Handball-Torhüterin Dinah Eckerle:Superheldin aus Bietigheim

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Nicht von dieser Welt: Am Ende des Spiels hatte Deutschlands Torhüterin Dinah Eckerle jeden dritten Wurf pariert. (Foto: Marco Wolf/imago)
  • Die deutschen Handballerinnen spielen sich vorzeitig in die Hauptrunde der WM in Tokio.
  • Der Erfolg gegen die Olympiasiegerinnen aus Dänemark ist der dritte in Serie, besonders die Torfrau Dinah Eckerle brillierte.

Von Ulrich Hartmann

Natürlich wurde die Torhüterin zur Spielerin des Spiels gekürt. Daran hatte keinerlei Zweifel bestanden nach all den Paraden und Rettungstaten. Bloß dass die Torhüterin leise weinte, als sie ihre Ehrung entgegennahm, das war seltsam. Die ausgezeichnete Torfrau hieß Sandra Toft. Sie hatte in einer Sporthalle der südjapanischen Stadt Kumamoto im Tor der dänischen Handball-Nationalmannschaft gestanden - aber sie hatte das Spiel nicht gewonnen. Die siegreiche Torhüterin hieß Dinah Eckerle. Sie trug das deutsche Trikot und ist bei der Weltmeisterschaft in Japan bislang die beste deutsche Handballerin. Eckerle konnte auf die Auszeichnung als Spielerin des Spiels diesmal also ganz gut verzichten.

19 Jahre lang hatten deutsche Handballerinnen bei Turnieren nicht mehr gegen Dänemark gewonnen, aber nicht zuletzt durch Eckerles Glanztaten besiegten sie die Däninnen diesmal mit 26:25 (13:11), feierten den dritten Sieg im dritten Spiel und machten den Einzug in die Hauptrunde vorzeitig klar.

Die zwei verbleibenden Gruppenspiele gegen Frankreich an diesem Mittwoch und Südkorea am Freitag werden aber trotzdem große Bedeutung haben, denn die Ergebnisse gegen jene beiden Gegner, mit denen die deutschen Frauen in die Hauptrunde einziehen, werden mitgenommen und haben maßgeblichen Einfluss darauf, ob die Deutschen in der Hauptrundengruppe mindestens Vierte werden können. Das müssen sie, um sich ihre Olympia-Chance zu bewahren.

Die Torhüterin erzielt das 3:0 selbst

"Olympia ist das Größte", hatte Eckerle vor der WM gesagt und ist aus vermutlich genau dieser Haltung heraus gleich im ersten WM-Spiel gegen Brasilien zur Matchwinnerin avanciert. 30:24 gewann das deutsche Team, Eckerle erhielt für 20 Paraden die Auszeichnung als beste Spielerin. Beim 34:8 gegen die zweitklassigen Australierinnen durfte sich die Schwäbin dagegen weitgehend ausruhen.

Dass sie auch dies höchst professionell erledigt hat, zeigte sich sogleich in den ersten sechseinhalb Minuten des dritten Spiel, in denen die Däninnen kein einziges Tor erzielten. Eckerle parierte direkt die ersten drei Würfe und einen Siebenmeter, erzielte das 3:0 ins leere Tor selbst und bereitete das 4:0 durch einen Pass auf Julia Behnke vor. Eckerle spielte wie eine Superheldin, nicht von dieser Welt. Am Ende hatte sie jeden dritten Wurf pariert.

Dass die starken Däninnen es trotzdem noch spannend machten, war zu erwarten, aber anders als bei früheren Turnieren behielten die deutschen Spielerinnen diesmal die Nerven und verteidigten nahezu durchgängig einen knappen Vorsprung. Die Siege gegen Brasilien und Australien mögen noch erwartet worden sein, aber gegen Dänemark haben die deutschen Handballerinnen angedeutet, dass sie in den vergangenen eineinhalb Jahren unter dem Bundestrainer Henk Groener, 59, offenbar doch den ersehnten Schritt Richtung Weltspitze gemacht haben.

Für eine Spielerin wie Dinah Eckerle ist das wichtig, weil sie mit 24 Jahren zwar schon sieben Mal deutsche Meisterin war, aber noch nie aus der Bundesliga herausgekommen ist. Dabei ist der Niederländer Groener eigentlich der Ansicht, dass deutsche Spielerinnen, um zur Weltklasse reifen zu können, bei europäischen Topklubs spielen sollten. Eckerle spielt seit 2018 bei der SG Bietigheim in ihrer schwäbischen Heimat, nachdem sie zuvor neun Jahre beim Thüringer HC in Erfurt/Bad Langensalza gespielt und dort sechs Meistertitel gewonnen hatte.

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Die deutschen Handballerinnen gewinnen bei der WM ihr Auftaktspiel gegen Außenseiter Brasilien 30:24. Doch die für die Olympia-Qualifikation vorentscheidende Turnierphase beginnt für das Team von Bundestrainer Henk Groener erst noch.

Von Ulrich Hartmann

Momentan ist sie Meisterin mit Bietigheim, aber in der Champions League ist ihr Klub in der Vorrunde ausgeschieden. Er zählt nach wie vor nicht zu dem, was man einen europäischen Topklub nennt. Von den 17 deutschen Handballerinnen bei der WM spielen nur Julia Behnke (Rostow/RUS) und Shenia Minevskaja (Brest/FRA) bei ausländischen Klubs, die auch noch in der Champions League vertreten sind.

"Ich bin stolz auf alles, was ich schon erreicht habe"

Eckerle hat rein sportlich noch drei größere Wünsche: bei Olympia mitspielen, eine Medaille bei einem großen Turnier holen und die Champions League gewinnen. Die bisherigen Leistungen der deutschen Mannschaft mit der 17-maligen Torschützin Julia Behnke, der starken Linksaußen Antje Lauenroth und der Spielgestalterin Kim Naidzinavicius machen Hoffnung. "Wir haben gezeigt, wozu wir fähig sind", sagte Letztere als Kapitänin.

Eine WM-Medaille (es wäre die erste seit 2007) ist momentan aber noch weit, wenn auch nicht so weit wie die Olympia-Qualifikation, denn um nächstes Jahr in Tokio dabei sein zu dürfen, müssten die deutschen Handballerinnen entweder Weltmeisterinnen werden oder als eine der besten sieben WM-Nationen ein Qualifikationsturnier im nächsten März gewinnen.

Eckerle ist seit zwei Jahren die Nummer eins im deutschen Tor, nachdem Clara Woltering und Katja Kramarczyk ihre großen Karrieren beendet haben. Ihre Serienerfolge, erst mit dem Thüringer HC und nun mit der SG Bietigheim, erklärt Eckerle lakonisch auch damit, "dass ich halt zur richtigen Zeit immer am richtigen Ort war". Dies ist, auf die Schlüssel-Qualifikationen einer Torhüterin heruntergebrochen, natürlich genau das, worauf es im Handballtor ankommt. "Ich bin stolz auf alles, was ich schon erreicht habe", sagt Eckerle, "aber es darf ruhig noch etwas hinzukommen." In Japan arbeitet sie gerade daran, diese etwas lapidar formulierte Ambition zielstrebig in die Tat umzusetzen.

© SZ vom 04.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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