gewisse Grenze erreicht hat. "Umbruch" ist im Fußball ein oft verwendeter Begriff, doch hier passt er.
Allen voran verabschiedet sich der Trainer Achim Beierlorzer, der nach zwei überaus erfolgreichen Jahren bald den Bundesligisten 1. FC Köln trainieren wird, jedoch auch Torhüter Philipp Pentke (Ziel unbekannt) oder Topscorer Sargis Adamyan (nach Hoffenheim) gehen. Die Stamm-, aber Leihspieler Adrian Fein (FC Bayern), Maximilian Thalhammer (Ingolstadt), Asger Sörensen (Salzburg) und Jonas Föhrenbach (Freiburg) könnten folgen. Mit dem Mini-Etat wieder eine erfolgreiche Mannschaft zusammenzustellen, wird eine knifflige Aufgabe für den Geschäftsführer Christian Keller, der jedoch in den vergangenen Jahren trotz dieses Nachteils immer wieder eine schlagkräftige Truppe zusammenstellen konnte. "Angst habe ich keine, dass wir das nicht wieder hinkriegen", sagte Abwehrspieler Sebastian Nachreiner.
Die Fähigkeiten, die Keller dabei wichtig sind, zeigte der Jahn auch am letzten Spieltag noch einmal. Da lagen die Regensburger zwar früh zurück nach einem Abwehrfehler, den Kevin Behrens nutzte (5.), doch davon lässt sich die Mannschaft selten aufhalten. Spiele mit großem Willen zu drehen, das ist eine Art Spezialkraft des Jahn. Angreifer Hamadi Al Ghaddioui schoss nach einem Patzer der Sandhäuser das verdiente 1:1 (42.). Und nach einem feinen Konter über den wuchtigen Stürmer Marco Grüttner köpfte Al Ghaddioui das 2:1 (60.). Behrens glich ebenfalls per Kopf noch spät aus (86.). Wie sehr das mit der Mentalität selbst für Beierlorzer beim letzten Mal als Trainer noch galt, zeigte er durch den Fakt, dass er erstmals in seiner Zeit in Regensburg vom Schiedsrichter auf die Tribüne geschickt wurde.
Beierlorzer arbeitete lange als Gymnasiallehrer, bevor er ins Fußballgeschäft einstieg. Er hat die Schüler seiner Klassen immer nach einer gewissen Zeit wieder abgegeben. Da erscheint es normal, dass er es als Trainer nicht viel anders handhabt: Nach drei Jahren in der Jugend und als Co-Trainer der Profis bei RB Leipzig und zwei Jahren in Regensburg übernimmt er jetzt halt eine andere Klasse in einer für ihn (und den Jahn) noch unbekannten Schule, der Bundesliga. Der Coach hatte vor einem Jahr zwar bis 2022 verlängert, jedoch mit einer Ausstiegsklausel für die erste Liga, die ihm nun den Wechsel ermöglicht. Ähnlich ist es bei Adamyan, 25, der für etwa 1,5 Millionen Euro "mit großer Vorfreude auf die Liga, die Stadien und die Gegner" nach Hoffenheim wechselt. Noch nie hat ein Jahn-Spieler mehr Geld gekostet als der Angreifer. Keller bekommt für die Spielersuche also zumindest einmal ein gutes Startgeld.
Mit der Suche nach einem Beierlorzer-Nachfolger lässt er sich indes Zeit. Schließlich sollte der Trainer ähnlich gut zum Verein und dessen Spielweise passen wie der gebürtige Erlanger. Der war wie geschaffen für den Job als Oberhaupt der Jahnfamilie.