Handball-WM:Wann pfeifen Handball-Schiedsrichter - und wann nicht?

Lesezeit: 3 min

  • Die Pfiffe bei der Handball-WM sind für Laien und Fans manchmal schwer nachzuvollziehen.
  • Gelb, zwei Minuten, Rot, Blau: Referees haben viele Sanktionsmöglichkeiten.
  • Hier der Versuch, die Fälle plausibel zu erklären.

Von Carsten Scheele

Welche Befugnisse haben die Schiedsrichter im Handball?

Handball-Schiedsrichter haben viel Einfluss - mehr als ihre Kollegen in anderen Sportarten. Das Spiel ist sehr schnell und dynamisch, Körperkontakt ausdrücklich erwünscht. Viele Entscheidungen sind trotzdem Auslegungssache. Ob nun ein Abwehrfoul oder ein Stürmerfoul vorliegt, wenn zwei Spieler ineinanderkrachen, lässt sich schwer trennen, auch wenn die Schiedsrichter in Europa, speziell in Deutschland, sehr gut ausgebildet sind. Sie achten genau auf die Dynamik, mit der sich die Spieler aufeinander zubewegen, häufig lässt sich eine Szene in die eine oder andere Richtung interpretieren. Kein Wunder, dass es im Handball rund um die Schiedsrichter auch schon Bestechungsfälle gab.

Warum gab es bei Deutschland gegen Kroatien solch große Aufregung?

Weil die dänischen Referees Martin Gjeding und Mads Hansen 83 Sekunden vor Schluss ein umstrittenes Stürmerfoul gegen die Kroaten gepfiffen haben. Der Halblinke Igor Karačić hatte im Anlauf zu einem Rückhandpass den Deutschen Fabian Wiede umgestoßen - eine diskutable Entscheidung, die letztlich dem DHB-Team wohl den Sieg brachte. "In 45 Jahren Trainertätigkeit habe ich so etwas noch nicht erlebt", wütete Kroatiens Coach Lino Červar. Eine kroatische Zeitung schrieb: "Dänen und Deutsche organisieren das Turnier, Dänen pfeifen ein Spiel der Deutschen, das gibt es nicht mal in Disneyland."

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Was ist denn ein Stürmerfoul?

Wenn der Angreifer einen Abwehrspieler umrennt - und der Abwehrspieler selbst keine aktive Bewegung macht. Wiede bewegte sich allerdings in der genannten Szene auf Karačić zu, beim für Handballverhältnise relativ normalen Körperkontakt bekam er auch nicht die Schulter des Kroaten ab, wie es im ersten Moment schien.

Wurden Kroatien also ungerecht behandelt?

Eher ja. Mit einem Tag Abstand gab auch Schiedsrichter Gjeding zu: "Ich musste das Video nicht oft ansehen, um zu erkennen, dass es eine Fehlentscheidung war."

Gibt es auch glasklare Entscheidungen?

Natürlich. Wird ein Spieler im Sprung attackiert oder gar aus dem Gleichgewicht gebracht, ist zwingend eine Strafe auszusprechen. Gleiches gilt für Aktionen ins Gesicht oder gegen den Hals. Die Schiedsrichter sind bei der WM angehalten, solche Szenen besonders unnachgiebig zu behandeln.

Wann gibt es Siebenmeter?

Wenn eine klare Torgelegenheit vereitelt wird, entweder durch ein Foulspiel oder wenn der Gegenspieler bei der Abwehraktion im Sechs-Meter-Kreis steht. Grobe Fouls und Unsportlichkeiten binnen der letzten 30 Sekunden einer Halbzeit werden auch automatisch mit Siebenmeter geahndet, ganz egal, wo sich die beteiligten Spieler auf dem Spielfeld befinden.

Wann gibt es zwei Minuten?

Als erste Sanktionsmöglichkeit haben Handball-Schiedsrichter die gelbe Karte, die aber nicht viel bedeutet. Danach gibt es zwei Minuten. Wird gegeben für Fouls oder Unsportlichkeiten, der Spieler muss dann für zwei Minuten raus auf die Bank, die Mannschaft spielt in Unterzahl weiter. Erhält ein Spieler seine dritte Zwei-Minuten-Strafe, ist die Partie für ihn beendet. Die Mannschaft darf aber nach Ablauf der Strafe wieder einen Spieler aufs Feld schicken.

Wann gibt es direkt Rot?

Bei schweren Fouls und gesundheitsgefährdenden Aktionen (z. B. Foul im Gesicht) sowie bei grob unsportlichem Verhalten. Seit 2016 können Schiedsrichter in besonders schweren Fällen (z. B. Tätlichkeiten) die "blaue Karte" zücken: Dann wird automatisch ein Disziplinarverfahren eingeleitet.

Und was ist eine falsche Sperre?

Ein einfaches Offensivfoul, das keine Strafe nach sich zieht. Kreisläufern ist es grundsätzlich erlaubt, einen Laufweg zu versperren, nicht aber, wenn geklammert, gestoßen oder ein Bein gestellt wird. Wenn beide klammern, Angreifer und Abwehrspieler, wird es kompliziert. Auch hier haben die Schiedsrichter großen Ermessensspielraum.

Wer wird überhaupt Schiedsrichter bei der WM?

Nicht nur die besten Referees der Welt, sondern auch die fittesten. Darauf legt Roman Gallego, der neue Schiedsrichterchef der Internationalen Handball-Förderation (IHF), sehr viel Wert. Alle Schiedsrichter, die bei der WM pfeifen, mussten ein spezielles Fitnessprogramm absolvieren. Per Pulsuhr wurden ihre Leistungsdaten an die IHF übertragen, Fitnesstrainer haben diese dann analysiert. Eine weitere Neuerung: Früher wurden Referees aus allen Kontinenten nominiert. Bei dieser WM sind 13 Gespanne aus den starken europäischen Ligen dabei (darunter das deutsche Duo Robert Schulze und Tobias Tönnies) - und nur drei aus dem Rest der Welt. Das sollte die Qualität an der Pfeife erhöhen, hilft den ausgeschiedenen Kroaten jetzt aber auch nicht mehr.

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