Hoffenheims Roberto Firmino:Spitzbub fürs schöne Spiel

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Vertreter des nordbadischen joga bonito: Roberto Firmino. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Roberto Firmino symbolisiert den neuen Hoffenheimer Spektakelfußball. Schon vor dem Duell mit dem FC Bayern München stehen die Interessenten Schlange, denn der 22-jährige Brasilianer vereint Kunst und Effektivität. Doch defensiv begeht er viele Sünden.

Von Tobias Schächter, Sinsheim

"Der Roberto", erzählte Markus Gisdol jüngst in kleiner Runde, "versteht und spricht viel besser Deutsch, als man glaubt." Der Trainer der TSG Hoffenheim lachte dabei schelmisch - versicherte den staunenden Reportern dann aber mit Nachdruck: "Ganz ehrlich!"

An diesen Reportern schleicht sich Roberto Firmino nach Spielen ja zumeist vorbei, mit falsch herum aufgesetzter Mütze, einem Rollkoffer in der linken und einem Handy in der rechten Hand - und so schnell und wortlos wie zuvor an den Gegnern auf dem Platz. Irgendwie ist Roberto Firmino Barbosa de Oliveira, geboren vor 22 Jahren in Macaio und seit Januar 2011 in Hoffenheim, nicht zu fassen. Gisdol weiß das. Und weil der Trainer das als große Stärke des Brasilianers ausgemacht hat, will er diesen Firmino auch nicht grundsätzlich ändern.

Die Phase, alles grundsätzlich in Frage zu stellen, hat Markus Gisdol in Hoffenheim ohnehin hinter sich. Als er kürzlich Journalisten zu seiner 100-Tages-Bilanz ins schmucke Schlösschen auf dem Trainingszentrum in Zuzenhausen einlud, sah er das kuriose Torverhältnis der TSG - vor dem Spiel gegen den FC Bayern 25:23 - schon damals als Herausforderung, nicht als Ausdruck defensiver Probleme. Nach vorne soll Hoffenheim unter Gisdol spielen, nach vorne! Und niemand verkörpert die Sehnsucht nach dem schönen Spiel so sehr wie Roberto Firmino.

Doch der schmächtige Künstler steht auch für die oft noch fehlende Balance zwischen offensiver Lust und der Pflicht, nach hinten zu arbeiten. Auch wenn den Trainer die vielen Gegentore nerven und individuelle sowie gruppentaktische Fehler sein Team schon einige Punkte gekostet haben, will Gisdol keinen Verrat an der eigenen, unter seiner Regie wiedergefundenden Fußball-Identität begehen. Er sagt: "Klar, wir wollen sicherer nach hinten stehen, aber deswegen nicht weniger oder gebremster nach vorne spielen."

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Konsequenz, Glaubwürdigkeit und Mut zeichnen Gisdol aus. Er scheute sich nach dem wundersamen Klassenerhalt nicht, auf prominente Spieler zu verzichten und auf Talente wie Strobl, Toljan oder Süle zu setzen. Und er lässt - bis zu einem gewissen Grad - auch einen Künstler wie Firmino eben so sein, wie er ist.

Gisdol weiß, dass der berechenbar Unberechenbare immer mal wieder nach einem Fehlpass stehen bleiben wird wie zuletzt in Mainz (danach fiel ein Gegentor). Doch beim frühen Stören des Gegners ist Firmino eben auch ein spitzbübischer Balleroberer - und als Scorer ist er in dieser Saison Spitze: mit sieben Toren und vier Vorlagen in der Liga sowie drei Toren und drei Vorlagen im Pokal. Firmino ersetzt Verspieltheit mittlerweile vermehrt durch Effektivität.

Die Geschmeidigkeit, mit der er sich aus Unterzahl-Situationen befreien und plötzlich Überzahl für seine Elf herstellen kann, ist verblüffend. Zwar verpasst er noch immer zuweilen den richtigen Zeitpunkt für ein Abspiel. Und nicht selten gab es in der Vergangenheit wegen seines risikoreichen Spiels - auch in der eigenen Hälfte - Zweifel an seiner Lernfähigkeit. Doch Roberto Firmino ist seit dieser Saison nicht nur der Symbolspieler für das nordbadische joga bonito, er spielt auch konstant gut.

Überhaupt ist die Hoffenheimer Offensive der herausragende Mannschaftsteil: mit dem kantigen Mittelstürmer Anthony Modeste, (dem zuletzt angeschlagenen) Kevin Volland - und Firmino. Dass die TSG den engen Kader im Winter ausgerechnet auf der stark besetzten Zehnerposition breiter aufstellt - der schwedische Nationalspieler Jiolan Hamad kommt ablösefrei von Meister Malmö -, verwundert nur auf den ersten Blick. Denn der Verein weiß: Für Deutschlands U21-Kapitän Volland gab es bereits ebenso wie für Firmino zahlungskräftige Interessenten. Für den Brasilianer schlug die TSG eine Elf-Millionen-Euro-Offerte von Lok Moskau aus, auch Schalke 04 soll sich gemeldet haben.

Bis 2015 läuft Firminos Vertrag. Einen Wechsel nach Russland sollte er sich aber überlegen, dorthin ging bereits sein Vorgänger aus der Hoffenheimer Herbstmeisterelf 2008, Carlos Eduardo (20 Millionen Euro, Rubin Kasan). Mittlerweile kickt der von Verletzungen gebeutelte Eduardo, der den gleichen Berater wie Firmino hat, bei Flamengo Rio de Janeiro. Eduardo ist mit 26 schon ein vergessener Profi - Firmino, 22, hat eine gute Zukunft vor sich.

Obwohl die Bayern für Gisdol das "vielleicht derzeit beste Team der Welt" sind, sollten Hoffenheims 25 Saisontore dem Tabellenführer eine Warnung sein. Im besten Fall gibt es wieder ein Spektakel mit Hoffenheimer Beteiligung, wie so oft zuletzt. Die Gefahr eines weiteren Phantomtors dürfte immerhin gebannt sein: Die TSG hat zwei neue Tornetzeinstalliert.

© SZ vom 02.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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