Handball:Es werde Licht

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Hier noch gegen Erlangen im Einsatz: Gedeon Guardiola kommt vom TBV Lemgo nach Mittelfranken. (Foto: Daniel Marr/Sportfoto Zink/Imago)

Der HC Erlangen verpflichtet Gedeon Guardiola und führt ihn mit großen Worten ein. Der Welt- und Europameister soll dem Bundesligisten auf ein neues Niveau verhelfen.

Von Sebastian Leisgang

Gedeon Guardiola zeigt keine Regung. Seine Augen verraten nichts, der Blick ist starr, das Gesicht wie versteinert. Guardiola hat die Arme vor der Brust verschränkt, da ist kein Lächeln, nichts. Er sitzt einfach da und hört zu, als verlese der Mann auf der anderen Seite des Podiums eine Einkaufsliste oder die Abfahrtszeiten der Erlanger Busse.

Es ist Dienstagvormittag, Guardiola, 38, hat gerade ein paar Hände geschüttelt, nun hockt er im Atrium eines großen Komplexes, in dem mehrere Unternehmen ihre Geschäftsräume haben. Es ist ein herrlicher Frühlingstag, die Sonne fällt durch das verglaste Dach und kündigt schon jetzt den Sommer an. Und das ist es auch, was der HC Erlangen nun vorhat: Er kündigt an, er sagt etwas voraus, das die Menschen lieber gestern als heute hätten.

Tags zuvor hat der Tabellenelfte der Handball-Bundesliga eine Pressemitteilung verschickt und einen "spektakulären Toptransfer" ausgerufen. Und nun starrt Guardiola Löcher in die Atriumluft, während René Selke eine Hymne auf ihn anstimmt. "Der Name spricht für sich", sagt Erlangens Geschäftsführer, "jeder, der sich ein bisschen im Handball auskennt, weiß, was dieser Mensch hier neben mir schon alles gewonnen hat. Seine Erfolge passen nicht auf eine Seite - man braucht schon zwei, um alle zu nennen."

Es ist ein großer Tag für Erlangen, das spricht aus jedem einzelnen Satz, den Selke an diesem Vormittag loswird. Und ja: Dass Guardiola nach Erlangen kommt, der Kapitän der spanischen Nationalmannschaft, der Weltmeister von 2013, der zweimalige Europameister - das ist tatsächlich eine große Sache. Wer will, kann sogar die einfallenden Sonnenstrahlen mit Guardiolas Ankunft beim HCE in Verbindung bringen: Es werde Licht, das ist die Hoffnung.

"Da, wo Gedeon hinkommt", sagt Selke, "kommt der Erfolg relativ schnell hinterher."

Guardiola hat schon zahllose Loblieder gehört, er findet aber, dass es heute kaum noch der Rede wert ist, was er gestern erreicht hat. Und das ist es auch, was ihn antreibt. Deshalb starrt er, deshalb lächelt er nicht. Er weiß ja, was war - doch es geht ihm um das, was ist.

Neben Guardiola sitzt Raul Alonso, Erlangens Trainer und Sportdirektor. Er ist es, der verhindert hat, dass Guardiola im kommenden Sommer in seine Heimat zurückkehrt, er ist es, der seinem Landsmann Erlangen schmackhaft gemacht hat. Und er ist es auch, der nun den großen Plan mit Guardiola umsetzen soll. Alonso will Selkes Worte aus dem Atrium in die Halle überführen, Tag für Tag im Training, Spiel für Spiel in der Bundesliga. Das ist Alonsos Auftrag.

Es sei "ein großes Glück", dass sich Guardiola für Erlangen entschieden habe, sagt Alonso und spricht von "der nächsten Stufe", die der Klub mit dem Kreisläufer erreichen wolle. "Da, wo Gedeon hinkommt", sagt auch Selke, "kommt der Erfolg relativ schnell hinterher." In Guardiolas Vita stehen ja nicht nur die Titel mit der Nationalmannschaft, sondern auch zwei deutsche Meisterschaften und ein EHF-Pokalsieg mit den Rhein-Neckar Löwen sowie, die jüngste Errungenschaft, der Gewinn des DHB-Pokals mit dem TBV Lemgo.

Nun soll Guardiola für Erlangen das sein, was er auch schon in Ostwestfalen war, ehe sein Vertrag nicht mehr verlängert wurde: Entwicklungshelfer, Anführer, Triebfeder eines Aufschwungs.

In der Saison 2016/17 spielte Guardiolas Zwillingsbruder Isaias für den HC Erlangen

Dass Guardiola in der kommenden Saison für Erlangen spielt, lenkt den Blick noch einmal zurück ins Jahr 2015. Der HCE war gerade aus der Bundesliga abgestiegen und kam zum Schluss, dass es nun einen Spieler braucht, der der Mannschaft als Stütze dient. Einen Spieler, der vorangeht, der Orientierung bietet, der den anderen Spielern den Weg weist. Damals war es Pavel Horak, der im fortgeschrittenen Handballeralter nach Erlangen kam und den Verein auf Anhieb zurück auf die große Bühne führte - und nun ist es Guardiola, mit dem der Klub hoch hinaus will. "Wir sind ein ehrgeiziger Verein", sagt Selke, "wir wollen weiterkommen." Das Wort Europapokal fällt kein einziges Mal an diesem Vormittag, doch es wabert durch den Raum.

Erlangen, das wird äußerst deutlich, knüpft große Hoffnungen an Guardiola. Eine Haltung, die auf Gegenseitigkeit beruht. Auch Guardiola hat ja noch etwas vor. Bei Olympia 2020 in Tokio gewann er mit der spanischen Mannschaft die Bronzemedaille, nun hat er sich für die letzten Meter seiner außergewöhnlichen Karriere vorgenommen, sein Heimatland noch ein letztes Mal bei den Spielen anzuführen. Und dafür, Guardiola weiß das, muss er auch in den nächsten Monaten im Schaufenster der Bundesliga zu sehen sein.

Er habe zwar überlegt, nach elf Jahren in Deutschland wieder nach Spanien zu ziehen, verrät Guardiola - nach einem Gespräch mit Nationaltrainer Jordi Ribera sei aber klar gewesen, dass er die Rückkehr vertagen wird. "Olympia ist mein Ziel", sagt Guardiola. Paris 2024, die Sportwelt in Frankreich, das will er sich nicht entgehen lassen. Doch zuvor muss er den großen Worten, die an diesem Dienstag in Erlangen fallen, Taten folgen lassen.

In der Saison 2016/17, ein Jahr nach Erlangens Rückkehr in die Bundesliga, spielte Guardiolas Zwillingsbruder Isaias für den HCE - nun ist es an Gedeon, mit dem Klub, wie Geschäftsführer Selke sagt, "die nächsten Schritte anzugehen".

Im Tempohandball, den Alonso spielen lässt, offenbart die Mannschaft noch Probleme in der Deckung. Erlangen kassiert mehr Tore als die HSG Wetzlar, die 18 ihrer 23 Spiele verloren hat und deshalb bis zum Hals im Abstiegskampf steckt. Der Vergleich zeigt, wo Erlangen die größten Defizite hat, doch diese soll nun der Mann beheben, der die Hymnen auf seine Person regungslos zur Kenntnis nimmt: Gedeon Guardiola.

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