Handball-WM:Es geht ja nur um Handball

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Spagat im Stehen: Hält Torwart Andreas Wolff bei der WM unter Ausschluss der deutschen Fernsehzuschauer? (Foto: Franck Fife/AFP)

Handball hat keine Lobby, deshalb ist die WM nur per Internetstream zu sehen. Was wohl los wäre, wenn es um Fußball ginge?

Kommentar von Carsten Scheele

Es ist ja nur der Handball. Eine kleine Nummer hierzulande, nicht weiter erwähnenswert. Gerade einmal 770 000 Mitglieder hat der Deutsche Handball-Bund (DHB), es gibt sogar Landstriche in Norddeutschland, da droht der Fußball den Handball als "Sportart Nummer eins" abzulösen. Das EM-Finale im vergangenen Januar, als die Nationalmannschaft Europameister wurde, sahen lediglich 16 Millionen Menschen vor den TV-Geräten.

Allein diese Zahlen zeigen: Natürlich ist Handball eine große Nummer. Von der Beliebtheit her, aber auch bei den Zahlen derer, die den Sport betreiben, liegt Handball in Deutschland auf Rang zwei bei den Mannschaftssportarten, direkt hinter dem omnipräsenten Fußball. Ein Sport mit langer Tradition, großen Helden, Zehntausenden Kindern, die ihnen nacheifern. Wenn die WM, das größte Ereignis dieser Sportart, den Fernsehzuschauern verwehrt bleibt und nur per Internetstream zu sehen ist, ist das ein Problem.

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Die Notlösung steht: Die Spiele der Nationalmannschaft bei der Handball-WM in Frankreich werden per Livestream zu sehen sein - DHB-Präsident Michelmann kritisiert die Politik.

Die WM nur beim Streamingdienst? Eine Niederlage

Nun werden die Spiele der deutschen Handball-Nationalmannschaft bei der WM in Frankreich, die am 11. Januar beginnt, über einen Livestream des Hauptsponsors der Handball-Bundesliga zu verfolgen sein - doch es ist und bleibt eine Niederlage. Die großen Sender, ARD und ZDF, Eurosport, sogar der Bezahlsender Sky, haben frühzeitig abgewunken. Tatsächlich ist die Schuld nicht bei ihnen zu suchen: Nach dem Überraschungscoup bei der EM hätte es sogar einen Bieterwettstreit um die attraktiven Spiele geben können, hätte sich der Rechteinhaber etwas kompromissbereiter gezeigt.

Tat beIN Sports aber nicht. Die Al-Dschasira-Tochter aus Katar zahlte 81 Millionen Euro für die WM-Übertragungsrechte bis 2017 - und diktiert seitdem die Regeln. Im aktuellen Fall verlangt beIN Sports, dass deutsche TV-Sender nur "verschlüsselt" senden, das heißt: Das Signal der ARD, sofern diese die Rechte hätte, dürfte nicht im Ausland empfangbar sein. Das ist technisch schwer umsetzbar, und so stiegen die Öffentlich-Rechtlichen aus dem Poker aus. Aber auch Sky sowie die etablierte Streamingdienste Dazn oder Sportdeutschland.tv konnten sich mit beIN Sports nicht einigen - teilweise wurden ihre Angebote einfach abgelehnt, ohne Begründung.

Hat der DHB genug getan?

Der Bösewicht scheint ausgemacht, doch auch der Handball-Weltverband (IHF) - der sich so sehr über die Millionen aus Katar freute und eilig zusagte - und der DHB müssen sich fragen, ob sie genug getan haben. Dass das Thema aufkommen würde, war schließlich klar: Schon die WM 2015 in Katar war in Deutschland kaum zu sehen, bei der EM 2016 sprang immerhin kurzfristig Sky ein und übertrug die wichtigsten Spiele bis zum Finale. Ein Jahr war Zeit, um auf diplomatischer Ebene die "Total-Katastrophe" (DHB-Vize Bob Hanning) abzuwenden, einen neuen Deal auszuhandeln. Doch erst wenige Tage vor WM-Beginn wurde das Wehklagen groß, es reichte nur noch zu einer Notlösung.

Der gesamte Aufschwung, den die Sportart nach dem Europameistertitel erfährt, droht ins Stocken zu geraten. DHB-Präsident Andreas Michelmann hat in seiner Verzweiflung der Politik eine Mitschuld gegeben, weil diese sich nicht für den Handball einsetze. Die Argumentation: Angenommen, dem Fußball, dem liebsten Kind der Deutschen, würde ein solches Szenario drohen. Die Bundeskanzlerin persönlich würde sich der Beseitigung dieses Missstands annehmen. Doch Handball hat im Kanzleramt einfach keine Lobby.

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