Saisonstart im Handball:Noch mehr Tempo, bitte

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Kann zupacken: Kiels neuer Rückraumspieler Karl Wallinius (links) soll helfen, den Meistertitel wieder an die Förde zu holen. (Foto: Hans Oberlaender/Gepa/Imago)

Mit dem Supercup zwischen Magdeburg und Kiel startet die Handball-Saison. Titelkandidaten gibt es einige - womöglich kommt es darauf an, wer sich am cleversten auf die Regeländerungen einstellt.

Von Carsten Scheele, Kiel/Hannover

Die wichtigste Nachricht des Sommers verkündete der THW Kiel an einem sonnigen und windigen Ostseetag. Die Sonne schien im Ostseebad Damp sogar besonders grell vom Himmel, Filip Jicha musste eine dunkle Sonnenbrille aufsetzen, als er verkündete, dass er sich nicht in einen gemütlichen Strandkorb in Damp setzen, sondern bis 2026 als Cheftrainer der Kieler arbeiten wird.

Acht Jahre hat er als Profi beim THW gespielt, als Coach geht er nun in seine dritte Saison. Er trage den Verein "tief im Herzen", sagte Jicha. Und ja, er habe mit der Mannschaft noch einiges vor. Nach allem, was man hört, sind es keine sonderlich komplizierten Vertragsgespräche mit Geschäftsführer Viktor Szilagyi gewesen. Jicha und Kiel, das passt.

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In der vergangenen Saison hat beim THW nicht alles gepasst. So ging die Meisterschaft nicht nach Kiel, sondern nach Magdeburg, weil der SCM in einer unwirklich anmutenden Aneinanderkettung von furiosen Spielen mit nur zwei Niederlagen zum Titelgewinn stürmte. Den Magdeburgern diesen Titel wieder abzujagen, ist das vorrangige Ziel der angestachelten Kieler. Eine erste Ahnung, wie die Kräfteverhältnisse sind, wird es am Mittwochabend geben, wenn Meister Magdeburg und Pokalsieger Kiel im Spiel um den deutschen Supercup (19 Uhr in Düsseldorf, live bei Sky) aufeinandertreffen.

Bei Kiel fallen zwei der besten Spieler für mehrere Monate aus

Im Grunde ist es kein sonderlich wichtiges Spiel, aber ein Sieg gegen den Meister würde dem THW schon gut reinlaufen, zumal sich abzeichnet, dass es für den Rekordmeister ansonsten eine schwierige erste Saisonhälfte wird. Kein Team der Welt kann zwei der besten Handballer des Planeten langfristig ersetzen, schon gar nicht, wenn diese Sander Sagosen und Hendrik Pekeler heißen. Der Norweger Sagosen hat eine Fraktur im Sprunggelenk erlitten, Pekeler einen Achillessehnenriss; ob beide im Kalenderjahr 2022 noch auflaufen werden, ist fraglich.

Neu in der Bundesliga: Fast alle Topteams wollten Mathias Gidsel (Mitte) verpflichten, er spielt jetzt für die Füchse Berlin. (Foto: Julius Frick/Jan Huebner/Imago)

Die Kieler Zugänge ergeben zwar aus handballfachlicher Sicht Sinn, die ganz großen Namen fehlen aber. In Tomas Mrkva kam ein Torhüter vom Bergischer HC, der als zweiter Mann hinter Niklas Landin eingeplant ist. Am Kreis dürfte Petter Överby, geholt als Pekeler-Ersatz vom HC Erlangen, wenig Eingewöhnungszeit benötigen. Ob das für die beiden schwedischen Rückraumspieler Eric Johansson (Elverum HB) und Karl Wallinius (Montpellier HB) zutrifft, ist ungewiss. Beide sind Europameister und hoch talentiert, die Kräfteplackerei in der Bundesliga mit Spielen im Drei-Tages-Rhythmus ist für beide aber neu.

Der Plan der Kieler dürfte folgendermaßen aussehen: Erst die Zeit ohne Sagosen und Pekeler bestmöglich überstehen, dann in der Rückrunde angreifen. "Wenn uns jemand abschreibt, ist das ein Fehler", drohte Jicha schon mal.

Im Kampf um den Meistertitel zeichnet sich eine Situation ab, um die andere Sportarten die Handballer beneiden. Mindestens vier ernsthafte Titelaspiranten lassen sich aufzählen, neben den Kielern (Meister 2020 und 2021) und dem Lokalrivalen SG Flensburg-Handewitt (Meister 2018 und 2019) auch die Füchse Berlin, die es geschafft haben, in Mathias Gidsel einen der begehrtesten Handballer Europas zu verpflichten. Und natürlich Magdeburg, das über die am besten eingespielte Auswahl verfügt. Er wolle den Titel der Vorsaison "nicht als One-Hit-Wonder sehen", sagte Trainer Bennet Wiegert, es sei aber schwer, eine solche Leistung zu bestätigen. Heiner Brand traut dies dem SCM zu. "Ich würde mein Geld auf Magdeburg setzen", sagte der frühere Bundestrainer.

Zwei neue Regeln dürften das Spiel noch schneller machen

Vielleicht kommt es am Ende darauf an, wer sich am cleversten auf die Regeländerungen dieses Sommers einstellt. Der Handball muss sich normalerweise nicht vorwerfen lassen, dass in den 60 Minuten zu wenig passiert - doch nun dürfte das Spiel noch einmal an Rasanz gewinnen. Wird Zeitspiel angezeigt, sind ab sofort nur noch vier statt der bislang erlaubten sechs Pässe gestattet. Noch schnellere Abschlüsse sind gefragt; die Teams werden sich etwas einfallen lassen.

Auch beim Anwurf nach einem Gegentor müssen die Spieler umdenken. Der alte Grundsatz "Ein Fuß auf die Mittellinie", den jeder im Kinderhandball kennt, gilt nicht mehr. Statt eines Anwurfpunkts gibt es nun eine Zone mit einem Durchmesser von vier Metern; betritt ein Spieler diese Zone mit einem Fuß, dürfen die Schiedsrichter sofortig anpfeifen. Auch muss der anwerfende Spieler nicht mehr stehen bleiben, sondern darf den Anwurf in vollem Lauf ausführen. Im Spiel sei dadurch noch mal "ein anderes Tempo möglich", urteilte der deutsche Olympia-Referee Robert Schulze. Die Auswirkungen auf die Taktik seien hoch, man werde "neue Situationen bei der schnellen Mitte erleben".

Noch mehr Tempo im Spiel, das könnte ein Vorteil für die Dauerläufer aus Magdeburg oder Flensburg sein. Oder für einen Außenseiter? Als zu Beginn des Jahrtausends die schnelle Mitte eingeführt wurde, taten sich die Topteams zunächst schwer. Der Meistertitel 2003 ging überraschend an jene Mannschaft, die sich am konsequentesten auf die neue Regel eingestellt hatte: an den TBV Lemgo.

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