Jahn Regensburg:Finten von der Seenplatte

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Instinktfußballer mit Scorerqualitäten: Sargis Adamyan. (Foto: Sebastian Widmann/Getty Images)

Sargis Adamyan ist bei Regensburg für die besonderen Momente zuständig - womöglich bringt ihn das bald in die erste Liga.

Von Johannes Kirchmeier

Wer wissen will, woher ein Instinktfußballer seinen Instinkt bekommt, der sollte sich mal die Bolzplätze Neubrandenburgs anschauen. Dort, an der Mecklenburgischen Seenplatte im Norden Deutschlands, wurde der Regensburger Sargis Adamyan groß. Wenn er selbst darüber spricht, wie er dort aufgewachsen ist, sagt er, dass er nicht nur viel Zeit mit einem Ball am Fuß auf diesen Kunstrasenplätzen verbracht habe, sondern seine ganze Jugend: "Das war eine schöne Zeit." Er weiß, dass er bis heute davon zehrt.

Adamyan ist mittlerweile 25 Jahre alt, er ist Zweitliga-Fußballer beim SSV Jahn Regensburg und als solcher für die sogenannten "besonderen Momente" zuständig: Finten, Haken, flinke Sololäufe, Vorlagen und Tore. Zu sehen etwa am vergangenen Wochenende in der vollen Regensburger Arena, als er gegen den Hamburger SV zur rechten Zeit in den Strafraum sprintete und dann traf - ohne zuvor aufs Ziel zu blicken. Er setzte einen "No-Look-Schuss" ab, so intuitiv wie früher. Der Ball wurde abgefälscht und senkte sich ins Netz, erst da schaute Adamyan aufs Tor.

"Das hat mir gefallen, dass er da gleich geschossen hat", sagte sein Trainer Achim Beierlorzer. "In der ersten Halbzeit hat er einmal noch unnötig quergelegt." Adamyan ist lernwillig und lernfähig. Was auch mit Beierlorzer zu tun hat, der ihn forderte und förderte. Kennengelernt hatte er ihn ja noch als "Spieler, der in der Regionalliga offensiv ganz toll unterwegs war, defensiv musste er aber nicht viel machen. Dass der einen anläuft und unter Druck setzt, und das im Sprint, das hatte er noch nie gehört." Inzwischen hat Adamyan das Anlaufen im Schlaf drauf. In Beierlorzers System, das viel Positionsdisziplin verlangt, ging er auf - und ist damit unverzichtbar geworden: Seit seinem Wechsel vom Viertligisten TSV Steinbach im Sommer 2017 verpasste er nur zwei Zweitligaspiele, beide gelbgesperrt. Auch beim 1. FC Heidenheim am Samstag (13 Uhr) ist Adamyan fest eingeplant, obwohl er noch heute über seinen Umzug zwei Spielklassen nach oben sagt: "Das war eigentlich ein Riesenschritt für mich."

Dass er diesen Schritt bewältigt hat, hängt vielleicht auch damit zusammen, dass er seine Jugend eben doch nicht nur auf dem Bolzplatz verbracht hat. Als Fünfjähriger kam er mit seiner Familie aus Armenien nach Mecklenburg-Vorpommern, dann spielte er lange für den 1. FC Neubrandenburg, bevor ihn der FC Hansa Rostock entdeckte. Als 16-Jähriger lernte er das durchstrukturierte deutsche Jugendsystem kennen und wurde unter Roland Kroos, dem Vater der Fußballprofis Toni und Felix, zu einem der stärksten Torjäger in der Junioren-Bundesliga. Besonders taktisch lernte er dabei dazu. Den Schritt in den Profifußball schaffte er damals nicht.

Der gelang ihm über Umwege in der Oberpfalz, wo der Jahn mehrere Kicker versammelt, die es nicht auf den ersten Bildungsweg in den Profifußball geschafft haben und Adamyan sein Werdegang augenscheinlich zugutekommt: Er kennt beide Welten, den Bolzplatz und das Nachwuchsleistungszentrum. Daraus zieht er als "angepasster Instinktfußballer" auf dem Fußballplatz eine Qualität, die anderen abgeht - und die ihn nach dieser Saison auch für Bundesligisten interessant machen dürfte. Zweimal hat er in dieser Saison seinen Klub schon zum Sieg gegen den großen HSV geführt, beim 5:0 im September traf er dreimal, nun beim 2:1 zum Ausgleich.

Nach diesem Tor ist er der drittbeste Scorer der Liga mit neun Toren und sieben Vorlagen. Die vor ihm platzierten Simon Terodde und Lukas Hinterseer verfügen schon über Erstliga-Erfahrung. Auch Adamyans eigene Ansprüche, einmal den Sprung in die höchste deutsche Liga zu schaffen, sind also durchaus berechtigt. Auch wenn man das in Regensburg natürlich gar nicht gerne hört.

© SZ vom 28.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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