Volleyball:Das Herz in die Hose gerutscht

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Kaum ein Durchkommen: Herrschings Theo Timmermann (li.) sucht eine Lücke in Berlins Block. (Foto: Uwe Anspach/dpa)

Die Hände zittern bis zum dritten Satz: Herrschings Volleyballer verlieren das Pokalfinale gegen den Favoriten Berlin auch wegen ihrer Nervosität unnötig deutlich 0:3. Es bleibt ihr Verdienst, ins erste Endspiel der Klubgeschichte eingezogen zu sein.

Von Sebastian Winter

Die Hände zitterten schon vor dem Anpfiff, und sie wollten irgendwie nicht aufhören zu zittern. Bis zum Beginn des dritten Satzes nicht. Ist das die simple Erklärung dafür, dass Herrschings Volleyballer das DVV-Pokalfinale in Mannheim mit 0:3 (13:25, 18:25, 23:25) gegen die Berlin Recycling Volleys verloren haben? Oder war es die Aufschlag- und Angriffswucht Berlins?

Es war am Sonntag in Mannheim jedenfalls das Spiel des Jahres gewesen für Herrsching, für manche vielleicht gar das Spiel ihres Lebens. Nie zuvor war dem Verein vom Ammersee der Einzug in ein Endspiel geglückt, weder in der Bundesliga noch im Pokal. Auf Instagram hatten die Oberbayern zuvor Puzzleteile ihres besonderen Wochenendes in Nordbaden geteilt, untermalt vom Sprechgesang des Rap-Duos Connor Price & Haviah Mighty. "Ich bin ein Trendsetter, spiele in meiner eigenen Liga, bin ein Bestseller", singen die Kanadier. Dazu gab es kleine Mitschnitte der Busfahrt (schlafende Spieler!), des Frühstücks im Hotel (gesunde Kost!), des Einlaufs in die Halle zum Training (nervös wirkende Spieler!). Schon da schauten sie sehr ehrfürchtig ins 12 000 Zuschauer fassende Rund, das dann beim Anpfiff von exakt 10 887 Fans gefüllt wurde.

Und auch unmittelbar vor der Partie hatte sich die Anspannung in die Gesichter der Spieler und Funktionäre gegraben, obwohl der krasse Außenseiter eigentlich gar keinen Grund hatte, hypernervös zu sein. Gegen die mit 13 Meistertiteln und nun sieben DVV-Pokalsiegen dekorierte Über-Mannschaft der Liga hatten die WWK Volleys aus Herrsching doch eigentlich nichts zu verlieren, oder?

An der Hotelbar am Samstagabend wurde der Mannschaft dem Vernehmen nach auch um 22 Uhr Bettruhe verordnet, auch das Trainerteam verließ die Bar zu jener Zeit.

"Einen unheimlich hohen Aufschlagdruck" hatten die Berliner, sagt Burggräf

Dann aber, der erste Satz: Berlins druckvolle Aufschläge flogen der Herrschinger Annahme nur so um die Ohren. 10:20 stand es später. Ja, es gab einzelne Lichtblicke, schöne Abwehraktionen durch den schwedischen Außenangreifer Daniel Gruvaeus oder die beiden Asse von Theo Timmermann und Filip John. Am ziemlich deutlichen Satzverlust (13:25) änderten sie aber wenig. "Berlin hat es uns nicht einfach gemacht, sie hatten einen unheimlich hohen Aufschlagdruck", sagte Herrschings Zuspieler Eric Burggräf später. Im zweiten Satz hielt Herrsching besser mit, zumindest bis zum 10:11. Dann flog Berlins mit Nationalspielern wie Johannes Tille, Ruben Schott oder Tobias Krick gespicktes Ensemble wieder davon.

Im dritten Satz hatte sich Herrsching dann endlich in dieses Spiel gefunden. 11:8 führte der Klub vom Ammersee, Theo Timmermann gelang eine schöne Aufschlagsserie, 16:13 stand es später. Doch der Außenseiter verlor dann jenen Spektakel-Ballwechsel, der inoffiziell mit seinen großartigen Abwehraktionen zum besten des Tages gekürt werden muss. Die Herrschinger bekamen in der Folge ihre Angriffe nicht mehr auf des Gegners Boden. Und dann begann es wieder, das Zittern. Drei Fehlaufschläge in Serie unterliefen Herrsching am Ende, beim 23:24 rutschte Norbert Engemann, von Beruf Polizist, das Herz in die Hose. Er wurde zum Freund und Helfer für Berlin, da sein Aufschlag mitten im Netz landete und das Spiel beendete. Engemann wurde später von seiner Freundin, seinen Eltern und Freunden am Tribünenrand getröstet. "Ich dachte, es steht 22:23, und habe erst kurz vor dem Aufschlag nochmal auf die Anzeigetafel geschaut und das 23:24 gesehen", sagte Engemann.

Es war dann vielleicht doch etwas zu groß, dieses Finale, für den noch immer kleinen Klub aus Herrsching.

Aber wie sagte Trainer Thomas Ranner - der den DVV-Pokaltitel übrigens als Co-Trainer des VfB Friedrichshafen schon mal gewonnen hat - vor dem Endspiel noch: "Das ist jetzt der nächste Schritt. Und er zeigt auch unseren Sponsoren: Das Geld ist gut angelegt. Wir sind superhappy, wenn wir lesen, dass Fanbusse ausverkauft sind, dass Leute den weiten Weg auf sich nehmen, um uns zu sehen, obwohl wir Außenseiter sind."

Auch wenn es bei dieser Rolle blieb, die Herrsching dann doch etwas zu sehr verinnerlicht hatte: Dieses Erlebnis, in einem Finale zu stehen, zum allerersten Mal, das wird bleiben.

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