Wenn es um Ziele geht, ist David Späth nicht gerade zurückhaltend. Bei seinem Arbeitgeber Rhein-Neckar Löwen wird er auf der Homepage mit dem Spruch zitiert, dass er gedenke, "eine Ära zu prägen". Vor der U21-Weltmeisterschaft sagte Späth, er wolle "an Niklas Landin und Andreas Wolff" herankommen, die beiden derzeit wohl weltbesten Handball-Torhüter. Doch der 21-Jährige fällt nicht nur wegen seiner forschen Ansagen auf, er lässt auch passende Taten folgen. Bei der WM der U21, dem ältesten Jahrgang unterhalb der A-Nationalmannschaft des Deutschen Handballbunds (DHB), war Späth beim 30:23-Erfolg im Endspiel gegen Ungarn der Sieggarant.
Es war nicht nur der achte Sieg im achten Spiel, die Final-Leistung der deutschen Junioren war auch der eindrucksvolle Beleg, wie viel Qualität in diesem Jahrgang steckt. Nach einer relativ einfachen Vorrunde - mit Kantersiegen gegen Libyen, Tunesien und Algerien - war der bis dahin wenig geforderte WM-Gastgeber Deutschland auch in der Hauptrunde zur Stelle, bezwang erst Vize-Weltmeister Kroatien und kegelte danach Titelverteidiger Frankreich aus dem Turnier. In der K.-o.-Runde steigerte sich die DHB-Auswahl nochmals, sie ließ im Viertelfinale Mitfavorit Dänemark keine Chance (31:26) und stürmte dann mit einem 40:30-Kantersieg gegen die starken Serben ins Finale.
Auch der Triumph gegen Ungarn geriet in der mit 8235 Zuschauern ausverkauften Max-Schmeling-Halle in Berlin nie ernsthaft in Gefahr. Nach einer 14:11-Pausenführung legte das deutsche Team schnell einen Fünf-Tore-Vorsprung vor, den es hochverdient ins Ziel brachte. Es war der dritte WM-Titel für die deutsche U21-Auswahl, bereits 2009 und 2011 hatte Bundestrainer Martin Heuberger den Nachwuchs auf den Thron geführt.
Ganz offensichtlich ist der 59-Jährige der ideale Mann für diese Position. Zwischenzeitlich hatte Heuberger als Trainer der A-Nationalmannschaft (2011-2014) weniger Erfolg, danach legte er eine Pause ein und kehrte 2018 als Juniorencoach zum DHB zurück. Heuberger ist kein Trainer, der sich in den Vordergrund drängt. Während die Spieler auf dem Parkett tanzten und feixten, stand er wie immer in der zweiten Reihe und genoss den Jubel: "Ich bin sprachlos. Mit welchem Einsatz, welcher Begeisterung und welchen Emotionen die Jungs aufgetreten sind, das war phänomenal."
Den U21-Handballern ist gelungen, was die Fußballer-Kollegen grandios in den Sand gesetzt haben
Bemerkenswert war auch, welchen Teamspirit der Bundestrainer dem Team eingehaucht hat, was unter anderem an einer klugen Verteilung der Einsatzzeiten lag. So überraschte er im Finale mit dem Einsatz von Linkshänder Elias Scholtes, der zuvor eine eher kleinere Rolle im rechten Rückraum gespielt hatte, im Endspiel aber prompt mit sechs Treffern neben Kreisläufer Justus Fischer zum besten Torschützen avancierte. Im Halbfinale hatte Heuberger Lasse Ludwig im Tor das Vertrauen geschenkt, was auch der mit einer starken Leistung zurückzahlte.
Neben aller offensiven Durchschlagskraft und dem effektiven Tempospiel bei Kontern war die starke Abwehrarbeit das Prunkstück dieser deutschen Auswahl. Zudem haben die Handball-Junioren mit dem Titelgewinn etwas geschafft, was ihren Kollegen vom Fußball bei der U21-EM gerade grandios misslungen ist: Sie haben im Jahr vor der Heim-EM der Nationalmannschaft Euphorie entfacht.
Dabei kamen einigen Spielern Einsatzzeiten in der Bundesliga zugute, wie etwa dem Kreisläufer Justus Fischer oder dem Linkshänder Renars Uscins, die beide für Hannover-Burgdorf spielen. Oder Nils Lichtlein, Max Beneke und Tim Freihöfer, die dem Berliner Füchse-Nachwuchsprogramm entstammen. Und natürlich: David Späth. Der knapp zwei Meter große Schlaks trat erstmals beim Pokalsieg der Rhein-Neckar Löwen ins Rampenlicht, als er die Gegenspieler von Champions-League-Sieger SC Magdeburg im Finale reihenweise mit Paraden zur Verzweiflung brachte.
Beneke, Fischer und Uscins haben bereits beim EHF Euro Cup im deutschen A-Team debütiert, jenem Turnier, das den für die Heim-EM im kommenden Januar bereits qualifizierten Teams Spielpraxis bringen sollte. Nach mäßigen Ergebnissen werden nun die Rufe nach einem schnellen Umbruch lauter, doch DHB-Sportvorstand Axel Kromer mahnt trotz aller Euphorie zur Besonnenheit. Zum einen habe Bundestrainer Alfred Gislason jene Spiele zum Testen genutzt - wobei der Weltmeister und der Europameister in solchen Phasen nicht unbedingt Gegner erster Wahl sind. Zudem habe Gislason ohnehin eine junge Mannschaft, die Schlüsselspieler Julian Köster und Juri Knorr sind gerade 23 Jahre alt.
"Und", erinnert Axel Kromer, "wir wurden im Januar WM-Fünfter!" Außerdem seien bis zur Nominierung des EM-Kaders im Dezember noch 17 Ligaspieltage zu absolvieren, neben Pokal und internationalem Geschäft. Gleichwohl werde dieser Weltmeister-Jahrgang dem deutschen Handball noch viel Freude bereiten. Spieler wie Späth, Fischer oder Uscins werden nun noch genauer beobachtet.