Jahn Regensburg:Der aus der kalten Dusche

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Mersad Selimbegovic kam 2006 als Verteidiger zum Jahn, nun ist er Chef-Trainer. Die Klub-DNA hat er geprägt.

Von Max Ferstl und Johannes Kirchmeier

Große Veränderungen zeigen sich manchmal schon an der Kleidung. Mersad Selimbegovic trug ein hellblaues Hemd mit weißen Punkten, darüber ein Sakko. Es lässt sich wohl nicht nachprüfen, aber so herausgeputzt dürfte der 37-Jährige nicht oft seiner Arbeit nachgegangen sein. Als Spieler beim SSV Jahn Regensburg trug er ein Trikot, als Trainer im Nachwuchs und später als Co-Trainer kannte man ihn im Trainingsanzug, im Winter kam eine Mütze dazu. Selimbegovics Kleidung passte sich dem Anlass an. Und am Freitagvormittag war das Sakko sehr angemessen.

Selimbegovic, geboren in Rogatica in Bosnien-Herzegowina, wurde als neuer Cheftrainer der Regensburger vorgestellt, wobei vorstellen nicht ganz zutrifft. Anders als seinen Vorgänger Achim Beierlorzer, der vor seiner Zeit beim Jahn Nachwuchstrainer in Leipzig war, kennen die Regensburger Selimbegovic schon lange. 2006 kam er als Verteidiger. Er gehörte zu einer Mannschaft, die mal kalt duschen musste, weil der Verein seine Stromrechnungen nicht bezahlen konnte. Selimbegovic blieb trotzdem. "Er hat wirklich alles mitgemacht", sagt Jahn-Geschäftsführer Christian Keller. Es gebe nur wenige, die länger für den Jahn arbeiten. Selimbegovic sei "der passfähigste Kandidat".

„Wenn ich schon als Spieler zu spät war, will ich das als Trainer nie sein“: Regensburgs Trainer Mersad Selimbegovic (links) mit seinem Vorgänger Achim Beierlorzer. (Foto: Armin Weigel / dpa)

Zuletzt war er Co-Trainer unter Beierlorzer, wobei "Co-Trainer" nicht ganz zutrifft. Dass Regensburg zuletzt zweimal nacheinander den Verbleib in der zweiten Liga geschafft hat, dass der Verein die erfolgreichste Phase seiner Geschichte erlebt, dass die Zuschauer schönen Fußball sehen - alles hat mit Selimbegovic zu tun.

Vor fünf Jahren haben sie sich in Regensburg mit der Frage beschäftigt, welcher Spielstil mit bescheidenen Mitteln den größten Erfolg verspricht. Fußball, sagt Keller, bestehe aus vier Komponenten: dem Körperlichen, dem Mentalen, dem Spiel gegen den Ball und dem Spiel mit dem Ball. "Nur der letzte Faktor, das Spiel mit dem Ball, hängt vom Talent ab." Für den Jahn war das eine wichtige Erkenntnis. Der Verein kann sich nicht die begabtesten Talente leisten, muss eher Spieler aus unteren Ligen verpflichten und auf deren Entwicklung hoffen. Aber er konnte sich eine Spielweise aneignen, die fußballerisches Talent weniger stark in den Vordergrund rückt. Es gab eine Art Workshop, stets mit am Tisch: Mersad Selimbegovic, "federführend", wie Keller sagt.

Seitdem verteidigt Regensburg aggressiv, erobert Bälle, greift schnell an, nicht unähnlich dem Leipziger Stil. Es besteht wohl kein Risiko, dass der neue Trainer die erfolgreiche DNA verändern möchte. "Es wird keine großen Änderungen geben", sagt Selimbegovic. Dass er außerhalb der Stadt nicht der bekannteste Name der Fußballwelt ist, passt nur ins Bild. Das war ja vor zwei Jahren mit Beierlorzer nicht anders. Die Ausführung der Jahn-Idee ist wichtiger als der Name der Ausführenden: Als Zugänge hat der Klub bereits Torhüter Alexander Meyer (Stuttgart), Erik Wekesser (Walldorf) und Tom Baack (Bochum) vorgestellt, allesamt keine gestandenen Zweitliga-Spieler. Ein solcher war jedoch Sargis Adamyan vor zwei Jahren auch nicht. Er wechselte kürzlich für 1,5 Millionen Euro nach Hoffenheim in die Bundesliga, nach 15 Toren und elf Vorlagen für den Jahn. Kein Regensburger war je teurer.

Diese Einnahme wird nicht für Zugänge verwendet, Keller sieht darin eher einen ungeplanten Überschuss, den er in die Infrastruktur steckt. Nach mehreren Erweiterungen des Trainingsgeländes baut der Klub dort vom Herbst an ein Funktionsgebäude. "Wir gestalten damit unsere Zukunft. Das Gebäude hilft dem Verein nicht nur kurzfristig wie vielleicht ein teurer Spieler, sondern auch noch in 20, 30 Jahren", sagt Keller. Ganz nach seinem Motto: "Steine bleiben, Beine gehen."

Und der Jahn muss aufholen - auch finanziell: Zuletzt machte er 19 Millionen Euro Umsatz, normal seien in der zweiten Liga 35, gibt Keller an: "Unser Standort müsste eigentlich 25 bis 28 Millionen Euro hergeben." Keller hat den Klub seit 2013 nach vorne gebracht. Im Winter wolle er darüber nachdenken, wie es für ihn selbst weitergeht. Ein Jahr ist er noch an den Verein gebunden, und "ich habe schon oft gesagt, dass ich meine Verträge erfülle". Einen Weggang schließt Keller aus: "Ich werde am 1. Juli 2020 ganz sicher nirgendwo anders einen Arbeitsvertrag unterschreiben. Entweder ich verlängere meinen Vertrag beim Jahn oder ich mache erst einmal eine Pause, da gebe ich Brief und Siegel darauf." Das klingt im Profifußball vielleicht nicht nach der üblichen Entscheidung, aber genau deshalb passt sie ja so gut zum Jahn, dessen neuer Trainer Mersad Selimbegovic ist.

© SZ vom 01.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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