Brasilien bei der Handball-WM:"Wir hätten nie gedacht, dass wir dieses Spiel gewinnen"

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Konnten ihr Glück kaum fassen: Brasiliens Handballer José Toledo (links) und Thiagus Petrus Santos feiern ihren Sieg gegen Kroatien. (Foto: dpa)
  • Brasilien schafft die größte Überraschung bei der Handball-WM und besiegt Kroatien.
  • Davon kann auch die deutsche Mannschaft profitieren.
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Von Carsten Scheele, Köln

"Defense, Defense", riefen die meisten der 15 000 Zuschauer in der Kölner Arena - und die Brasilianer verteidigten, als ob es um ihr Leben ginge. Warfen sich den Kroaten mit ihren Körpern in den Weg, blockten inbrünstig Bälle weg - der WM-Mitfavorit versuchte, den Vorsprung kurz vor Schluss noch einzuholen, doch vergeblich. 26:29 (13:17) verloren die Kroaten ihr erstes Hauptrundenspiel bei der Handball-WM, ziemlich sensationell gegen den größten Außenseiter der Gruppe.

Dass die Brasilianer bei der WM nach den Russen und Serben auch ein echtes europäisches Topteam bezwingen können, ist in Handballerkreisen schon eine gewaltige Nachricht. Schließlich ist das Land aus Südamerika für großartige Fußballer bekannt - nicht so sehr für tolle Bällewerfer. "Wir hätten nie gedacht, dass wir dieses Spiel gewinnen", erklärte Brasiliens sichtlich ergriffener Trainer Washington Nunes nach der Partie. Zwar konnten die Brasilianer auch die Deutschen schon mal schlagen, 2016 in der Olympia-Vorrunde, doch dieser Sieg gegen Kroatien war nochmal eine andere Nummer. Nunes war so glücklich, dass er Haniel Langaro, seinen besten Torschützen, auf die Stirn küsste.

"Kaum jemand hat heute an uns geglaubt", jubilierte der neunfache Torschütze Langaro, weil die europäischen Teams bei Weltmeisterschaften den Sieger ja stets unter sich ausmachen. Langaro kam gerade von der Ehrenrunde, und das, obwohl nicht wirklich viele brasilianische Fans in der Halle weilten: Es waren die deutschen Zuschauer, die sich auf die Seite des Underdogs geschlagen hatten und die Brasilianer feierten. "Das war die beste Halle, in der ich je gespielt habe", freute sich Rückraummann José Toledo.

Deutschland genügt nun ein Sieg zum Halbfinaleinzug

Ganz uneigennützig war die Unterstützung der deutschen Fans nicht, denn durch die unvermutete Niederlage Kroatiens hat sich die Statik in der deutschen Hauptrundengruppe noch einmal verschoben. Der Weltmeister von 2003 galt nach verlustpunktfreier Vorrunde als Favorit auf den Halbfinaleinzug, ist jetzt mit zwei Minuspunkten behaftet. Da die Kroaten im dritten Hauptrundenspiel noch auf die Franzosen treffen (ein Minuspunkt) und sich beide Teams die Punkte untereinander wegnehmen, genügt dem DHB-Team (ebenfalls ein Minuspunkt) am Montagabend gegen Kroatien ein Sieg für den sicheren Halbfinaleinzug. Klappt das nicht, bleibt am Mittwoch gegen Spanien eine zweite Chance. Kroatien hingegen muss nun unbedingt beide Spiele gewinnen.

Diesen unerwarteten Rückschlag hatte die mit internationalen Topspielern gespickte Mannschaft nicht einkalkuliert, doch die Niederlage war - rein sportlich betrachtet - sogar verdient. Kroatien agierte viel zu umständlich und leistete sich eine Vielzahl an Empty-Net-Gegentoren, weil Trainer Lino Červar den Torwart gegen einen zusätzlichen Feldspieler ausgetauscht hatte - und die Kroaten im Angriff einfache Bälle verloren. Diese deprimierenden Gegentreffer ließen den besten Spieler der Mannschaft verzweifeln. "Bei uns hat gar nichts funktioniert, die Abwehr war nicht da, das Überzahlspiel auch nicht", klagte Domagoj Duvnjak, der in der Bundesliga für den THW Kiel spielt. Trainer Červar machte klar: "Brasilien war besser heute. Wir hatten keine Lösungen."

Vor dem Spiel am Montagabend gegen Deutschland hilft den Kroaten wohl nur die Betätigung des mentalen Resetknopfes. "Wir müssen diese Niederlage vergessen", sagte Duvnjak. Die Deutschen hätten leider "20 000 Zuschauer hinter sich, das wird brutal schwer für uns". Vor allem haben diese Deutschen nun gesehen, dass die Kroaten bei dieser WM doch verwundbar sind.

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