Deutsche Handballer bei der WM:Würdevoller Abschied aus Köln

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Das Publikum kommt beim letzten WM-Spiel der deutschen Mannschaft in Köln auf seine Kosten. (Foto: dpa)
  • Die deutschen Handballer gewinnen ihr letztes Hauptrundenspiel 31:30 (17:16) gegen Spanien.
  • In einer munteren Partie überzeugen auch die Spieler, die bislang nicht so viele Einsatzzeiten hatten - unter ihnen der nachnominierte Tim Suton.
  • Das ungeschlagene DHBTeam trifft nun am Freitag (20.30 Uhr) im Halbfinale auf Norwegen.

Von Joachim Mölter, Köln

Ach, was waren das für denkwürdige Duelle gewesen, die sich deutsche und spanische Handballer in diesem Jahrtausend schon geliefert haben! In zwei olympischen Viertelfinals zum Beispiel, 2000 in Sydney, als die Spanier mit einem Tor im letzten Angriff die deutschen Träume zerstörten, und 2004 in Athen, als zwei Verlängerungen nicht reichten, um einen Sieger zu ermitteln, und die Deutschen erst im Siebenmeterschießen gewannen. Oder in den WM-Viertelfinals 2007 und 2013, als erst die gastgebenden Deutschen den Titelverteidiger Spanien entthronten und dann die Spanier ihren Heimvorteil nutzten, um die Deutschen aus dem Rennen zu werfen. Oder bei den jüngsten Europameisterschaften, als die deutsche Mannschaft 2016 die spanische im Finale deklassierte, und die sich dann 2018 revanchierte mit ihrem Sieg im letzten Spiel der Hauptrunde, der den gesamten Deutschen Handballbund (DHB) in die Krise stürzte. Wochenlang wurde danach über den Bundestrainer Christian Prokop diskutiert, der sein Turnierdebüt gründlich in den Sand gesetzt hatte.

Nun gab es bei dieser Weltmeisterschaft eine weitere Auflage dieses Dauerduells, am Mittwochabend, fast auf den Tag genau ein Jahr nach dem letzten Vergleich, und wieder fand es zum Abschluss der Hauptrunde statt. Doch diesmal: war alles sehr undramatisch.

Hendrik Pekeler
:Nicht bloß der heimliche Chef

Auf seine Ratschläge hört der Bundestrainer ganz besonders: Hendrik Pekeler gibt bei den deutschen Handballern die großen Linien vor - und setzt sich manchmal erfolgreich über Anweisungen hinweg.

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Das 31:30 (17:16) war in erster Linie für Statistiker interessant, die entscheidenden Dinge waren bereits vor dem Anwurf geregelt worden. Die DHB-Auswahl hatte sich am Montag durch das 22:21 über Kroatien für das Halbfinale am Freitag in Hamburg qualifiziert und in einem Aufwasch auch gleich den Titelverteidiger Frankreich mitgezogen; und weil der im abschließenden Gruppenspiel vor allem Kräfte schonte für die K.-o.-Runde und 20:23 gegen Kroatien verlor, war den Deutschen auch der Gruppensieg so gut wie sicher. Um den noch zu verspielen, hätten sie schon mit neun Toren Differenz verlieren müssen. Im Grunde hätte man die Partie gar nicht mehr anpfeifen brauchen an diesem Mittwoch.

Bundestrainer Prokop dürfte seine Position in diesem Turnier nachhaltig gestärkt haben

Aber das ging ja auch nicht, "wir haben Verpflichtungen", erinnerte der Kreisläufer Hendrik Pekeler, "gegenüber den Zuschauern, und auch gegenüber den Kroaten". Auch für den Mittwoch hatten ja wieder 19 250 Menschen eine Eintrittskarte für die Kölner Arena gekauft, in der Hoffnung auf ein großartiges Handball-Erlebnis, die wollten die Nationalspieler natürlich nicht enttäuschen; und für Konkurrenten wie Kroatien gibt es ja auch noch Platzierungsspiele, die sich auf die Olympia-Qualifikation auswirken. "Alle haben ein Anrecht darauf, dass wir uns anstrengen", fand Pekeler.

Bundestrainer Prokop, der seine Position in diesem Turnier nachhaltig gestärkt haben dürfte, hatte seinem Team am Dienstag freigegeben, "es ist wichtig, jetzt runterzukommen und Kräfte zu sammeln", erklärte er: "Das ist unser Anlauf für den Endspurt." Die sportlich wertlose Partie gegen Spanien nutzte er, um auch mal den Spielern etwas Praxis zu verschaffen, die bislang kaum zum Zug gekommen waren. Oder, wie er es formulierte: "Um die Kräfte gut zu verteilen und alle ins Spiel zu bringen."

Letzteres galt vor allem für den nachnominierten Lemgoer Tim Suton, 22, der kurzfristig für den verletzten Spielmacher Martin Strobel in den Kader gerückt war; Strobel hatte im Kroatien-Spiel einen Kreuz- und Innenbandriss erlitten und fällt mindestens ein halbes Jahr aus. Suton war erst kurz vor dem Turnier aus dem endgültigen WM-Kader gestrichen worden; aber es dürfen ja maximal drei Akteure getauscht werden. Suton kam nach rund zehn Minuten erstmals ins Spiel und führte sich gleich gut ein mit insgesamt vier Toren. Mehr erzielte bloß sein Nebenmann im linken Rückraum, der Hannoveraner Fabian Böhm (fünf).

Das Traumfinale zwischen den beiden Gastgebern dieser WM ist weiterhin möglich

Obwohl beide Mannschaften viel wechselten und ausprobierten, entwickelte sich ein munteres Spielchen, in dem die deutsche Mannschaft zeigte, dass sie auch das Tempospiel beherrscht (wenn man sie lässt). Eine halbe Stunde lang ging es hin und her, her und hin; erst nach der Pause schaffte es die DHB-Auswahl, sich abzusetzen, bis auf vier Tore Differenz (23:19/41.). In dieser Phase gelang sogar dem für gewöhnlich bloß in der Abwehr und selbst da im Verlauf dieses Turniers auch nur selten eingesetzten Finn Lemke ein Tor.

Die Zuschauer kamen jedenfalls auf ihre Kosten, die Mannschaft erfüllte Prokops Vorgabe, "eine gute Verabschiedung aus Köln hinzubekommen". Nun fliegt sie als unbesiegter Gruppenerster nach Hamburg zum Halbfinale; Gegner ist dort am Freitag Norwegen (20.30 Uhr/ARD). Das andere Halbfinale bestreiten Frankreich und Dänemark, der Co-Ausrichter dieser WM. Das Traumfinale ist also tatsächlich möglich: zwischen den gemeinsamen Gastgebern Deutschland und Dänemark.

© SZ vom 24.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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