Handballer Domagoj Duvnjak:Zehn Jahre in der Zeit gereist

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Nicht zu stoppen: Kiels Domagoj Duvnjak (rechts) gegen die Füchse Berlin. (Foto: Frank Molter/dpa)

Domagoj Duvnjak führt die kriselnden Handballer des THW Kiel zum Sieg gegen Tabellenführer Berlin - und zeigt, dass er auch im reifen Alter und mit geschundenem Körper noch zu Großem fähig ist.

Von Carsten Scheele

"Dule, Dule", rief die Kieler Halle, und unten stand Domagoj Duvnjak auf dem Spielfeld, verlassen von sämtlichen Kräften, platt und alle. Die Haare klebten nass auf seiner Stirn, aber Duvnjak war glücklich, denn der alte Dule hatte es allen noch mal gezeigt. Ein Handballspiel mit neun Duvnjak-Toren, wann hatte es das zuletzt gegeben? Dule hatte getrickst, alle mitgerissen, als wäre es wieder 2013.

Und es war nicht irgendein Spiel am Sonntag: 30:26 hatten die Kieler den bis dahin ungeschlagenen Tabellenführer Füchse Berlin besiegt und den nächsten Beweis erbracht, wie unberechenbar und spannend die Liga in diesem Jahr ist. Ganz nebenbei hat Duvnjak seinen Klub aus einer schlimmen Phase der Lethargie befreit, der THW hat schwere Wochen hinter sich. Hoffnung auf die Meisterschaft braucht sich Kiel bei zehn Minuspunkten schon im November nicht mehr zu machen.

Und dann setzte es auch noch die Klatsche in der Champions League gegen den dänischen Klub Aalborg, als sich Hendrik Pekeler hinterher unter Volldampf vor die Mikrofone stellte und das eigene Team kritisierte. Er sei "ratlos", sagte Pekeler und fragte, ob Kiel wirklich "das neue Scheiß-Melsungen" sein wolle (wofür er sich später entschuldigte bei den Melsungern). Noch ein Satz, der hängen blieb: "Vorne haben wir keine Männer. Kinder haben wir da."

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In diese Gemengelage warf sich Duvnjak mit seinen 35 Jahren hinein, und dass er im Sinne Pekelers ein Mann ist und kein Kind, darüber dürften keinerlei Zweifel bestehen. Seit 14 Jahren spielt der Kroate in der Bundesliga, erst fünf Jahre in Hamburg, seit 2014 in Kiel. Er hat so viele Spiele absolviert, so viele harte Zweikämpfe bestritten und so viele Verletzungen hinter sich, dass sein Körper schwer gelitten hat in all den Jahren.

"Wir haben alle gesehen, was er noch leisten kann", sagt Trainer Jicha über Duvnjak

Duvnjaks Gang als "etwas unrund" zu beschreiben, ist eine freundliche Untertreibung. Ganze Halbzeiten hat er schon länger nicht mehr durchgehalten. Beim THW war Duvnjak zuletzt eher Ersatzspielmacher, in den vergangenen Jahren hinter Sander Sagosen, aktuell hinter dem jungen Färinger Elias Ellefsen á Skipagøtu. Kam Duvnjak rein, war er ein wichtiger Spieler, aber in Teilzeit, obwohl er immer noch der Kapitän der Mannschaft ist.

Und dann also das Spiel gegen die Füchse. Duvnjak rückte in die Start-Sieben und führte Regie wie 2013, als er zum Welthandballer gewählt wurde, als wäre er zehn Jahre in der Zeit zurückgereist. Dabei traf Duvnjak so viele richtige Entscheidungen, agierte so variabel und torgefährlich, dass ihn die Berliner gar nicht verteidigt bekamen. Hier ein abgeknickter Sprungwurf, dort ein Hüftwurf aus dem Stemmschritt heraus, im nächsten Angriff ein formidables Anspiel an den Kreis. "Wir haben alle gesehen, was er noch leisten kann", sagte Kiels Trainer Filip Jicha, der bis 2015 gemeinsam mit Duvnjak auf der Platte gestanden hatte: "Er ist ein Mann, den wir unglaublich brauchen."

Und das nicht nur wegen seiner neun Tore. In der ersten Halbzeit gab es eine Szene, als der Ball von einem Kieler Spieler abprallte und Richtung Seitenlinie flog. Also setzte Duvnjak ebenfalls zum Flug an, packte den Ball knapp vor dem Aus, warf ihn direkt in den Tempogegenstoß, knallte selbst mit seinem Oberkörper hart auf den Hallenboden. Kurzes Luftanhalten, ob er wirklich wieder aufsteht? Er stand auf. "Er verkörpert die THW-DNA", sollte Jicha später sagen. "Ohne Dule hätten wir wahrscheinlich nicht gewonnen", sagte auch Teamkollege Patrick Wiencek.

Wie lange das alles noch geht? Weiß Duvnjak selbst nicht. Der Kroate hat im vergangenen Sommer erzählt, wie sehr ihn der Handballzirkus mittlerweile körperlich fordert. Mit 35 Jahren sei eine "Saisonvorbereitung unglaublich hart", sagte Duvnjak. Und dann die Spiele im Dreitagesrhythmus, Bundesliga, Champions League, Pokal. Aber Duvnjak weiß: "Qualen gehören leider dazu." Und manchmal lohnen sich diese mehr als an den übrigen Tagen.

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