Ironman Hawaii:"Der Körper schreit: Langsamer!"

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Das Ziel aller Triathleten-Träume heißt Kailua-Kona. Dort endet der schwerste Ironman der Welt. Favorit Timo Bracht über Training, Schmerzen und den Mythos Hawaii.

David Binnig

Das Ziel der Triathleten-Träume heißt: Kailua-Kona. Dort ist das Ziel des ältesten und schwersten Ironman der Welt. Timo Bracht aus Eberbach am Neckar tritt morgen auf Hawaii gegen die weltbesten Triathleten an. Seine beste Platzierung bisher: Rang sechs im vergangenen Jahr. Der 35-jährige Europameister von 2009 zählt auch in diesem Jahr zu den Favoriten. Ihn erwarten Wind, Hitze, 3,86 Kilometer Schwimmen, 180,2 Kilometer Radfahren, 42,2 Kilometer Laufen. Ein Gespräch über Training, Schmerzen und den Mythos Hawaii.

Start bei Sonnenaufgang: Beim Schwimmen geht es den Sportlern meist noch gut, die Schmerzen beginnen beim Radfahren. (Foto: dpa/dpaweb)

sueddeutsche.de: Herr Bracht, wie fühlen sich die letzten Stunden vor dem wichtigsten Tag des Jahres an?

Bracht: Man könnte es mit "das lange Warten" überschreiben. Aber es ist ein Warten, das ausgefüllt ist. Ich gehe nicht auf den Tennisplatz, hole den Schläger raus und fange an. An den Tagen vor dem Rennen trainiere ich wenig, etwa eine Stunde am Tag. Ich kümmere mich um das Material, informiere mich über die Wind- und Wetterbedingungen und esse viel.

sueddeutsche.de: Was essen Sie denn so?

Bracht: Ich halte eine spezielle Diät. Drei Tage lang vermeide ich Kohlenhydrate und leere so meine Speicher, an den letzten drei Tagen esse ich dann sehr viele Kohlenhydrate. So kann man mehr Energie speichern.

sueddeutsche.de: Im vergangenen Jahr erreichten Sie den sechsten Platz. Was haben Sie sich für morgen vorgenommen?

Bracht: Wie immer: kontrollierter Angriff. Ich habe meine Startnummer, die sechs, gerade an meinem Rad angebracht. Die fünf Fahrer, die auf der Startliste vor mir stehen, gilt es zu schlagen. Wenn bei mir alle kleinen Mosaiksteinchen zusammenkommen, ist das Podest drin.

sueddeutsche.de: Sie sind also in Form?

Bracht: Die Form ist so, wie sie im Oktober sein sollte: so gut wie nie im Jahr. Wenn man während des Wettkampfs dann merkt, dass es gut läuft, wächst man über sich hinaus. Dann kann passieren, was man vorher nicht für möglich gehalten hätte.

sueddeutsche.de: Können Sie in Zahlen ausdrücken, was ein Triathlet tut, um auf Hawaii mit einer guten Form am Start zu stehen?

Bracht: Ich bin in diesem Jahr 1000 Kilometer geschwommen, 20.000 Rad gefahren und 3000 gelaufen.

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sueddeutsche.de: Auf der Radstrecke kämpft man 180 Kilometer lang einsam gegen sich und den Wind, Windschattenfahren ist verboten. Gehen einem da viele Gedanken durch den Kopf?

Normann Stadler (vorn) und Timo Bracht beim Training für den Ironman in Hawaii im Jahr 2009. (Foto: dpa)

Bracht: Eher nicht. Vorne ist ziemlich viel Dynamik und Lärm von dem ständigen starken Sturm, der die ganze Zeit an deinem Helm zerrt und knirscht. Der Wind sorgt für eine Dauerbeschallung. Ich schaue immer wie in einem Tunnel ins Licht am Ende.

sueddeutsche.de: 2008 kam sie als Fünfter ins Ziel. Im Nachhinein wurden Sie dann disqualifiziert, weil Sie eine Verwarnung ignorierten.

Bracht: Das war ein einschneidendes Erlebnis in meinem Sportlerleben. Ich wurde um den Lohn meiner Arbeit gebracht. Aber ich habe es als Antrieb genommen und ein halbes Jahr später bei meinem Sieg in Frankfurt die Weltjahresbestzeit aufgestellt.

sueddeutsche.de: Was fühlt man, wenn man den Mythos Ironman Hawaii erlebt?

Bracht: Die erste Euphorie dauert schon zwei, drei Wochen, aber das schöne Gefühl hält sicher bis Weihnachten an - bis man wieder ins Training einsteigt und merkt: man ist kein Ironman-Star, sondern ein ganz normaler Mensch. Man muss wieder von vorne anfangen.

sueddeutsche.de: Ab wann fangen nach dem Start eigentlich die Schmerzen an?

Bracht: Wenn es blöd läuft, hat man von Anfang an Blessuren. Wenn es gut läuft, fangen die richtigen Schmerzen während der zweiten Hälfte der Radstrecke an. Während der zweiten Hälfte des Marathons schreit der Körper dann nur: langsamer!

sueddeutsche.de: Sind masochistisch veranlagte Ironmen im Vorteil?

Bracht: Masochismus ist das bei uns nicht. Natürlich quälen wir uns und leiden, aber ich kann alles kontrollieren. Ich kann selbst entscheiden, ob ich über die Grenze gehe.

sueddeutsche.de: Triathlon ist eine Ausdauer-Sportart - wie der Radsport. Die Tour de France kann man ohne Dopingmittel wohl kaum gewinnen. Kann man den Ironman Hawaii gewinnen, ohne zu dopen?

Bracht: Diese Frage stellen sich viele bei der Leistung, das verstehe ich. Ich kann nur dafür werben, dass es funktioniert. Wie man ehrlich einen Ironman gewinnen kann, habe ich zweimal gezeigt. Man braucht Talent, sehr gutes Training, einen großen Willen und einen sehr guten Tag. Dann sind solche Leistungen möglich. Wir sind eine sehr junge Sportart - solche Skandale wie sie der Radsport hat, würden wir nicht überleben.

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