Holstein Kiel:Gala mit Jetlag

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Ein Transfer mit "Außenwirkung": Kiels neuer Koreaner Lee Jae-Sung verblüfft nicht nur die Hamburger bei seiner Premiere in Deutschland. Er wächst auf Anhieb in die Rolle des vormaligen Top-Vorbereiters Drexler.

Von Jörg Marwedel, Kiel/Hamburg

Dem Zweitliga-Dritten der vergangenen Saison war keine gute Prognose ausgestellt worden. Selbst die Kieler Nachrichten bewerteten es als möglichen Erfolg, wenn Holstein Kiel nach dem Abgang von Erfolgstrainer Markus Anfang (zum 1. FC Köln), Torjäger Marvin Duksch (zu Düsseldorf), Spielgestalter Dominick Drexler und Abwehrchef Tom Czichon (beide ebenfalls Köln) diesmal nichts mit der Abstiegszone zu tun bekommen würde. Womöglich müssen diese pessimistischen Vorhersagen jedoch zurückgezogen werden. Selten hat ein Zweitliga-Team, das mit sechs Neuen in der Startelf auftrat, auf Anhieb so harmonisch und gefällig Fußball gespielt wie Kiel beim 3:0 im Hamburger Volksparkstadion. Zwei Neue waren besonders auffällig: Der südkoreanische WM-Teilnehmer Lee Jae-sung , 25, und der frühere Karlsruher Jonas Meffert, 23.

Lee, der 38 Länderspiele absolviert hat, übernahm die bisherige Rolle von Drexler mit zwei großartigen Torvorlagen, Meffert ließ mit einem Schuss in den Winkel zum 0:1 die gesamte Besatzung der Kieler Bank mit dem neuen Trainer Tim Walter aufspringen. Die Frage dabei ist: Wie kommt ein südkoreanischer WM-Spieler für nur 900 000 Euro nach Kiel? Das ist zwar die höchste Ablöse, die der Verein bisher bezahlt hat - aber für einen, den kürzlich die ganze Welt Fußball spielen sah, ist das ein fast lächerlicher Betrag.

Giftig und effektiv: Jae-Sung Lee (links), Kiels neuer Koreaner. (Foto: Daniel Bockwoldt/dpa)

"Der Trainer wollte mich unbedingt", teilte Lee über einen Dolmetscher nach dem Spiel mit. Und der neue Sportdirektor Fabian Wohlgemuth, der die eigene Mannschaftsleistung wegen des guten Deals lobte, machte den kommenden Gegnern noch mehr Angst: "Lee ist noch nicht topfit." Der Koreaner sei erst seit einer Woche in Deutschland und habe noch mit Jetlag und Umstellung zu kämpfen. Aber natürlich habe dieser Transfer eine "große Außenwirkung". Vor allem sei es fantastisch, dass man einen dribbel- und kombinationsstarken Spielmacher für die Zentrale gewonnen habe. Oder, wie es Trainer Walter sagte: "Der hat eine andere Klasse. Er ist ein charakterstarker Teamspieler, explosiv und flink im Spiel nach vorne und extrem bissig gegen den Ball."

Auch Meffert, in Leverkusen ausgebildet und dann für den Karlsruher SC und zuletzt den SC Freiburg tätig, scheint sich als Volltreffer herauszustellen. Der defensive Mittelfeldspieler imponierte nicht nur mit guten Pässen, er beglich mit seinem Tor zum 0:1 auch eine offene Rechnung mit dem HSV. Am 1. Juni 2015 war Meffert beim Relegationsspiel des KSC gegen die Hamburger der Ball aus kurzer Distanz gegen die Hand geflogen. Schiedsrichter Manuel Gräfe entschied auf Freistoß, den der Chilene Marcelo Diaz in letzter Minute zum 1:1 ins Tor zwirbelte. In der Verlängerung gewann der HSV noch 2:1, der Aufstiegstraum des KSC war ausgeträumt.

Rechnung beglichen: Jonas Meffert, Kiels Torschütze zum 1:0. (Foto: Daniel Bockwoldt/dpa)

Er habe bei seinem Tor an diese Szene gar nicht gedacht, sagte Meffert hinterher, da seien "keine Rachegefühle" gewesen. Die "Emotionen pur", die ihn überkamen, seien aus der Situation heraus entstanden. Erst als er auch aus Karlsruhe einige Glückwunschnachrichten erhalten habe, so Meffert, sei ihm die Geschichte von damals wieder eingefallen.

© SZ vom 06.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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