Handball-WM:Heinevetter packt die Paraden aus

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Silvio Heinevetter: Guter Turnierstart gegen Ungarn (Foto: Bongarts/Getty Images)

Ob quer in der Luft oder am Boden: Silvio Heinevetter hält beim WM-Auftakt der deutschen Handballer gegen Ungarn überragend. Uwe Gensheimer erlebt mit 13 Toren einen großen Abend.

Von Joachim Mölter, Rouen

Die ersten Überraschungen bei dieser Handball-WM in Frankreich hat es am Freitagnachmittag gegeben: Da verlor die für viel Geld aus aller Welt zusammengekaufte Auswahl aus Katar - bei ihrer Heim-WM vor zwei Jahren immerhin Zweiter - 20:22 gegen Ägypten; und zur gleichen Zeit gewannen die Chilenen um die deutschstämmigen Feuchtmann-Brüder Erwin, Emil und Harald ihr erstes WM- Vorrundenspiel überhaupt, 32:28 gegen Weißrussland.

Da hätte es nicht überrascht, wenn es am Abend so weitergegangen wäre, zum Beispiel bei der Partie zwischen Europameister Deutschland und Ungarn in Rouen. Aber da überraschte am Ende allenfalls, wie souverän die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) phasenweise auftrat beim 27:23 (16:11), mit dem sie in die Gruppe C startete. "Insgesamt bin ich sehr zufrieden", resümierte Bundestrainer Dagur Sigurdsson: "Wir haben eine starke Mannschaft in der ersten Halbzeit dominiert."

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Fünf Minuten lang können die Zuschauer im Internet das erste Spiel der Deutschen live mitverfolgen - dann geht 18 Minuten lang nichts mehr. Server-Probleme sollen nicht die Ursache sein.

Der Isländer war ja durchaus beeindruckt gewesen von dem, was die Ungarn zuletzt gezeigt hatten während der Turniervorbereitung; er hatte gewarnt: "Wir treffen auf einen Gegner, der sehr im Kommen ist." Er war sogar so weit gegangen, seinem Team nur eine 40:60-Siegchance zu geben, und dass das nicht einmal heillos untertrieben klang, untermauerte eine Aussage seines kroatischen Kollegen Zeljko Babic, der mit seiner Auswahl am Samstag gegen die Ungarn antreten muss: "Ich halte sie für noch stärker als Deutschland."

Zwei EM-Helden bleiben auf der Bank

Sigurdsson gab jedenfalls nichts mehr darauf, dass seine Mannschaft die Ungarn in der EM-Hauptrunde 2016 mühelos 29:19 besiegt hatte. "Sie sind viel besser drauf, haben mehr Struktur drin", bescheinigte er den Osteuropäern, die zudem sehr eingespielt sind, weil ihr neuer Nationaltrainer Xavi Sabate die meisten Profis auch im besten Klub des Landes betreut, bei Telekom Veszprem. Sigurdsson gab allerdings auch nichts darauf, was seine eigenen Akteure seinerzeit in Polen geleistet hatten. So ließ er zwei EM-Helden von einst auf der Bank sitzen: Andreas Wolff, den überragenden Torhüter, und Tobias Reichmann, den besten Torjäger.

Für Reichmann spielte der 2016 verletzte Patrick Groetzki auf Rechtsaußen, der am Freitagabend immerhin auf vier Tore kam. Für Wolff stand Silvio Heinevetter zwischen den Pfosten, der vor Jahresfrist wegen Formschwäche gar nicht berücksichtigt worden war. Es war "eine Bauchentscheidung", erklärte Sigurdsson, warum er Heinevetter vorzog. Die Entscheidung erwies sich als siegbringend. Gegen Ungarn präsentierte sich der 32-Jährige in derart hervorragender Verfassung, dass selbst Ungarns Coach Sabate lobte: "Heinevetter war fantastisch, er war heute der große Unterschied."

Tatsächlich war es im wesentlichen dem Berliner zu verdanken, dass seine Mannschaft sich zwischenzeitlich einen Sieben-Tore-Vorsprung herausspielte (16:9/29.). Und als der Angriff nach dem Seitenwechsel ins Stocken geriet, sorgte er dafür, dass sein Team immer wenigstens mit einem Tor vorne blieb. Dass die DHB-Auswahl in der ersten Viertelstunde nach der Pause nicht gänzlich leer ausging bei der Torausbeute, war indes Kapitän Uwe Gensheimer zu verdanken, dem besten Torschützen der Partie mit 13 Treffern, darunter acht verwandelten Siebenmetern.

Die Leistung des Linksaußen ist hernach hoch gewürdigt worden von seinen Teamkollegen: Wegen des überraschendes Todes seines Vaters war der Mannheimer in Diensten des französischen Meisters Paris St. Germain ja aus dem Trainingslager abgereist und hatte die vergangenen Tage bei seiner Familie verbracht. Er war erst am Donnerstag zum Abschlusstraining wieder zu seiner Mannschaft gestoßen und wird nächste Woche zur Beerdigung noch einmal kurz nach Deutschland zurückkehren. "Er war großartig, Respekt für diese Leistung", sagte Bundestrainer Sigurdsson zum Auftritt Gensheimers.

Und Heinevetter fügte hinzu: "Es gibt den Menschen Uwe, und es gibt den Handballer Uwe. Heute hat man gesehen, was für ein großartiger Handballer er ist. So hart es ist: Man muss den Schalter umlegen können. Es ist schön, dass er hier ist." Gensheimer selbst hatte vor der Partie um Verständnis dafür gebeten, dass er nicht für Fragen zur Verfügung stehe.

In der wilden Schlussphase, in der die Ungarn mehrmals auf ein Tor herankamen, erhielt Gensheimer zudem sportliche Unterstützung von Kai Häfner, dem einzigen Linkshänder im deutschen Rückraum. Der Hannoveraner traf insgesamt sieben Mal, hakte den Erfolg aber umgehend ab und blickte voraus auf das nächste Gruppenspiel gegen Chile am Sonntag (14.45 Uhr): "Wir dürfen sie nicht unterschätzen. Jedes Spiel muss erst einmal gewonnen werden." Da dürften die vorherigen Partien dieses Freitags durchaus eine Mahnung gewesen sein.

© SZ vom 14.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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